Mittelschwaebische Nachrichten
Wenn ein Porsche-Fahrer einen Polizisten tritt
Weil ihm eine Kontrolle zu lange dauert, rastet ein Porsche-Fahrer in Ichenhausen aus und verletzt einen Polizeibeamten. Laut Gesetz bedeutet das eine Freiheitsstrafe. Doch es kommt anders
Günzburg Mehr als 10 000 Euro kostet es einen Mann aus dem nördlichen Landkreis Günzburg, dass er für einen kurzen Moment sein Temperament nicht unter Kontrolle hatte. Dabei begann alles ganz harmlos. Im Februar dieses Jahres fährt der 60-Jährige mit seinem Porsche Cayenne durch Ichenhausen. Der Kaufmann ist auf dem Weg zu einem Termin, als hinter ihm ein Streifenwagen der Polizeiinspektion Günzburg auftaucht. Die Beamten haben den Mann beim Telefonieren am Steuer erwischt.
Was dann passiert, davon gibt es zwei Versionen. Fest steht nur, dass die Kontrolle aus dem Ruder läuft. Von Anfang an ist die Stimmung gereizt. Der Verkehrssünder sagt, er habe nicht auf der Hauptstraße anhalten wollen und sei deshalb bis zur nächsten Seitenstraße weitergefahren. Dort hätten die Beamten ihn in sehr barschem Ton darauf hingewiesen, dass er bei einem entsprechenden Signal sofort anzuhalten habe. Die Einsatzleiterin sagt, der Fahrer habe das Signal ignoriert und erst nach einem halben Kilometer und nach Einsatz von Blaulicht und Martinshorn angehalten.
Bei der routinemäßigen Überprüfung der Daten sei der Porsche-Fahrer dann schnell ungeduldig geworden, so die Polizisten weiter. Die Kontrolle zieht sich, als die Beamten in dem Leihwagen nicht sofort die Fahrgestellnummer finden und vom Fahrer nur eine patzige Antwort zu bekommen ist. Schließlich setzt sich der 60-Jährige ans Steuer und startet den Motor. Um der Kälte des kalten Februartages mit der Heizung zu trotzen, sagt er. Doch die Streife ist überzeugt, dass der Mann wegfahren will. Einer der beiden Beamten greift durch das offene Seitenfenster, um den Schlüssel aus dem Zündschloss zu ziehen. Seine Kollegin sieht nur, wie er dann die Hand samt Schlüssel wieder herauszieht, offensichtlich unter Schmerzen. In der Anklageschrift steht später, dass der Polizist mehrere Tritte abbekommen habe und einige Tage un- ter Schmerzen litt. Der Angeklagte will lediglich mit dem Knie gegen die Hand des Beamten gedrückt haben. Dabei geht auch noch das Schloss zu Bruch, der Cayenne muss abgeschleppt werden.
Was stimmt nun? Beim Prozess am Amtsgericht Günzburg bittet Richter Martin Kramer die Beteiligten sogar auf den Parkplatz, um diese Frage zu klären. Dort steht ein schwarzer Porsche Cayenne, den der Angeklagte von einem Freund geliehen hat. Er setzt sich hinein, Richter und Staatsanwältin lugen durch das geöffnete Fenster. Der Angeklagte tut sich schwer, seinen Fuß auf Zündschlosshöhe zu bekommen. Seit er ein künstliches Hüftgelenk bekommen habe, sei er nicht mehr so beweglich wie früher.
Zurück im Gerichtssaal geht es um die Frage, wie der Mann zu bestrafen ist. Es gab den tätlichen Angriff auf einen Polizisten, das hat der Mann gestanden. Auf Initiative vom damaligen Bundesjustizminister Maas wurde der Strafrahmen für solche Taten erst im vergangenen Jahr nach oben gesetzt. Man wolle Polizisten und Rettungskräfte besser schützen, hieß es damals. Ob damit allerdings solche Fälle gemeint waren, das bezweifelt der Verteidiger des Angeklagten. Eigentlich kommt nach dem Strafgesetzbuch nur eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten in Betracht. Das fordert auch die Staatsanwältin. In Ausnahmefällen erlaubt das Gesetz aber eine Umwandlung in eine Geldstrafe.
Einen solchen Ausnahmefall sieht hier der Richter. Eine so heftige Attacke, wie es in der Anklageschrift stand, könne es aus seiner Sicht nicht gegeben haben, sagt Martin Kramer. Auch dass der Angeklagte später das Gespräch mit dem Polizisten suchte, sich entschuldigte und ein Schmerzensgeld von 400 Euro zahlte, rechnet ihm der Richter an. Dennoch sagt Kramer deutlich: „Sie haben sich absolut daneben benommen. Angriffe auf Polizeibeamte sind nicht tolerierbar.“Der Mann kommt mit einer Geldstrafe von 9000 Euro davon.