Mittelschwaebische Nachrichten
Löws Achse ist in Amsterdam gebrochen
Randbemerkung
Zu den Prinzipien von Joachim Löw gehört es, verdienten Spielern nahezu uneingeschränktes Vertrauen zu gewähren. Das war in der Vergangenheit zum Beispiel bei Lukas Podolski so, der trotz manch schwacher Saison immer eine Einladung zur DFB-Auswahl bekommen hatte. Das ist auch jetzt, in den Monaten nach dem WM-Debakel so – mit einem großen Unterschied: Die Spieler zahlen dieses Vertrauen nicht mehr zurück.
Löw hatte die Fragen nach dem bisher ausgebliebenen personellen Umbruch stets damit beantwortet, dass es nur mit jungen Spielern nicht gehe. Auf die Achse der Weltmeister von 2014 werde er deswegen auch weiterhin bauen. Viele dieser Führungsspieler hatten aber in der Amsterdamer Arena einen schlechten Tag: Manuel Neuer patzte beim ersten Gegentor, Jérôme Boateng scheint seit langem mehr mit seiner eigenen Fitness beschäftigt und Thomas Müller ist im Nationaltrikot schon seit Jahren nur noch ein Schatten seiner selbst.
Das ist nicht nur aus sportlicher Sicht schlecht, sondern auch ein verheerendes Zeichen für die Spieler, die in der zweiten Reihe auf ihre Chance hoffen. Kandidaten für eine Blutauffrischung gibt es genug: Marc-André ter Stegen, Niklas Süle und Julian Brandt wären Kandidaten, die von anderen Trainern vielleicht schon ihre Chancen bekommen hätten.
Es ist aus menschlicher Sicht nachvollziehbar, dass Löw die Hand über die Spieler hält, die jahrelang zu seinen Führungsfiguren gehörten – zumal er mit diesem System des Vertrauens lange Erfolg hatte. Die Niederlage gegen die Niederlande offenbarte aber, dass es in der deutschen Startelf mittlerweile zu viele dieser Spezialfälle gibt. Die Achse der WM-Helden 2014, bestehend aus Neuer, Hummels, Boateng, Kroos und Müller – sie ist am Samstagabend in Amsterdam krachend gebrochen.
Löw muss dem Team eine neue Achse verpassen. Wenn er es nicht schafft, kommt diese Aufgabe auf seinen Nachfolger zu.