Mittelschwaebische Nachrichten
Vom Dirndl-Stoff bis zu den Haferlschuhen
Trachtenmarkt In Krumbach gibt sich alles, was Rang und Namen hat in der Trachtenbranche, ein Stelldichein. Käufer finden hier alles rund um die Tracht vom Charivari bis zum Kropfband oder bis hin zum kleinsten Accessoire
Krumbach. Freitag, 16 Uhr, im kleinen Saal des Gasthauses Munding in Krumbach wuselt es regelrecht: Die Einlieferer für die Trachtenbörse, einem der vielen Magneten des Krumbacher Trachtenmarktes, geben sich die Klinke in die Hand. Da kommen Mäntel und Janker, Hosen, Schuhe, Hüte, Dirndl: Gekaufte und selbst genähte, zu klein gewordene, zu bunte, zu farblose, zu altmodische, oder was auch immer der Grund dafür war, das Stück für wenig Geld in den Verkauf zu ge- ben. Doch die Einlieferer sind zugleich auch die ersten Kunden. Denn der Fülle der Trachtenstücke, Bekleidung und Accessoires kann sich kein Trachtenliebhaber entziehen.
Christoph Lambertz von der Beratungsstelle für Volksmusik hat Haferlschuhe dabei. „Sie haben meinem Vater gehört, mir passen sie nicht.“Sie sehen aus, als wären sie nie getragen, jetzt hofft der WahlKrumbacher, dass sie ein neues Paar Füße finden. Und er nutzt gleich die Gelegenheit, selbst einzukaufen. Der Rieser Bauernkittel ist leider zu schmal, aber die bestickte schwarze Lederhose für den Sohn lässt er einpacken, „zum Reinwachsen“.
Der 20. Krumbacher Trachtenmarkt, der traditionell Samstag und Sonntag seine Tore in und um das Landauer-Haus öffnet, gehört zu den Höhepunkten seiner Art in der Region. Die Aussteller kommen aus Schwaben (bayerisch und württembergisch), aus Oberbayern, aus Franken. Das sei kein Problem, erklärt Stefan Xenakis von der Firma Wolf aus dem Fränkischen, die schon zum 20. Mal mit Tüchern, Stoffen und textilem Zubehör für die Tracht dabei ist. Denn die Materialien, aus denen die Tracht geschneidert wird, seien in ganz Deutschland verbreitet – und ebenso modischen Strömungen unterworfen wie andere Stoffe. Udo van der Kolk aus Schwalmstadt bestätigt diese Behauptung. Der Weber von Brokaten, Damasten und Metallgewebe hat sich auf das Besondere spe- zialisiert. Derzeit kann die historische Weberei rund 600 Muster anbieten, in der vom Kunden gewünschten Farbe. Doch er arbeitet auch alte Muster nach, zwei beispielsweise für die Trachtenberatungsstelle.
Ganz so exklusiv muss es für Familie Rankl nicht sein. Die traditionsbewussten Bobinger sind eigens nach Krumbach gekommen, um schöne Dinge für ihre Trachten zu finden. Albertine sucht bei van der Kolk Stoff für ein neues Dirndl, das sie selber näht, so wie sie auch ihr elegantes Gwand, das sie zum Trachtenmarkt trägt, selbst gemacht hat. Die passenden Knöpfe lassen sich auch auf dem Markt finden, etwa bei der Possamentenknopfmacherin Sandra-Janine Müller, die für die Trachtenberatung arbeitet und Kurse gibt.
Es sind erstaunlich viele unter den weiblichen Marktbesuchern, deren schöne Trachtenkleider in der heimischen Nähstube entstanden sind. Etwa in Harthausen bei Familie Monat, die eigentlich aus München stammt. „Tracht war für mich immer selbstverständlich. Sonntags zum Kirchgang und bei allen besseren Gelegenheiten“, bekräftigt Christine Monat, die für ihre Tochter Cornelia ein schickes Dirndl genäht hat, den passenden Strohhut dazu hat sie beim letztjährigen Markt gefunden. „Diesmal fahnden wir nach schönen Stoffen für ein neues Trachtengewand.“Krumbach ist dafür der geeignete Ort, erklären viele der Besucher, denn hier treffe sich alles, was Rang und Namen habe in der Branche, hier finden Vereine die passenden Ausstatter, Selbermacher alles vom Stoff bis zum kleinstes Accessoire, Sammler antike Stücke für das Charivari oder das Kropfband. Und Käufer finden spezialisierte Moderhäuser und Ateliers.
Indra Gebler ist spontan aus München nach Krumbach gebraust. Sie habe in der Früh zufällig erfahren, dass Trachtenmarkt in Krumbach sei, deshalb hat sie kurz entschlossen ihre Dackel ins Auto gepackt und ist nach Schwaben gekommen. Für die Inhaberin eines Trachtengeschäfts am Platzl hat sich der Ausflug gelohnt. Im Landauerhaus ist sie auf die Hutmacherin Karin Zeisberger gestoßen, die eine Manufaktur im Fränkischen betreibt. Sie stattet Vereine aus, hat modische Mützen und traditionelle Hüte wie Zylinder dabei und zeigt auch ihre selbst kreierte Kollektion an Gewandhüten, die Indra Gebler sofort ins Auge springen. Da könnte eine Geschäftsbeziehung entstehen, und auch sonst, freut sich Karin Zeisberger, sei das Interesse groß.
Auch die Vorführungen faszinieren: Sabine Wiedemann ist aus Wolfegg nach Krumbach gekommen. Sie macht hochwertigen Glasperlenschmuck und Perlentaschen und bringt die Zuschauer zum Staunen, wenn sie mit hauchdünnem Faden Perlen verstrickt, verhäkelt oder zu Bildern verstrickt.
Helga Hoffmann ist zwar schon im Rentenalter, aber die Tracht ist ihr Leben und auch das angeregte Gespräch mit den Menschen, die in ihr Zelt im Garten des Landauerhauses kommen. Bei ihr bekommt der Trachtenliebhaber vom Gewand bis zur perfekten Ausstattung alles, ohne selbst handarbeitliches Geschick beweisen zu müssen. Doch die temperamentvolle Dame aus dem Andechser Raum kann nicht nur verkaufen. Sie knüpft auch mit geschickten Fingern Kropfbänder aus Perlen oder Granat mit den schönsten Schließen.
Sicher wird am Ende des Marktes auch Rosina Zott hier vorbeigeschaut haben. Die heutige Krumbacherin stammt vom Kochelsee und ist zeit ihres Lebens der Tracht verbunden geblieben. Der Krumbacher Trachtenmarkt ist ihr seit 20 Jahren eine feste Größe. „Ich komme, schaue, bummle. Und wenn ich etwas finde, das mir gefällt, dann schlage ich zu,“freut sich Rosiana Zott auf einen erfolgreichen Einkaufsbummel am Markt.
Ein kleines Stück vom Trachtenmarkt, ohne selbst Trachtenträger zu sein, gibt es an den Ständen für Schmuck und Heimtextilien. Alte Wäschestücke und antike Stoffe zur Neugestaltung oder bereits zu Kissen umgearbeitet sind Mitnahmeartikel. Während die Klöpplerinnen nur ihre Kunstfertigkeit zeigen, können bei der Fischacherin Thea Baur handbedruckte Leinengewebe gekauft werden. Oder man lässt sich bei ihrem nächsten Kurs im Landauerhaus selbst in die Kunst des Modeldrucks einführen.