Mittelschwaebische Nachrichten
Die guten Steuer-Jahre sind bald vorbei
Finanzen Die Einnahmen des Bundes steigen kaum noch. Kann der Soli trotzdem fallen?
Berlin Nach neun Aufschwungjahren müssen sich Bund, Länder und Gemeinden wieder auf magerere Zeiten einstellen. Zwar werden sie bis zum Jahr 2022 noch einmal 6,7 Milliarden Euro mehr an Steuern einnehmen als bislang erwartet – die Zeiten, in denen ein Steuerrekord dem nächsten folgte, nähern sich aber offenbar ihrem Ende. „Wir müssen uns auf eine Normalisierung der Einnahmen einrichten“, betonte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) am Montag bei der Vorlage der neuen Steuerschätzung. „Die Bäume wachsen nicht in den Himmel.“In den Vorjahren hatten die Steuerschätzer regelmäßig deutlich höhere Zuwächse errechnet. Im Mai betrug das prognostizierte Einnahmeplus noch 63,3 Milliarden Euro.
Forderungen nach einer großen Steuerreform oder einer kompletten Abschaffung des Solidaritätszuschlages, wie sie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Interview mit unserer Zeitung erhoben hatte, erteilte Scholz eine Absage. Er will die zusätzlichen Mittel von zwei Milliarden Euro, mit denen er noch rechnen kann, vor allem in die Forschungsförderung stecken. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, fordert dagegen Steuersenkungen zum Ankurbeln der Konjunktur: „Gerade jetzt, wo die Wachstumsprognosen zurückgenommen werden müssen, ist die Entlastung der Bürger und der mittelständischen Unternehmen dringend notwendig“, betonte er auf Anfrage. „Leider setzt die Große Koalition auf teure Ausgabenpakete, statt den finanziellen Spielraum zu nutzen, um die Bürger zu entlasten.“Scholz sei nicht glaubwürdig, wenn er von solider Haushaltsführung spreche und zugleich eine europäische Arbeitslosenversicherung einführen wolle, die Deutschland elf Milliarden koste.
„Jetzt ist eine umfassende Entlastung der Steuerzahler überfällig“, betonte auch der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, gegenüber unserer Zeitung. „Als ersten Schritt sollte der Bund schleunigst den leidigen Soli komplett und für alle abschaffen - dank der steigenden Steuereinnahmen ist das finanzierbar!“Dies könne der Bundestag auch ohne Zustimmung durch den Bundesrat umsetzen.
Bis zum Jahr 2022 werden alleine die Einnahmen des Bundes nach Berechnungen der Steuerschätzer noch von gegenwärtig knapp 324 Milliarden auf 367 Milliarden Euro steigen. Größere neue Spielräume aber seien dabei nicht sichtbar, betonte Scholz. Die errechneten Mehreinnahmen von zwei Milliarden für ihn ergäben sich vor allem aus der positiven Entwicklung in diesem Jahr. „Nimmt
Besonders beliebt: Das Baukindergeld
man nur die nächsten drei Jahre, wäre es sogar ein leichtes Minus.“
Gleichzeitig treten 2019 reihenweise milliardenschwere Projekte der Koalition in Kraft - vom Familienentlastungsgesetz mit einem Volumen von 9,8 Milliarden Euro über das Kita-Gesetz mit mehr kostenloser Betreuung bis hin zu Rentenverbesserungen wie der nachgebesserten Mütterrente und einer Entlastung der Bürger bei den Krankenkassenbeiträgen um fast sieben Milliarden Euro. Das neue Baukindergeld erfreut sich bereits großer Beliebtheit. Bis zum Ende des Förderzeitraums im Jahr 2029 dürfte es knapp zehn Milliarden Euro gekostet haben.
Die Regierung hatte zuletzt bereits ihre Wachstumsprognose auf 1,8 Prozent für das laufende Jahr nach unten korrigieren müssen. Auch die aktuellen Ausschläge an den Börsen zeugen von einer wachsenden Nervosität weltweit.
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