Mittelschwaebische Nachrichten
Waffenlager auf dem Bauernhof
Spezialkräfte der Polizei finden in einem kleinen Ort im Unterallgäu 20 Pistolen und Gewehre, Munition sowie Schwarzpulver. Ermittelt wird gegen einen Mann aus dem rechten Spektrum – und gegen den Bürgermeister
Pleß Es scheint ein typischer Novembertag zu werden an diesem neblig-trüben Dienstag in Pleß. Bis 8 Uhr. Dann beginnt in dem 850-Seelen-Dorf im Unterallgäu der Ausnahmezustand. Ein Großaufgebot von Waffen- und Sprengstoffexperten der Polizei fährt im Konvoi vor. Ziel der Sondereinsatzkräfte: Zwei Bauernhöfe, in denen Schusswaffen in größerem Umfang gehortet werden. Fünf Stunden lang durchsuchen die Beamten die Anwesen – und stellen am Ende etwa 20 Pistolen und Gewehre, eine Armbrust, über 300 Schuss Munition sowie drei Kilo Schwarzpulver sicher.
Wie viele der sichergestellten Waffen funktionsfähig sowie strafrechtlich relevant sind, das sollen nun Experten des Landeskriminalamtes klären. Ein 50-jähriger Unterallgäuer, auf den sich die Ermittlungen konzentrieren, wird vorsorglich in eine psychiatrische Klinik gebracht. Waffen finden die Beamten aber auch auf dem nahen Anwesen des ehrenamtlichen Bürgermeisters von Pleß. Warum der 60-jährige Rathauschef eine Pistole und einen Karabiner samt Munition für den Nachbarn aufbewahrt hat, wie er laut Polizei bei der Befragung erklärt – auf diese Fragen suchen die Ermittler seither nach Antworten.
Fest steht bislang nur: Weder der 50-Jährige noch der Bürgermeister hatten die Erlaubnis, Waffen zu besitzen. Der Rathauschef durfte zwar dank einer Sondergenehmigung für Böllerschützen mit Schwarzpulver hantieren – er hatte das explosive Gemisch laut Polizei aber nicht fachgerecht aufbewahrt. Nun wird gegen ihn wegen illegalen Waffenbesitzes ermittelt. Sein Amt darf er weiter ausüben, solange kein Haftbefehl vorliegt, heißt es aus dem Landratsamt. Die Rechtsaufsicht warte jetzt die Ermittlungsergebnisse der Polizei ab. Danach werde geprüft, ob sie im Fall des Gemeindeoberhaupts handeln muss.
In Pleß ist man über die Nachricht schockiert, dass gegen den Bürgermeister wegen illegalen Waffenbesitzes ermittelt wird. Der 60-Jährige wird als „moderater und gutmütiger Mensch“beschrieben. Dass der ehrenamtliche Rathauschef, der seit 2014 im Amt ist, auch wie sein 50-jähriger Nachbar eine politisch rechte Gesinnung hat, können die Bürger im Ort nicht bestätigen. Im Gegenteil: So habe er sich etwa im Zuge der Flüchtlingswelle dafür eingesetzt, dass Asylbewerber in das ehemalige Gebäude einer Bank im Ort unterkommen können. Außerdem heißt es, dass der Landwirt auf seinem Hof wohl auch ausländische Mitarbeiter beschäftigt. Zudem sei er nie im Umgang mit Waffen in Erscheinung getreten. Im Gegensatz dazu wird sein 50-jähriger Nachbar als aggressiv beschrieben. Zudem habe er sehr radikale Ansichten, sagt eine Bürgerin.
Als die Beamten am Morgen vor dem Anwesen des 50-jährigen Unterallgäuers eintrafen, wussten sie laut Polizeisprecher Christian Eckel nicht, was sie dort erwartet. Daher seien auch zahlreiche Spezialeinsatzkräfte angerückt. Der Mann gelte als aufbrausend und schwer berechenbar, sagt der Polizeisprecher. Auf die Spur des inzwischen allein im Haus lebenden Unterallgäuers waren die Beamten nach einer Strafanzeige wegen häuslicher Gewalt gegen seine Ehefrau gekommen. Im Zuge der Ermittlungen seien Indizien für unerlaubten Waffenbesitz aufgetaucht. Die Beamten ordnen den 50-Jährigen zudem dem rechten politischen Spektrum zu. „Für eine Nähe zu den sogenannten Reichsbürgern gibt es keine Indizien“, sagt Eckel. Es sei aber denkbar, dass von dem Mann „im Umgang mit behördlichen Autoritäten eine gewisse Gefahr ausgeht“.
Bei der Durchsuchung leistete der Unterallgäuer keinen Widerstand. Das Landratsamt Unterallgäu ordnete vorsorglich die Unterbringung des 50-Jährigen in einer psychiatrischen Klinik an. „Denn es war nicht auszuschließen, dass der Mann sich selbst und andere gefährden könnte“, sagt Polizeisprecher Christian Eckel. Wie lange der Unterallgäuer bereits Waffen und Munition hortet und welche Pläne er damit verfolgt, müssen laut Eckel nun die weiteren Ermittlungen zeigen. Der Plesser Bürgermeister habe sich bei der Polizeiaktion „äußerst kooperativ“gezeigt, lobt der Polizeisprecher.