Mittelschwaebische Nachrichten
„Ohne Augsburg kein Fujitsu“
700 Mitarbeiter reisen nach München, um ihrem Unmut Luft zu machen. Aber wird der Konzern-Präsident, der dort vor tausenden Kunden auftritt, das überhaupt hören?
München Zuerst war es ein Schock. Nun herrscht Kampfeslust, teils Wut vor. So beschreibt Peter Wagner, Betriebsrats-Chef von Fujitsu in Augsburg, seine Gefühle. Er steht am Mittwoch in München, auf einem kargen Platz zwischen Messegelände und Riem-Arcaden, einem Einkaufszentrum. Fast 700 Mitarbeiter des Konzerns versammeln sich hier, rund 500 sind mit Bussen aus Augsburg gekommen. Auf dem Messegelände präsentiert sich der japanische IT-Konzern beim Fujitsu-Forum mehr als 10 000 Besuchern. Es sind vor allem Kunden.
Auch der Präsident des Unternehmens, Tatsuya Tanaka, ist da. Die Demonstranten bekommen ihn nicht zu sehen. Aber Wagner ruft seinen Kollegen zu: „Es ist wichtig, dass wir hier sind und ihm ordentlich einen trillern.“Die FujitsuMitarbeiter setzen zu einem Pfeifkonzert an. Sie zeigen Transparente mit der Aufschrift: „Ohne Augsburg kein Fujitsu.“Und sie hoffen, damit gehört zu werden.
Drinnen, im internationalen Congress Center, ist nichts mehr von den roten Fahnen der IG Metall zu sehen. Allenfalls die Hosenträger des männlichen Servicepersonals sind knallrot. Ansonsten herrschen gedeckte Anzugfarben vor. Die Teilnehmer des Forums zieht es erwartungsvoll in das riesige Auditorium mit seinen bis zu 1430 Plätzen, so als würde dort gleich ein Popstar auftreten. Auf die Bühne tritt dann Tanaka. Er hält eine sogenannte Keynote-Speech. Der Manager sagt also Grundsätzliches über die Zukunft des Computerherstellers. Vor der 14 mal 15 Meter großen Leinwand wirkt der Mann verloren. Er trägt Anzug und Krawatte.
Wird Tanaka nun etwas zum Schicksal des Augsburger Werkes sagen, das ja bis 2020 geschlossen werden soll? Bei solchen Konferenzen ist es unüblich, vor Geschäftspartnern auf einzelne Standorte einzugehen. Hier steht Marketing, möglichst positives, im Vordergrund. Aber Augsburg ist nicht weit entfernt von München. Und die Nachricht über das geplante Aus für das Werk ist wie eine Bombe eingeschlagen. Viele der Teilnehmer des Kongresses wissen, was Tanaka mit Augsburg vorhat. Doch der FujitsuMann geht erwartungsgemäß nicht, im Gegensatz zur Pressekonferenz am Vortag, auf den speziellen Fall ein. Er spricht stattdessen etwa davon, dass der Konzern mit Technologien Menschen Freude bringen wolle. All das erfreut Angela Steinecker, Unternehmensbeauftragte der IG Metall für Fujitsu, weniger. Die Gewerkschafterin sagt: „Wir sind enttäuscht, dass der Augsburger Fall bei der Rede nicht thematisiert wurde.“Sie berichtet zudem, dass sich ein Fujitsu-Kunde bei IG Metall und Gesamtbetriebsrat gemeldet habe, um sein Unverständnis über die Schließungspläne für das deutsche Werk zu äußern.
Steinecker wollte einen Bericht unserer Zeitung, dass im Hintergrund daran gearbeitet wird, zumindest einige hundert Fujitsu-Arbeitsplätze in Augsburg zu erhalten, nicht kommentieren. Man müsse erst die Mitte November beginnenden offiziellen Gespräche zwischen Firmenleitung und Arbeitnehmervertretern abwarten.
Schwabens IHK-Hauptgeschäftsführer Peter Saalfrank findet solche in Augsburg verfolgten Pläne positiv: „Es wäre sehr begrüßenswert, eine nennenswerte Anzahl von Fujitsu-Arbeitsplätzen in der Stadt zu erhalten.“So würde der Hersteller in Augsburg als Arbeitgeber etwa für IT-Entwickler präsent bleiben, auch wenn die Produktion von Computern eingestellt werde.
Bei einer Diskussion über die Zukunft des Werkes soll sogar die Zahl von bis zu 500 Stellen gefallen sein, die gerettet werden könnten. Noch sind das natürlich alles Überlegungen, zu denen sich die Firmen-Leitung vor den Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern nicht äußert. Am Ende kommt es darauf an, dass Tanaka zustimmt. IHK-Mann Saalfrank ist überzeugt, dass jetzt rasch im Sinne der 1850 FujitsuMitarbeiter und im Interesse des Augsburger Wirtschaftsstandorts gehandelt werden müsse: „Sonst betreiben externe Headhunter Rosinenpickerei und schwächen dadurch den Wirtschaftsstandort.“Das wäre aus Sicht Saalfranks fatal für Augsburg: „Besser ist, wir könnten möglichst viele Mitarbeiter in der Region halten, warum nicht unter dem Fujitsu-Dach.“Der IHK-Repräsentant setzt sich nicht nur für die Interessen der auf dem Arbeitsmarkt heiß begehrten Fujitsu-Spitzenkräfte ein: „Wir müssen auch an die übrigen Mitarbeiter denken.“
Saalfrank glaubt, dass es mit Unterstützung der örtlichen Agentur für Arbeit gelingen könne, möglichst vielen der betroffenen Beschäftigten einen neuen Job in der Region zu vermitteln. Dies entspräche auch dem Ergebnis des jüngsten Spitzentreffens mit Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer (CSU).
Christian Werner ist einer der betroffenen Beschäftigten. Er hat mit 15 als Azubi bei Siemens angefangen. Heute ist er 54 und hat sich dem Protest in München angeschlossen. Werner arbeitet im Einkauf bei Fujitsu in Augsburg. Dass die Situation nicht einfach für das Unternehmen ist, versteht er. Das geplante Aus des Augsburger Werks ist für ihn dennoch unverständlich. Hier habe es kurze Wege gegeben: „Entwickler konnten direkt in der Produktion vorbeischauen.“Die Qualität der Produkte sei gut.
Auch Werner hat den Bericht unserer Zeitung gelesen, wonach es für bis zu 500 Mitarbeiter doch noch eine Zukunft in Augsburg geben könnte. Er hofft darauf, dass es so kommt. Er hat jedoch die Hoffnung fast schon aufgegeben, dass das Werk als Ganzes gerettet wird.
Nach wie vor wird für den Standort gekämpft. Wirtschaftsminister Pschierer bestätigt unserer Zeitung, dass er am Dienstag mit Tanaka geredet habe. „Das Gespräch ist sehr gut und konstruktiv gewesen“, sagt er. In welchem Umfang Arbeitsplätze in Augsburg erhalten werden können, bleibe aber den Verhandlungen zwischen dem Unternehmen und den Arbeitnehmervertretern vorbehalten. Pschierer meint jedenfalls: „Ich würde mich über eine möglichst hohe Zahl sehr freuen.“