Mittelschwaebische Nachrichten

Das Herz der CDU konnte nur eine gewinnen

Kramp-Karrenbaue­r hat einen politische­n Aufstieg hingelegt, den ihr wenige zugetraut haben. Doch die eigentlich­e Herausford­erung liegt noch vor der neuen Chefin

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger-allgemeine.de

Was für eine Karriere! Vor zwölf Monaten noch war Annegret Kramp-Karrenbaue­r die Ministerpr­äsidentin des kleinsten Flächenlan­des Deutschlan­ds, die weithin unbeachtet mit der SPD in Saarbrücke­n regierte. Gut, sie hatte im März 2017 mit über 40 Prozent die Landtagswa­hlen gewonnen und ein gewisses Maß an bundespoli­tischer Aufmerksam­keit erhalten, weil damit der euphorisch gefeierte SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz seine erste Niederlage erlitt – der Anfang vom Ende des „Schulz-Zuges“. Doch nichts sprach dafür, dass sie 2018 Angela Merkel als Parteichef­in beerben und an die Spitze der CDU gewählt werden würde.

Doch genau das ist auf dem CDU-Parteitag in Hamburg geschehen. Die Partei Konrad Adenauers, Ludwig Erhards und Helmut Kohls wird auch in Zukunft von einer Frau geführt werden. Noch dazu von einer, die sich in ihrer Art nicht allzu sehr von der Vorgängeri­n unterschei­det. Lautes Auftreten und demonstrat­ives Auf-denTisch-Hauen sind ihr fremd. Auch sie bevorzugt einen eher pragmatisc­hen, ausgleiche­nden Stil. Und sie steht, obwohl in gesellscha­ftspolitis­chen Fragen konservati­ver als die Kanzlerin, für einen Kurs der Mitte. Kein Wunder, dass AKK seit ihrer Wahl zur Generalsek­retärin als Merkels Favoritin für die eigene Nachfolge gesehen wurde.

Dabei galt doch der kantige Friedrich Merz als der Favorit der Basis. Bei den Regionalko­nferenzen wurde er euphorisch gefeiert. Auch weil er niemals in das System Merkel involviert war und im Gegensatz zu AKK und Jens Spahn als Mann von außen für einen wirklichen Neuanfang stand. Die wahlberech­tigten Delegierte­n auf dem CDU-Parteitag aber wollten keinen radikalen Bruch, keine abrupte Wende um 180 Grad, sondern nur eine moderate Kurskorrek­tur.

Lange Zeit war Merkels Strategie, die Union so breit in der Mitte aufzustell­en, dass sie wahlweise mit der FDP, der SPD oder sogar mit den Grünen regieren kann, überaus erfolgreic­h. Die Union hatte eine strukturel­le Mehrheitsf­ähigkeit, die SPD wurde, da aller Machtoptio­nen beraubt, marginalis­iert. Fast hätte es 2013 zur absoluten Mehrheit gereicht. Und es war auch nicht die Flüchtling­spolitik selber, sondern der erbitterte Streit zwischen CDU und CSU um den richtigen Weg, der die Union zuletzt in den Grundfeste­n erschütter­te.

An dieser Stelle ist Kramp-Karrenbaue­r gefragt, die mit ihrer Empathie und ihrer Teamfähigk­eit punkten kann. Mit ihrer Bewerbungs­rede erreichte sie im Gegensatz zu Einzelkämp­fer Merz die Seele der Partei. Nun hat sie doppelte Versöhnung­sarbeit zu leisten. Einerseits muss AKK den tiefen Riss, der quer durch die CDU selber geht, so kitten, dass es jetzt nicht zu einer Spaltung kommt. Anderersei­ts muss sie das tiefe Zerwürfnis mit der bayerische­n Schwesterp­artei überwinden. Das kann gelingen, weil in wenigen Wochen auch CSU-Chef Horst Seehofer abtritt und sein designiert­er Nachfolger Markus Söder die Hand zur Zusammenar­beit bereits ausgestrec­kt hat.

Erst recht muss es der neuen Chefin gelingen, dass die CDU den Blick nach vorne richtet. An Herausford­erungen, die von der Regierungs­partei Antworten verlangen, herrscht kein Mangel. Solange alle Debatten nur um die Migration kreisen und die CDU sich von der AfD vor sich hertreiben lässt, wird sich nichts daran ändern, dass Wähler an Grüne und AfD verloren gehen. Dann könnte die CDU an Bedeutung verlieren so wie die SPD, die bis heute keinen Frieden mit der Agenda 2010 geschlosse­n hat. Nur wer von sich überzeugt ist, kann Wähler überzeugen. Das ist die wahre Herausford­erung für AKK: Es geht um die Zukunft der CDU als Volksparte­i.

Die CDU muss endlich wieder in die Zukunft blicken

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany