Mittelschwaebische Nachrichten
Der Henkelmann ist wieder da Ernährung
Selbst zu kochen kommt wieder in Mode. „Meal Prep“macht mitgebrachtes Essen schick. Eine Spurensuche nach dem Trend durch den Landkreis Günzburg
Früher nahmen Arbeiter einen Henkelmann mit an den Arbeitsplatz: Mittags dann wurde das häuslich vorbereitete Essen verzehrt. Lange Zeit war dies in Vergessenheit geraten, der Henkelmann Synonym für Spießigkeit und Armut. Doch die Zeiten ändern sich, will jedenfalls der Nahrungsmittelkonzern Nestlé nach einer Mitteilung entdeckt haben, und so manches deutet auf eine Trendwende hin. Es ist nicht mehr langweilig, seine Mahlzeit von zu Hause mitzubringen, sondern als „Meal Prep“schick. Die Nachfrage nach hippen Lunchboxes, so werden modische Essensbehälter nun genannt, hat sich deutlich verstärkt, auch wenn – noch – nicht von einer signifikanten Zunahme gesprochen werden könnte, weiß Myriam Schmid vom Krumbacher Haushaltswarenfachgeschäft. Selbst die Süddeutsche Zeitung hat vor Kurzem dem Test solcher Essensbehälter eine ganze Seite gewidmet. Allerdings sind es in Krumbach vor allem die Modelle für Kinder und Thermobehälter, die Kunden kaufen. In den Warmhaltezylindern, die einen oder mehrere wasserdichte Einsätze haben, können zubereitete Gerichte über viele Stunden bei Verzehrtemperatur gehalten werden; im Sommer kalt, im Winter warm, was besonders bei Personen gut ankomme, die im Freien arbeiten und keine Möglichkeit haben, sich vor Ort zu versorgen, etwa Menschen auf Baustellen.
Doch glaubt man den sozialen Medien, die mit ihren Blogs um „Follower“werben und als „Influencer“Trends setzen wollen, dann ist Meal Prep ein von der Art des Arbeitsplatzes und der ihn umgebenden Infrastruktur unabhängiger Trend zum Selbstgekochten in der Arbeitspause.
Ökotrophologin Angela Blind, die als Ernährungsberaterin für die AOK tätig ist, sieht diese behauptete Entwicklung mit analytischer Distanz. „Unsere Gesellschaft ist keine homogene Gruppe. Gerade beim Ess- und Kochverhalten gehen die Gewohnheiten extrem weit auseinander. Es gibt die Gourmets und die Gesundheitsbewussten, für die die selbst zubereitete Mahlzeit ein echter Genuss ist und die überzeugte Köche sind. Aber es gibt auch immer mehr Menschen, die überhaupt nie selbst kochen, sondern sich mit Fertigprodukten, Fast Food oder Imbiss versorgen. Ich sehe hier ein starkes Auseinanderdriften.“Letztere würden niemals Essen von zu Hause mit an die Arbeit nehmen. Sie bestellen sich Pizza, kaufen sich oder allenfalls die klassische Leberkässemmel.
Die Botschaft der Blogs und Filmchen, in denen der neue Trend des Meal Prep verbreitet wird, ist durchaus nicht eins zu eins auf das wirkliche Leben zu übertragen. Denn auch die unzähligen Kochsendungen im Fernsehen haben nicht dazu geführt, dass mehr Menschen gut kochen. Einige, die immer schon gekocht haben, nehmen sie als Anregung, die meisten Zuschauer sehen darin lediglich eine spezifische Art der Unterhaltung. Und so, ist Angela Blind überzeugt, ist es auch mit den Blogs zu Meal Prep. Allerdings steigt die Zahl der sehr Gesundheitsbewussten, die auf ihre Ernährung sehr bewusst achten, und der Menschen, die sich zu einer speziellen Art der Ernährung entschlossen haben. Eine Ursache für mehr Hausgemachtes sieht die Ökotrophologin in dieser Tendenz zur Spezialernährung. „Die Zahl der Allergiker nimmt zu. Die können sich in Kantinen oder Imbissecken oft nicht entsprechend versorgen. Wer eine Laktose- oder Fructoseunverträglichkeit hat, womöglich kein Gluten verträgt, muss sich genauso alternativ ernähren wie die zunehmende Gruppe der Veganer. Nur für die Vegetarier hat sich in der Zwischenzeit das Thekenangebot an schmackhaften Mahlzeiten deutlich verbessert.“
Beim Einsatz von Meal Prep lässt sich auch ein geografischer Unterschied erkennen. In der Großstadt scheint trotz des meist vielfältigen Angebotes an schnellen Mittagsgerichten die Zahl der Vorkocher deutlicher zu steigen als im ländlichen Raum, wo in der Mehrzahl FaBurger milien noch gemeinsam essen, wenn nicht mittags, dann am Abend.
Aber auch für diese Gruppe könnte Meal Prep eine gesunde Alternative zum süßen Stückchen sein, ist die Ernährungswissenschaftlerin überzeugt. „Wer am Abend kocht, kann sich leicht etwas für den nächsten Tag zurückbehalten. Als durchaus grenzwertig sieht sie allerdings Blogs, in denen als Krönung der Planungskunst gleich für eine ganze Arbeitswoche vorgekocht wird. „Wer Essen vorkocht, muss sich an hygienische Grundsätze halten. Er muss Kenntnis haben über die Verderblichkeit auch vorgekochter Produkte und wissen, wie er sie am besten frisch hält.“
Wer einige Grundsätze beachtet, kann sich aber mit einer daheim vorbereiteten Mahlzeit am nächsten Tag lecker und gesund ernähren.
Am einfachsten wäre es, etwas mehr zu kochen und den Rest vom Vorabend mitzunehmen. Aber auch da sollten zwei Dinge beachtet werden. Zum einen wird es schnell langweilig, jeden Mittag das Gleiche zu essen wie am Abend zuvor, zum anderen muss das Gekochte für den nächsten Tag schnell abgekühlt werden, um einen Befall mit Mikroorganismen zu vermeiden. In der Praxis heißt das, man darf nicht das gesamte Essen in der vorgewärmten Schüssel oder im heißen Topf auf den Tisch stellen und den Rest am nächsten Morgen in eine Box zum Mitnehmen füllen. Für das Essen am nächsten Tag sollte direkt nach dem Garen der einzelnen Mahlzeitkomponenten etwas abgezweigt werden. So lässt sich aus den Grundprodukten eine schmackhafte Alternative zaubern, zudem kühlen die kleinen Mengen schnell so weit herunter, dass sie – zugedeckt – in den Kühlschrank gestellt werden können.
Allerdings, warnt Angela Blind, dürfen nicht alle Gerichte aufgewärmt werden. „Von Spinat und Pilzen in gegarter Form sollte man Abstand nehmen. In Warmhaltegefäße dürfen sie auf keinen Fall.“
Manches eignet sich aus geschmacklichen Gründen nicht zum Essen aus dem Henkelmann. „Stellen Sie sich vor, wie Nudeln mit Tomatensoße aussehen, die 18 Stunden in einem Topf aufgehoben wurden. Da ist nur noch ein matschiger Brei übrig, den niemand mehr essen will“, sagt die Fachlehrerin für Ernährung und Versorgung, Barbara Lipp. Doch sie weiß Rat. Wer gerne ein Nudelgericht von zu Hause mitnehmen möchte, verrät sie, sollte die Nudeln nicht ganz weich kochen und die Soße separat aufbewahren. In der Mikrowelle im Sozialraum können die beiden Komponenten dann eine glückliche Verbindung eingehen. Auch bei Salat empfiehlt es sich, das Dressing in einer kleinen Flasche mitzunehmen. „Es hält sich mehrere Tage im Kühlschrank, man muss also nicht täglich eine neue Soße anrühren. Auch knackige Zutaten wie Croûtons behalten Geschmack und Konsistenz, wenn man sie erst kurz vor dem Verzehr zum Salat gibt. Wichtig im Salat sind Ballaststoffe. Dazu eignen sich beispielsweise rote Linsen, die in wenigen Minuten gegart sind, auch andere Hülsenfrüchte, die man auch aus der Dose nehmen kann. Dazu Nüsse, Samen, klein geschnittenes Gemüse. Für eine appetitliche Mahlzeit, unterstreicht Barbara Lipp, sei es wichtig, die Komponenten einzeln zu verpacken und mitzunehmen. Denn es geht ihr einerseits um eine gesunde Ernährung, sie weiß aber auch, dass Essen schmecken muss, um akzeptiert zu werden. Deshalb rät sie denen, die ein warmes Mittagessen möchten, am besten Schmorgerichte oder Eintöpfe vorzubereiten, denn die eigenen sich am besten zum Aufwärmen, sowohl aus hygienischer Sicht, sie sind gut durchgegart, als auch aus kulinarischer. Denn viele Schmorgerichte entwickeln beim Aufwärmen einen noch intensiveren Geschmack. „Aber,“weiß Barbara Lipp, der Profi in der Küche, „einfach Reste essen, das wird auf Dauer kein Erfolg. Man muss auch Fantasie mitbringen und Freude. Und wer es richtig gut machen will, der kocht auch sein Meal Prep regional, saisonal und umweltbewusst.“