Mittelschwaebische Nachrichten
Mit 100 Sachen durch die Innenstadt? Prozess
Vor Gericht müssen sich zwei Fahranfänger verantworten, weil sie sich illegale Autorennen geliefert haben sollen. Die Angaben über die dramatische Nacht variieren
Neu-Ulm/Ulm Jeder, der abends am Wochenende in Ulm oder Neu-Ulm unterwegs ist, kennt die Szenen: Junge Burschen, die mit ihren aufgemotzten Karren eine Art Schaulaufen veranstalten. Manchmal werden auch illegale Rennen gefahren. Nun war einer dieser Fälle vor Gericht: Da die beiden Angeklagten Mustafa und Ömer (Namen von der Redaktion geändert) geständig waren und Reue zeigten, hätte der Prozess am Montag in der öffentlichen Jugendschöffensitzung am Ulmer Amtsgericht, wegen verbotenen Autorennens, eigentlich zum Abschluss kommen können. Kam er aber nicht. Einerseits zog sich die Zeugenbefragung etwas in die Länge, andererseits konnte ein Gutachter nicht anwesend sein, dessen Einschätzung Richter Peter Graumann und seine beiden Schöffen noch hören wollen.
Eigentlich wurden zwei Fälle behandelt. In den einen, der zum Unfall in der Augsburger Straße/Ecke Maximilianstraße in Neu-Ulm führte, war aber nur Emre verwickelt. So ging es insbesondere um das verbotene Autorennen am 9. März dieses Jahres in der Ulmer Frauenstraße. Eine Clique junger Menschen, unter ihnen Mustafa und Ömer, hatte sich hinter der Hauptpost getroffen. Während die anderen in verschiedene Richtungen davon fuhren, bewegten sich die beiden Angeklagten, damals 19 und 18 Jahre alt, mit ihren PS-starken und schnellen Autos über die Olgastraße und bogen in die Frauenstraße ein. An der Ampel Ecke Bockgasse fuhr Mustafa links in die Abbiegespur. Ob er dabei geblinkt hat, konnte kein Zeuge mit Sicherheit sagen.
Er wollte einen Kumpel nach Ludwigsfeld bringen und habe sich plötzlich entschieden, lieber geradeaus weiter zu fahren, um über die Herdbrücke nach Neu-Ulm zu gelangen. Dabei muss er ein Stück auf der entgegenkommenden Fahrspur gefahren sein, um dann rechts rüber zu ziehen. Mustafa gab, das gestand er, kräftig Gas. Sein Bekannter Ömer bemerkte das, fuhr auf die Busspur, beschleunigte ebenfalls stark. Wie schnell die beiden waren, stand nicht genau fest. Mustafa und Ömer gaben aber zu, schneller als die erlaubten 30 Stundenkilometer unterwegs gewesen zu sein. Ein Zeuge meinte sogar, die beiden seien sicher mit 100 Sachen dahin gerast, auf jeden Fall aber mit hohem Tempo.
Ömer ist dabei auch noch leicht auf den Bürgersteig geraten. Schließlich kam es zum Unfall, indem sich die beiden Karossen streiften. Ob das Rennen verabredet war, bleibt ein Rätsel. Mustafa führte aus, er habe noch „eine Runde“über Neue Straße, am Bahnhof vorbei und durch die Olga- sowie Frauenstraße drehen wollen, wie es die Clique häufig getan habe, um „nach Damen“zu schauen. „Alles ist schlagartig passiert“, sagte er, „ich habe Panik bekommen, hatte auch Angst vor meinem Vater, weil ich das Auto von ihm nur selten bekomme. Es tut mir richtig leid.“Ömer hatte erst ein Beschwerdeschreiben ans Gericht geschickt, als er merkte, was ihm droht. Dann habe er realisiert, was er „alles gemacht“habe. „Ich bin schneller gefahren als erlaubt“, gab er zu. „Das war Blödheit, Dummheit. Ich weiß, dass es bei Autorennen schon Tote und Verletzte gegeben hat. Gut, dass bei uns nichts weiter passiert ist.“
Richter Peter Graumann gab zum Besten, was so alles im Chatverlauf in der Clique unterwegs war. Da hätten die einen andere gewarnt, in nächster Zeit die Raserei in der Innenstadt zu unterlassen, weil es verstärkt Kontrollen gebe. Außerdem sei da von diversen Autorennen die Rede gewesen und davon, dass auf der Augsburger Straße Richtung Offenhausen einer voller Stolz auf 170 Stundenkilometer beschleunigt habe. 50 sind dort erlaubt.
Das Problem von Ömer ist, dass er von der Polizei auch wegen Fahrens ohne Führerschein erwischt wurde und dass er nur eine Woche nach dem Vorfall in der Frauenstraße am Unfall in der Augsburger Straße – Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, das abbiegen wollte und das Zerstören einer Ampel – beteiligt war, weil er nach Zeugenaussagen und einem Gutachten deutlich zu schnell gefahren ist.
Seinen Führerschein verlor er, nachdem er ihn gerade drei Monate zuvor bekommen hatte. Immerhin war er im Großen und Ganzen geständig und von der Jugendgerichtshilfe hieß es, Ömer habe sich im Sommer des Jahres deutlich verändert, sich einsichtig gezeigt, sei in seinem Praktikum sehr verlässlich und sei „erzieherisch noch erreichbar.“Der Prozess wird am 20. Dezember um 10 Uhr fortgesetzt.