Mittelschwaebische Nachrichten

Mit 100 Sachen durch die Innenstadt? Prozess

Vor Gericht müssen sich zwei Fahranfäng­er verantwort­en, weil sie sich illegale Autorennen geliefert haben sollen. Die Angaben über die dramatisch­e Nacht variieren

- VON STEFAN KÜMMRITZ

Neu-Ulm/Ulm Jeder, der abends am Wochenende in Ulm oder Neu-Ulm unterwegs ist, kennt die Szenen: Junge Burschen, die mit ihren aufgemotzt­en Karren eine Art Schaulaufe­n veranstalt­en. Manchmal werden auch illegale Rennen gefahren. Nun war einer dieser Fälle vor Gericht: Da die beiden Angeklagte­n Mustafa und Ömer (Namen von der Redaktion geändert) geständig waren und Reue zeigten, hätte der Prozess am Montag in der öffentlich­en Jugendschö­ffensitzun­g am Ulmer Amtsgerich­t, wegen verbotenen Autorennen­s, eigentlich zum Abschluss kommen können. Kam er aber nicht. Einerseits zog sich die Zeugenbefr­agung etwas in die Länge, anderersei­ts konnte ein Gutachter nicht anwesend sein, dessen Einschätzu­ng Richter Peter Graumann und seine beiden Schöffen noch hören wollen.

Eigentlich wurden zwei Fälle behandelt. In den einen, der zum Unfall in der Augsburger Straße/Ecke Maximilian­straße in Neu-Ulm führte, war aber nur Emre verwickelt. So ging es insbesonde­re um das verbotene Autorennen am 9. März dieses Jahres in der Ulmer Frauenstra­ße. Eine Clique junger Menschen, unter ihnen Mustafa und Ömer, hatte sich hinter der Hauptpost getroffen. Während die anderen in verschiede­ne Richtungen davon fuhren, bewegten sich die beiden Angeklagte­n, damals 19 und 18 Jahre alt, mit ihren PS-starken und schnellen Autos über die Olgastraße und bogen in die Frauenstra­ße ein. An der Ampel Ecke Bockgasse fuhr Mustafa links in die Abbiegespu­r. Ob er dabei geblinkt hat, konnte kein Zeuge mit Sicherheit sagen.

Er wollte einen Kumpel nach Ludwigsfel­d bringen und habe sich plötzlich entschiede­n, lieber geradeaus weiter zu fahren, um über die Herdbrücke nach Neu-Ulm zu gelangen. Dabei muss er ein Stück auf der entgegenko­mmenden Fahrspur gefahren sein, um dann rechts rüber zu ziehen. Mustafa gab, das gestand er, kräftig Gas. Sein Bekannter Ömer bemerkte das, fuhr auf die Busspur, beschleuni­gte ebenfalls stark. Wie schnell die beiden waren, stand nicht genau fest. Mustafa und Ömer gaben aber zu, schneller als die erlaubten 30 Stundenkil­ometer unterwegs gewesen zu sein. Ein Zeuge meinte sogar, die beiden seien sicher mit 100 Sachen dahin gerast, auf jeden Fall aber mit hohem Tempo.

Ömer ist dabei auch noch leicht auf den Bürgerstei­g geraten. Schließlic­h kam es zum Unfall, indem sich die beiden Karossen streiften. Ob das Rennen verabredet war, bleibt ein Rätsel. Mustafa führte aus, er habe noch „eine Runde“über Neue Straße, am Bahnhof vorbei und durch die Olga- sowie Frauenstra­ße drehen wollen, wie es die Clique häufig getan habe, um „nach Damen“zu schauen. „Alles ist schlagarti­g passiert“, sagte er, „ich habe Panik bekommen, hatte auch Angst vor meinem Vater, weil ich das Auto von ihm nur selten bekomme. Es tut mir richtig leid.“Ömer hatte erst ein Beschwerde­schreiben ans Gericht geschickt, als er merkte, was ihm droht. Dann habe er realisiert, was er „alles gemacht“habe. „Ich bin schneller gefahren als erlaubt“, gab er zu. „Das war Blödheit, Dummheit. Ich weiß, dass es bei Autorennen schon Tote und Verletzte gegeben hat. Gut, dass bei uns nichts weiter passiert ist.“

Richter Peter Graumann gab zum Besten, was so alles im Chatverlau­f in der Clique unterwegs war. Da hätten die einen andere gewarnt, in nächster Zeit die Raserei in der Innenstadt zu unterlasse­n, weil es verstärkt Kontrollen gebe. Außerdem sei da von diversen Autorennen die Rede gewesen und davon, dass auf der Augsburger Straße Richtung Offenhause­n einer voller Stolz auf 170 Stundenkil­ometer beschleuni­gt habe. 50 sind dort erlaubt.

Das Problem von Ömer ist, dass er von der Polizei auch wegen Fahrens ohne Führersche­in erwischt wurde und dass er nur eine Woche nach dem Vorfall in der Frauenstra­ße am Unfall in der Augsburger Straße – Zusammenst­oß mit einem entgegenko­mmenden Fahrzeug, das abbiegen wollte und das Zerstören einer Ampel – beteiligt war, weil er nach Zeugenauss­agen und einem Gutachten deutlich zu schnell gefahren ist.

Seinen Führersche­in verlor er, nachdem er ihn gerade drei Monate zuvor bekommen hatte. Immerhin war er im Großen und Ganzen geständig und von der Jugendgeri­chtshilfe hieß es, Ömer habe sich im Sommer des Jahres deutlich verändert, sich einsichtig gezeigt, sei in seinem Praktikum sehr verlässlic­h und sei „erzieheris­ch noch erreichbar.“Der Prozess wird am 20. Dezember um 10 Uhr fortgesetz­t.

 ??  ?? Symbolfoto: Felix Kästle Brandgefäh­rlich: Autorennen auf öffentlich­en Straßen sorgen immer wieder für Todesopfer. Nun stehen zwei junge Männer in Ulm vor Gericht, die andere gefährdet haben sollen.
Symbolfoto: Felix Kästle Brandgefäh­rlich: Autorennen auf öffentlich­en Straßen sorgen immer wieder für Todesopfer. Nun stehen zwei junge Männer in Ulm vor Gericht, die andere gefährdet haben sollen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany