Mittelschwaebische Nachrichten
Die Frage der Woche Weihnachtsschmuck im Büro?
Im Büro wird dem Menschen hohe Anpassungsfähigkeit abverlangt. Angestellte verbringen darin ihr halbes Leben. Mit ihren Aufgaben. Mit Kollegen. Mit sich. Das will verwaltet, aber auch ausgehalten und ausgestaltet sein. Das Büro ist ein seltsamer Ort in einer tückischen Sphäre von Halbprivatheit, ein Platz zwischen Neigung und Notwendigkeit. Gegen die Entfremdung, die zwangsläufig in ein Angestelltenleben einsickert, werden Büropflanzen in Stellung gebracht und Familienfotos auf den Schreibtisch gestellt. In der obersten Schublade sammelt sich der verheimlichte Abrieb von langer Betriebszugehörigkeit.
Ich sitze selbst in einem Büro. Auf der Fensterbank verschrumpelt eine Quitte, im Regal vergilbt ein Eisbär aus Pappe, auf dem Monitor sitzt ein Gummimonster und an der Tür hängt eine Karte mit dem Spruch: „Mein Gott why not!“Kein Weihnachtsschmuck, wenn man von dem geschenkten Adventskalender absieht – der war am 4. Dezember noch übrig in der Marketingabteilung. Lindt-Schokokugeln – gut. Mit Weihnachtsgedöns und Gesteck habe ich ansonsten nichts am Hut. Aber ich mag private Handschriften in Büros. Und in der Weihnachtszeit gibt es eben besonders viele kleine Gesten der Heimeligkeit am Arbeitsplatz. Kerzen dürfen zwar nicht brennen (siehe Rundschreiben!), aber Miniplastikweihnachtsbäume, rote Stiefel als Stiftebox oder ein Baststern am Fenster gehen. Jede Intervention rührt den Betrachter. Es könnte sogar mehr Lichterketten geben, um Ordner und Ablagen. Selbstausdruck durch individuelle Büro-Weihnachtsdeko ist willkommen. Problematisch wird es auf neutralem Terrain. Durchdekorieren der Kantinentische mit einem Einheitssatz rotbemützter Weihnachtstöpfe? Contra!
Vorneweg schon mal dies, damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich bin keine Weihnachtsdekohasserin. Im Gegenteil. Die Nachbarn zum Beispiel lassen gerade ihre Häuser in einem Lichterkettenglanz erstrahlen, dass meine Augen jedes Mal vor Rührung glitzern, wenn ich daran vorbeilaufe. Fantastisch, ehrlich. Ich bewundere das, profitiere davon, wäre also vielleicht am ehesten dem Typ Deko-Schmarotzer zuzurechnen. Sattsehen an dem, was andere herbeischleppen, drapieren und zum Glitzern bringen, selber höchstens mal ein Lichterkettlein ans Fenster hängen und den Holz-Adventskranz vom letzten Jahr aus dem Keller holen und mit frischen Kerzen versorgen. So ist es halt. Irgendwer muss den Kram ja auch wieder aufräumen. Und damit zum eigentlichen Thema: das Büro. Sollte da das Herz nicht hüpfen, wenn der Kollege das Adventsgesteck mit Zimtstange und Orangescheibe heranschleppt? Oder seinen unverwüstlichen Plastikbaum auf dem Schreibtisch platziert? Vielleicht noch ein paar Weihnachtskugeln an den Ficus hängt? Nein! Die Erfahrung nämlich zeigt: Bürodekoration hat immer auch etwas Armseliges, dem Weihnachtsfest nicht Angemessenes. Während das eigene Wohnzimmer dekorativ gehätschelt wird, vielleicht sogar die Fenster mit Schneespray verziert werden (großartige Sache, muss aber wieder runtergeschrubbt werden), fristet das Büro ein tristes Dasein als Stiefkind. Das Aschenputtel-Phänomen. Bisschen Grün, bisschen Gold, bloß nicht zu teuer, und dann darf man ja nicht einmal eine Kerze brennen lassen. Brandschutzverordnung! So aber entsteht das Gegenteil von Weihnachtsstimmung, die sogenannte Weihnachtstrostlosigkeit. Wenn Weihnachtsdeko, dann aber verdient sie alle Liebe! Im Büro erhält sie die nicht.