Mittelschwaebische Nachrichten
Feinde fürs Leben
Sie waren Rivalen, jetzt hassen sie sich. Warum Karl-Theodor zu Guttenberg Markus Söder angreift und welche wunden Punkte das in der Partei trifft
In der CSU hatten sie alles getan, damit nach harten Monaten das Jahr friedvoll ausklingen kann. Am Montag Vorstandssitzung: Seehofer schlägt Söder als Parteichef vor. Söder wird einstimmig nominiert. Seehofer verspricht, Ruhe zu geben. Söder verspricht, die Partei weiblicher, moderner, digitaler, begeisternder, konservativer, teamorientierter zu machen – erfolgreicher halt. Oh, du Fröhliche!
Zwei Tage später wird die CSU eiskalt erwischt. Der ehemalige Partei-Hoffnungsträger Karl-Theodor zu Guttenberg nimmt den designierten Parteichef in zwei Zeitungsinterviews auseinander. Die Äußerungen des ehemaligen Bundesministers sprühen vor so vielen Gemeinheiten, dass man gar nicht weiß, welche am gemeinsten ist: Dass es Söder an Intellekt mangele, an bundes- und europapolitischem Format, dass er in der Asylpolitik mit „plumper Rhetorik“arbeite, dass ihm die „Bandbreite“fehle, die frühere CSU-Vorsitzende ausgezeichnet habe oder schlicht das infrage stellen der Eignung Söders für den Job überhaupt.
Nun ist es so, dass „KT“, 47, und Markus Söder, 51, seit zehn Jahren eine innige Feindschaft verbindet. Die beiden aufstrebenden Politiker gerieten schon aneinander, als Guttenberg Generalse- kretär und Söder ehrgeiziger Umweltminister war. Schon damals warf der Baron aus Oberfranken dem Sohn eines Bauunternehmers aus Mittelfranken im kleinen Kreis vor, ein Haudrauf ohne die nötigen geistigen Fähigkeiten zu sein. Auf dem Nockherberg 2009 sagte der Kabarettist Michael Lerchenberg in seiner Fastenpredigt, Söder sei der „Donald Duck des bayerischen Kabinetts“. Dienend habe er sich auf Ochsentour begeben, halte „Pressekonferenzen in Gummistiefeln auf Biomist, bereitet Froschlaich sammelnd im Donaumoos seine Karriere vor – und dann kommt er daher“. Barnabas zeigte auf Guttenberg: „Dieser adelige Oberfranke, dieser Gustav Gans der CSU.“Zu jener Zeit soll Söder über seinen parteiinternen Rivalen auch gesagt haben, er sei ein „parfümierter Strumpfhosenträger“. Spätestens da war klar, dass der plumpe Donald Duck und der schnöselige Gustav Gans keine Freunde mehr werden.
Doch die Heftigkeit und der Zeitpunkt der Guttenberg’schen Attacken haben nun überrascht. Was ist das Motiv des Mannes, der 2011 über seine geschummelte Doktorarbeit stolperte? In der CSU sind sie aus allen Wolken gefallen. Den ganzen Tag über herrscht am Mittwoch Schweigen und „maximales Befremden“, wie ein Vorstandsmitglied sagt. Man habe Guttenberg im Herbst 2017 „den roten Teppich“für eine Rückkehr in die aktive Politik ausgerollt, als er große Auftritte im Bundestagswahlkampf absolvieren durfte, sagt ein anderer.
Erst nach und nach kommen Reaktionen. Bayerns Finanzminister und Söder-Freund Albert Füracker rät Guttenberg, „seine eigene Biografie zu durchleuchten“. Der ehemalige Parteichef Erwin Huber nennt die Aussagen „unqualifiziert“und „indiskutabel“. Und ausgerechnet der Söder-Gegner und frühere Guttenberg-Förderer Horst Seehofer betont am Mittwochabend bei der Medien-Weihnachtsfeier der CSU in München, Vergleiche, wer der beste CSU-Vorsitzende ist, seien „alles Käse“. Und nimmt sogar Söder in Schutz. Söder sei in der aktuellen Situation „der Beste, um den Erfolg der CSU fortzuführen“, sagt Seehofer, obwohl er Guttenberg insgeheim wohl in vielen Punkten recht gibt.
Wenn es im eigenen Laden Unruhe gibt, hilft ja ein gemeinsamer Feind oft weiter. Denn es ist natürlich so, dass Guttenberg sehr wohl einen wunden Punkt der CSU getroffen hat, wenn nicht gleich mehrere: Auch wenn die Partei nach den Schlachten der vergangenen eineinhalb Jahre nach außen derzeit wieder ihre legendäre Geschlossenheit demonstriert, gibt es in nicht kleinen Teilen die Befürchtung, dass es Söder eben doch nicht im Kreuz haben könnte, die CSU wieder zu großem Erfolg zu führen. Nicht alle trauen ihm die großen strategischen Würfe für die Zukunft zu. Und viele sind nicht einverstanden, dass es eine einigermaßen offene und selbstkritische Aufarbeitung der Wahlschlappe vom Herbst bislang trotz Ankündigungen nicht gegeben hat. Wenn man so will, hat sich Karl-Theodor zu Guttenberg, der in Teilen der CSU noch immer hohes Ansehen genießt, zur Stimme all jener gemacht, die Söderskeptisch sind und sich vor dessen Allmacht fürchten.
Doch hat er das aus eigenem Antrieb gemacht oder wurde er gebeten? Und wenn ja, von wem? War es am Ende doch eine letzte Retourkutsche des scheidenden Parteichefs Seehofer gegen Söder? Oder hat es Guttenberg ungefragt für seinen Freund, den Europapolitiker Manfred Weber getan, der ebenfalls Ambitionen auf den CSU-Vorsitz hatte? Über derlei Fragen rätseln sie nun in der CSU, und das passt nicht in den offiziellen Weihnachtsfrieden.
Klar scheint im Moment nur: Solange Söder in der CSU am Ruder ist, wird es eine GuttenbergRückkehr sicher nicht geben.