Mittelschwaebische Nachrichten
Wohnungssuche, Krippenplätze, Verwaltungsklippen
In Krumbach werden Flüchtlinge von Ehrenamtlichen unterstützt. Was sie bereichernd finden und was sie Kraft kostet
Vor über zwei Jahren haben sich die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer in Krumbach in einem Verein zusammengeschlossen. Vorsitzende Simone Kastner betont, dass die Systematisierung und Professionalisierung der Hilfe mehr als notwendig war. Nur so habe der Verein seine Arbeit effizient gestalten können. Der Verein zählt 250 Mitglieder, 20 davon sind ehrenamtlich in und um Krumbach aktiv. Begleitet werden momentan 255 Personen.
„Der Bedarf an Betreuung und Unterstützung ist sehr unterschiedlich,“erläutert die Vereinsvorsitzende. Manch einer brauche nur eine Telefonnummer, bei der er anrufen kann, wenn es gilt, bürokratische Klippen zu überwinden und unverständliche Formulare auszufüllen. „Durch die Flüchtlingshilfe habe ich Einblicke bekommen, wie unser Verwaltungssystem funktioniert. Davon hatte ich zuvor überhaupt keine Ahnung,“sagt Simone Kastner. Aber das ist bei Weitem nicht das Einzige, was sie durch ihre Arbeit mit Flüchtlingen gelernt habe. „Am Anfang gab es nur ‘die Flüchtlinge‘, in den Jahren unserer Tätigkeit hat sich die Aufgabe sehr differenziert. Sie ist anspruchsvoller geworden und wird immer komplexer“, erläutert sie. „Aber mit Menschen aus Kleinasien, Asien und Afrika ist unsere Stadt bunter geworden. Ich hätte mir nie vorstellen können, Menschen der unterschiedlichsten Herkunft in unserem Krumbach zu begegnen. Das ist eine echte Bereicherung,“ergänzt sie.
Die Arbeit für die Integration der Flüchtlinge wird mehr und sie bringt auch immer wieder Enttäuschungen. Doch anders als gerne kolportiert wird, sind es nicht die hilfsbedürftigen Personen, die ihre Helfer enttäuschen, versichert Simone Kastner. Es sind auch nicht ihre angeblichen unerhörten Erwartungen, die einige wenige Flüchtlinge an ihr Gastland haben, die – wie Simone Kastner vermutet – durch die Schlepper geweckt wurden und denen die Helfer schnell und eindeutig die Realität entgegensetzen.
Was die Helfer wirklich belastet, ist die schwierige Situation, in der sich diese Menschen befinden. Es sind komplexe Probleme, die gelöst werden müssen. Viele der Geflohenen kommen aus Gebieten, in denen sie unvorstellbaren Grausamkeiten ausgesetzt waren, die sie traumatisiert haben. „Auch wir haben erst lernen müssen, damit umzugehen. Wir haben deshalb spezielle Kurse besucht. So können wir die Menschen besser verstehen und dadurch gezielter helfen,“sagt sie. Wenn sie beispielsweise nicht zum Deutschkurs kämen, dann liege das nicht daran, dass sie faul oder desinteressiert seien, habe die Traumatherapeutin erklärt. Oft seien diese Menschen schwer gezeichnet und müssten erst einmal zu sich selbst finden.
Mit diesem Wissen im Hintergrund können die Flüchtlingshelfer verstehen, wie es um ihre Betreuten steht und wo die Hilfe ansetzen muss, damit aus den Flüchtlingen bald möglichst selbstständige Persönlichkeiten werden, die ihren Weg in unserer Gesellschaft gehen können. Dafür ist Arbeit eine wichtige Voraussetzung. Und die ist elementar an Sprachkenntnisse geknüpft. „Es macht mich richtig froh, wenn ich die Frauen sehe, die mit ihren Babys in den montäglichen Sprachkurs kommen“, sagt Kastner. Zunächst sei es ein Gesundheitskurs gewesen, zu dem die Frauen ihre Kinder mitbringen konnten. Daraus ist eine feste Einrichtung geworden, allein durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Sabine Kastner: „Und wir haben verstanden, dass diese Frauen gerne etwas lernen, aber ein Kurs ohne Kinderbetreuung nicht funktioniert.“
Kastner weiß von zahlreichen gelungenen Integrationsbemühungen zu erzählen. Beispielsweise von dem Ehepaar, das Ausbildungen in Sozialberufen gemacht hat, arbeiten geht, ein Kind hat und sich ganz selbstverständlich die Kinderbetreuung teilt. „Heiter berührt hat mich auch die Geschichte von Selina und ihrer Mama. Selina ist in der Ganztagsbetreuung, lernt dort nicht nur Deutsch, sondern auch deutsche Sitten und Gebräuche und deutsches Essen kennen. Beim Elternbesuch drängte sie ihre Mama, von ihrem Lieblingsgemüse, dem leckeren Blaukraut zu essen. Die Mama hat es mitgemacht, ohne zu klagen, aber ihr Gesicht sprach Bände.“
Kinderbetreuung, besonders für die Kleinen, sei so schwer zu bekommen wie eine Wohnung. Von der frustrierenden Suche nach einer Wohnung kann Evi Komm ein Lied singen. „Es macht mich richtig gehend wütend, wenn Hausbesitzer in einer Zeit so großer Wohnungsnot Wohnungen leer stehen lassen,“sagt sie. „Da helfen oft auch nicht gute Worte oder beste Zeugnisse, wie sie etwa die Familie Hassan vorweisen kann“, betont die Helferin. Die jungen Leute sind vor drei Jahren aus dem gefährlichen Somalia nach Deutschland gekommen, Mohamed sprich schon gut deutsch, hat eine Lehrstelle als Installateur bekommen. Doch ihre Wohnung wurde wegen Eigenbedarfs gekündigt, schon seit drei Monaten sind sie auf der Suche nach einer neuen Bleibe. „Es ist ja nicht so einfach wie bei Einheimischen. Wir haben alle Autos und kommen überall hin. Aber Mohamed kann nicht aufs Land ziehen, weil er vor dort nicht zur Arbeit kommen würde“, erläutert Evi Komm. Die Suche ist zermürbend, so wie auch bei den Kinderkrippenund Kindergartenplätzen. Auch das könne einen müde machen. Es gebe keine Plätze, nicht einmal in den umliegenden Ortschaften. „Nicht nur ich sehe das als sehr problematisch für die Sprachentwicklung der Kinder an. Denn daheim wird logischerweise in der elterlichen Muttersprache gesprochen,“erklärt sie. Doch die Freundlichkeit und die Dankbarkeit ihrer Betreuten, vor allem der Kinder, schenken Evi Komm so viel Kraft, dass sie nicht aufgibt.
Viel Kraft, gesteht sie und weiß sich damit eins mit Simone Kastner, kostet die Betreuung derer, die nicht anerkannt werden. „Sie leben ohne jede Perspektive, sie können keinen Sprachkurs machen, dürfen nicht arbeiten, nicht selbstständig werden. Das zermürbt jeden Menschen“, sagt Evi Komm. Viele dieser Asylsuchenden seien ohne jede Hoffnung und hätten keine Energie mehr, denn oft sei es ein jahreslanges Hinwarten bis sie das Land dann irgendwann verlassen müssten.
Ganz anders steht es um die Menschen, die bleiben dürfen, die anerkannt sind als Flüchtlinge. „Diejenigen, denen ich begegnet bin und denen ich helfe, sind von außerordentlicher Bescheidenheit. Erst sie haben mich gelehrt, mit wie wenig man auskommen und trotzdem glücklich sein kann,“sagt Evi Komm. Das hole sie auf den Boden der Tatsachen herunter und habe ihr erst gezeigt, in welch luxuriösen Umständen wir leben dürfen, erklärt Evi Komm. Simone Kastner weiß von dieser Dankbarkeit zu berichten. Ein von ihr betreuter Mann aus Afghanistan rief sie aufgelöst an, seine Frau sei auf dem Weg zurück von Ulm verschwunden. Am nächsten Tag besuchte Simone Kastner die Familie und alles konnte geklärt werden. Die glücklich daheim Angekommene beruhigte ihren Mann: „Es war doch nicht schlimm, ich war ja in Deutschland.“Und ihre nigerianische Nachbarin bestätigte sie: „Hier sind wir sicher.“Die Helfer treffen auf Menschen unterschiedlichster Herkunft. Was sie gemeinsam haben und was sie von uns Mitteleuropäern unterscheidet: Die Familie gilt alles. „Familie ist wichtig, zentral und war in den Heimatländern das, was bei uns durch die Sozialversicherung und die Krankenversicherung abgedeckt wird“, erläutert Simone Kastner. Das sind grundverschiedene Gesellschaftsmodelle. „Auch wir können für unser Verständnis von Familie viel dazulernen,“ergänzt sie. Und sei die Arbeit als Flüchtlingshelfer oft schwierig und nicht selten frustrierend, so sei sie doch auch in großem Maße bereichernd.