Mittelschwaebische Nachrichten
Ist die A 8 gut genug gegen Wildunfälle geschützt?
Verkehr Eine Bestandsaufnahme nach dem folgenschweren Vorfall mit einem Reh auf der Autobahn bei Günzburg
Günzburg/Landkreis Ein Reh, das am vergangenen Samstag kurz vor der Anschlussstelle Günzburg auf der Autobahn stand, hat Unfälle mit hohem Schaden und einem Leichtverletzten verursacht, bei den Reinigungsarbeiten bildete sich ein Stau (wir berichteten). Nun stellt sich die Frage, warum das Tier auf der A8 war. Im Internet wird bereits darüber spekuliert, dass eine Jagd der Auslöser gewesen sein könnte. Die Autobahnpolizei Günzburg hat jedoch keine Anhaltspunkte, warum das Reh auf die Autobahn gelaufen ist, erklärt der stellvertretende Leiter Herbert Bregenzer. Auch zu einer Jagd in der Umgebung sei nichts bekannt, eine Nachfrage bei Landratsamt und Stadt habe das bestätigt.
Die Zahl der Wildunfälle habe sich im Gebiet der Station, das auf der A 8 von Zusmarshausen/Burgau bis Ulm-Ost reicht, jedenfalls nicht merklich verändert. Im Jahr 2015 waren es vom 1. Januar bis 27. Dezember 33, ein Jahr später 15, dann 22 und heuer bis zum 27. waren es 20. Verletzt wurde eine Person im Jahr 2015, 2016 gab es dabei keine Verletzten, 2017 wurden drei Menschen verletzt und in diesem Jahr im genannten Zeitraum gab es eine verletzte Person. Einen Unfallschwerpunkt gebe es im Stationsgebiet auf der A8 im Bereich der Wildunfälle auch nicht, die Schwankungen der Zahlen seien normal und die Statistik sei aus diesem Grund auch nicht auffällig. Ebenso reichten die Wildschutzzäune aus Polizeisicht aus, es komme aber durchaus vor, dass sich Tiere Schlupflöcher schaffen und die Zäune sogar untergraben. „Das ist bei Wildschweinen immer mal wieder der Fall“, so Bregenzer. „Deshalb ist es notwendig, dass die Wildschutzzäune regelmäßig überprüft werden.“Übrigens stehe im Bereich der Unfallstelle ein Zaun.
Bei der Autobahnpolizei Gersthofen, die für die A 8 von Zusmarshausen bis Adelzhausen zuständig ist, wird eine nur geringfügige Zunahme der Wildunfall-Zahlen registriert, erklärt das Präsidium Schwaben-Nord. Im Jahr 2016 waren es 14, ein Jahr später 15 (davon einer mit einer leichtverletzten Person), und in diesem Jahr bis zum 27. Dezember 20 Unfälle. Auch hier gebe es angesichts von 3570 Wildunfällen im vergangenen Jahr im Präsidiumsgebiet „in keinster Weise“einen Schwerpunkt auf der A8. Und ebenso wird betont, dass die vorhandenen Schutzzäune genügten, bei der täglichen Streckenkontrolle der Autobahnbetreiber würden Schäden gegebenenfalls festgestellt und schnell repariert.
„Die Durchgänge sind so konzipiert, dass sie sich nach dem Öffnen wieder selbstständig schließen. Jedoch kann nie gänzlich ausgeschlossen werden, dass ein Wildtier doch einen Weg in den Schutzraum findet, da der Zaun im Bereich der Zuund Abfahrten unterbrochen werden muss“, erklärt Polizeioberrat Ralf Bührle. „Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass sich seit dem Ausbau der Autobahn die Wildunfälle mit Greifvögeln vermehrt haben. Die Vögel lauern entlang der Autobahn auf Zäunen oder Pfosten auf Beutetiere und queren dann oft- mals in geringer Höhe die Hauptfahrbahn und lassen sich hierbei auch nicht durch Wildschutzzäune beeindrucken“, so Bührle.
Was den Grund angeht, warum das Reh auf der A8 war, könnte auch der Vorsitzende des Jagdschutzund Jägervereins Günzburg, Manfred Borchers aus Ichenhausen, nur spekulieren. Aber er sagt, dass das Wild in der Regel feste Wege nutze, die es so mitunter bereits seit Generationen gebe. Wenn sie etwa durch eine Straße zerschnitten werden, sei das ein Problem. Doch etwa im Fall der Autobahn sei es ungewöhnlich, wenn ein Tier dort drauf läuft, da eine solche Schneise dem Wild bekannt sei. Borchert geht davon aus, dass äußere Umstände dazu geführt haben, dass das Reh in Panik geriet, etwa durch einen freilaufenden Hund – eine Jagd in dem fraglichen Gebiet ist auch ihm nicht bekannt und ein Jäger kenne sein Revier und somit Stellen, die sich zum Erlegen eines Tiers nicht eignen. Ohnehin spiele sich die Jagd meist beim Ansitzen, also auf Hochsitzen ab, und diese stünden dort, wo das Wild seine bekannten Wege hat. Auch wenn die Tiere im Winter auf der Suche nach Nahrung von Waldstück zu Waldstück ziehen, würden sie dafür nicht die Autobahn nutzen.
Grundsätzlich beobachte der Bayrische Jagdverband solche Vorfälle ganz genau, um so Lösungen für die Zukunft zu finden – also um Wildunfälle möglichst zu vermeiden, auch wenn sie nie zu einhundert Prozent zu verhindern seien. Dabei dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass es an Autobahnen die Schutzzäune gebe, an Umgehungen aber meist nicht. Für Millionen würden solche Straßen gebaut, und dann sei für den Wildschutz kein Geld mehr da. Überall dort, wo sich die Unfälle häuften, müssten aber Zäune aufgestellt werden, findet Borchers, die dann auch regelmäßig kontrolliert werden müssten – gegebenenfalls könnten das sicher auch Jäger übernehmen. Im Bereich der Feldflur sei die Gefahr von Unfällen relativ gering, aber wo Straßen durch Waldgebiete führen, sei sie vorhanden. Doch bei Autobahnen gebe es im Vergleich zur Gesamtzahl – wie es eben auch die Polizei betont – recht wenige Wildunfälle.
Zum konkreten Fall kann er zwar nichts sagen, aber die Stelle sei für einen Wildwechsel ungewöhnlich, gerade auch wegen der Gebäude in der Nähe. Womöglich sei irgendwo eine Tür im Zaun nicht richtig geschlossen gewesen. Und um noch einmal generell zu werden: Wenn es irgendwo eine größere Jagd gebe, würden mitunter auch Straßen gesperrt, aber diese Jagden gebe es in erster Linie in den großen Waldgebieten, um gegen Wildschweine vorzugehen. Dass dann auch Tiere aufgeschreckt werden, um die es nicht geht, sei nicht zu vermeiden. Kürzlich bei Krumbach war es zwar um Wildschweine gegangen – doch einige Tiere waren in Panik aus dem Wald heraus in die Stadt gelaufen.
Die für den A8-Abschnitt zwischen Augsburg und Ulm zuständige Autobahnbetreibergesellschaft Pansuevia ist zwischen den Jahren ebenso wenig zu erreichen wie die Staatsforsten in Zusmarshausen. Aber im April hatte die Pansuevia unserer Zeitung gesagt, dass es Überlegungen gebe, den noch nicht überall aufgestellten Wildschutzzaun entlang der Autobahn zu komplettieren, er fehle noch in einem Teil der Bestandsstrecke. Man sei in Gesprächen mit der Autobahndirektion. Auf Anfrage unserer Zeitung erklärt Behördensprecher Josef Seebacher nun, dass man grundsätzlich die Notwendigkeit solcher Projekte detailliert nachweisen müsse, da sie sonst vom Bund der Steuerzahler und dem Rechnungshof direkt kritisiert würden und man sie mitunter gestrichen bekomme – auch wenn die Behörde sie für sinnvoll erachte, da Lebensräume von Tieren von Straßen durchschnitten würden.
Bis ein solcher Zaun genehmigt wird, könne es Jahre dauern, da es hierbei auch um Fällungen von Bäumen gehe und darauf zu achten sei, wo Leitungen liegen. Ebenso müsse genau geplant werden, wo beispielsweise Tore installiert werden; Anschlussstellen seien ohnehin immer kritische Bereiche. Wie auch Manfred Borchers sagt, hätten die Tiere ihre festen Wege, „sie gehen nicht freiwillig über die Autobahn“. Sie hätten Respekt vor viel befahrenen Straßen, bei weniger frequentierten Strecken sehe das anders aus. Wenn sie doch etwa auf die A8 geraten, seien sie meist durch Hunde oder Jagden aufgeschreckt worden.
Einen ersten Entwurf für den Zaun-Lückenschluss entlang der vorab ausgebauten Strecke zwischen Günzburg und dem Kreuz Ulm/Elchingen gebe es inzwischen, man habe sich zum Projekt entschlossen, obwohl in dem Bereich keine erhöhte Gefahr bekannt sei. Pansuevia sei informiert, sie müsse nun ein Angebot für die Umsetzung unterbreiten.
Die Polizei registriert mehr Unfälle mit Greifvögeln
Der Zaun soll jetzt vervollständigt werden