Mittelschwaebische Nachrichten
Eine Täterin sieht sich selbst als Geschädigte
Prozess Weil man ihre Katze mitnehmen will, prügelt eine Frau drauflos. Die Angeklagte hat den Vorfall anders in Erinnerung
Günzburg „Ich bin so froh, dass ich endlich hier sitze.“Mit diesen Worten begann ein Prozess am Amtsgericht Günzburg, der später noch recht kurios werden sollte. Gesagt hat die Worte die Angeklagte. Denn sie kann nun endlich ihre Version erzählen. Ihre Version des Vorfalls, der sie wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht gebracht hat.
Die Anklage ist deutlich: Im November letzten Jahres soll die heute 54-Jährige in ihrer eigenen Wohnung im südlichen Landkreis eine andere Frau übel zugerichtet haben. Von Schlägen gegen den Kopf, ausgerissenen Haaren und in den Bauch gerammten Knien ist da die Rede. Ein Weidenkörbchen diente zeitweise als Waffe. Die Geschädigte erlitt unter anderem Schnittverletzungen, Prellungen, Blutergüsse und eine Gehirnerschütterung. Ihre Brille ging bei der Auseinandersetzung zu Bruch.
Schon während die Staatsanwältin die Anklageschrift verliest, schüttelt die Angeklagte immer wieder den Kopf. Denn sie ist überzeugt: Sie ist nicht die Täterin, sondern das Opfer. Sie selbst sei von den beiden Frauen verprügelt worden, die da am Abend in ihre Wohnung kamen, beteuert die Frau, die ohne Rechtsanwalt erschienen ist. An den Folgen leide sie noch heute. Seltsam ist nur, dass die hinzugerufene Polizei an jenem Abend bei der Angeklagten keine Verletzungen feststellen kann, bis auf Druckspuren an den Handgelenken. Ebenfalls nicht zu ihren Gunsten spricht, dass ein an Ort und Stelle durchgeführter Alkoholtest einen Wert von knapp 1,3 Promille ergab. Trotzdem könne sie sich an alles erinnern, versichert die Frau dem Gericht. Die Verletzungen seien erst später aufgetaucht.
Als Beweis legt sie diverse Arztberichte und Fotos vor. Doch die Bilder sind nicht datiert. Und die Arztberichte erklären nicht, wann und wie die Verletzungen entstanden sind. Auch die Frage, warum die beiden Frauen sie hätten angreifen sollen, kann die verwirrt wirkende Angeklagte nicht erklären.
Wie es zur Auseinandersetzung kam, berichten erst die beiden Frauen im Zeugenstand. Sie kannten die Angeklagte aus dem Tierschutzverein. Eine der beiden hatte sogar ein freundschaftliches Verhältnis zur Angeklagten aufgebaut. Als diese aber Dienste im Tierheim versäumt und merkwürdige Textnachrichten verschickt, habe man nach ihr sehen wollen, erzählt die Geschädigte. Beim Gespräch in der Wohnung der 54-Jährigen sei dann deutlich geworden: Die Frau habe schwere gesundheitliche und auch familiäre Probleme. Deshalb wolle sie weg und woanders einen Neuanfang machen. „Ich habe ihr dann angeboten, die Katze, die sie in Obhut genommen hatte, zu nehmen, bis alles geregelt ist“, sagt die Zeugin. Da sei die Angeklagte ausgerastet und habe begonnen, auf sie einzuschlagen. So bestätigt es auch die zweite Frau, die die Angeklagte vor dem Vorfall gar nicht gekannt hatte.
Deren ruhige und glaubwürdige Aussage überzeugt Richter Walter Henle und Staatsanwältin Radloff endgültig. Letztere äußert in ihrem Plädoyer sogar Verständnis für die bisher nicht vorbestrafte Angeklagte. Sie habe sich an jenem Abend wohl in einer psychischen Ausnahmesituation befunden. Dennoch fordert die Staatsanwältin eine Bewährungsstrafe von vier Monaten.
Richter Henle glaubt jedoch, dass auch schon eine Geldstrafe auf die Frau Eindruck macht und belässt es bei 900 Euro. Der Version der Angeklagten glaubt er aber nicht. „Die Situation ist nur wegen Ihnen eskaliert. Die Folgen haben Sie sich selbst zuzuschreiben.“Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Streit eskalierte wohl wegen einer Katze