Mittelschwaebische Nachrichten
Eine Tram voller Bewerber
Wie Verkehrsbetriebe in Augsburg und München nach neuen Mitarbeitern suchen
München/augsburg Oliver Schween schüttelt der Personalerin die Hand und schlüpft an dem Zweisitzer vorbei in Richtung des mittleren Wagenteils. Dort füllen andere Bewerber gerade einen Testbogen aus. Für den 23-Jährigen hat es geklappt, vermutlich im Oktober fängt er bei der Münchner Verkehrsgesellschaft MVG als Tramfahrer an. „Das Gespräch ging bei mir relativ schnell, da ich den Beruf schon kenne“, erzählt Schween. Und zwar von seiner Mutter, die schon seit 26 Jahren auf den Schienen unterwegs ist. Kein Wunder also, dass er in der Bewerbungstram der MVG überzeugen konnte. Zum zweiten Mal fährt diese durch die bayerische Landeshauptstadt, mit an Bord mehrere Personal-fachleute. Allein dieses Jahr stellt die MVG 300 neue Fahrer ein. Nur: Die müssen sich erst einmal finden. „Das Problem ist, dass der Arbeitsmarkt leer gefegt ist. Es wird immer schwieriger, an geeignete Mitarbeiter zu kommen“, sagt Pressesprecher Matthias Korte.
Demgegenüber stehen neue Strecken, eine dichtere Taktung und Fluktuation. Mit der Bewerbungstram wolle das Verkehrsunternehmen positiv aus der Masse herausstechen. „Das ist ein Weg, um di- zu den Bewerbern zu kommen“, sagt Anita Niemeyer, Leiterin des Recruitings bei der MVG. Anfang Februar stiegen 71 Interessenten ins fahrende Büro ein, für 35 gab es eine vorläufige Zusage. Dieses Mal war der Andrang noch größer. 166 Bewerber kamen, 41 durften sich über eine gute Nachricht freuen.
Auch die Stadtwerke Augsburg SWA benötigen ständig neue Wagenlenker für Bus und Straßenbahn. „Pro Jahr werden rund 40 bis 50 Fahrer neu eingestellt“, sagt Annika Heim, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei den SWA. Was auch daran liegt, dass das Mo- bilitätsangebot im Stadtgebiet ausgebaut werden soll. Eine besondere Aktion, wie etwa ein fahrendes Personalbüro, brauche man jedoch nicht. Trotzdem werde auch bei den Augsburger Stadtwerken in den kommenden Wochen eine Marketingaktion stattfinden, um neues fahrendes Personal zu finden. Genaueres wollte die Pressesprecherin noch nicht verraten.
Neben einer „vorausschauenden Personalplanung“machen die Stadtwerke Augsburg nach Angaben von Annika Heim auch über die klassischen Kommunikationskanäle, wie zum Beispiel Online-anzeigen, auf den Beruf des Fahrers aufrekt merksam. „Allerdings gehen in den nächsten Jahren aufgrund der hohen Altersstruktur auch bei uns viele Fahrer in Rente“, erklärt Heim. Dies werde in der Personalorganisation frühzeitig berücksichtigt.
Wegen einiger Lücken in seinem Lebenslauf hatte es Christoph Sattler bei Bewerbungen bisher schwer. „Man bekommt oft gar keine Chance“, sagt der 35-Jährige. Anders an diesem Dienstag in München. Auch wer weder Lebenslauf noch Motivationsschreiben dabeihatte, konnte sich in der Tram vorstellen. Sattler ist überzeugt, dass die Aktion viele motivierte Menschen anlockt. „Leute, die normalerweise durch das Bewerbungssystem fallen, aber für das Unternehmen eine große Bereicherung sein könnten.“Auch wer bisher keinerlei Erfahrungen als Fahrer gesammelt hat, konnte am Montag eine Zusage bekommen. „Wir wollen gezielt Quereinsteiger ansprechen“, erklärt Presssprecher Korte. Die nötigen Kenntnisse vermittelt dann eine kompakte Ausbildung. Ob die Bewerbungstram bald erneut ihre Runden in München dreht? „Wenn ich den Erfolge sehe: ja“, sagt Anita Niemeyer. Weiter gehe es vermutlich im Frühjahr. „Wir sind wirklich baff“, fügt Kollege Korte hinzu. Mit so vielen Menschen hätten sie nicht gerechnet.