Mittelschwaebische Nachrichten
Die Sprachlosigkeit bleibt
Kriminalität Ein Angeklagter im Fall der Kinderpornografie-Plattform Elysium kommt aus Landsberg. Seine ehemaligen Bekannten sind schockiert. Die Plädoyers finden am 28.Februar statt
Landsberg „Als wir von der Verhaftung hörten, waren wir wie in einer Schockstarre – und dieser Zustand hält bis heute an“, sagt ein Bekannter eines 63-jährigen Hauptangeklagten. Dieser stammt aus Landsberg am Lech und gilt als Mitglied des Kinderporno-Rings „Elysium“. Seine früheren Freunde (es gab wenige) und Bekannten aus Landsberg wollen im Bericht nicht namentlich genannt werden, nicht mehr mit ihm in Verbindung gebracht werden. Zu groß ist der Schock. „Das Ganze ist schlimm genug für uns, ich kann mit niemandem im Freundeskreis darüber reden“, sagt ein langjähriger Bekannter gegenüber unserer Zeitung. „Man ist völlig allein mit dieser schrecklichen Geschichte.“
Bekannt wurde der Fall „Elysium“im Jahr 2017, und bis heute habe sich an dieser Sprachlosigkeit in Landsberg nichts geändert. Das sagt ein ehemaliger Freund des Angeklagten. Auch dass sich inzwischen alle Bekannten von dem Hauptangeklagten distanziert haben. Es gibt keinen Kontakt mehr. Der ehemalige Freund schildert unserer Zeitung, wie schlimm es war, zu erfahren, dass ein Haupttäter im „Elysium“-Prozess aus seinem unmittelbaren Bekanntenkreis stammt. „Das war unfassbar.“Der Angeklagte lebte allein in Landsberg, er habe eine Schwester und ei- nen Bruder. Mehr wisse man nicht über ihn.
Dass die KinderpornografiePlattform „Elysium“– im Darknet abgeschirmt – mehr als 111000 Nutzerkonten weltweit hatte, war für viele Menschen unvorstellbar. Die Angeklagten luden dort Tausende von Videos und Fotos von missbrauchten Kindern hoch. Für die Landsberger waren es aber auch die Aussagen der vier Hauptbeschuldigten, die deutlich zeigten, dass die Männer im Alter von 41 bis 63 Jahren oft kein Unrechtsbewusstsein zeigten. „Das fand ich am Schrecklichsten“, so ein Landsberger, der aus dem Umfeld eines der Hauptangeklagten stammt. „Die haben gar nicht kapiert, was sie falsch machen. Im Gegenteil: Sie sind auch noch stolz darauf.“
Alle Vernehmungen im Verfahren, das in Limburg (Hessen) stattfindet, sind abgeschlossen. Die Plädoyers werden nun am 28. Februar gehalten, das Urteil wird für den 7. März erwartet. Die Polizei hatte „Elysium“bereits im Juni 2017 abgeschaltet. Angeklagt sind in Limburg vier Deutsche aus Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Die Männer im Alter zwischen 41 und 63 Jahren sollen das Forum betrieben oder sich am Betrieb beteiligt haben. Ein Angeklagter soll zudem Kinder sexuell missbraucht haben. Und dieser Angeklagte ist der 63-jährige Mann aus Landsberg.
Er gilt seit den 80er Jahren als einschlägig vorbestraft. Der gelernte Erzieher soll damals Fotos von behinderten Kindern gemacht haben. In Landsberg war wenigen Freunden bekannt, dass er eine Vorstrafe hatte, allerdings nicht warum. Alle Unterlagen zu diesem Fall wurden von der Polizei nach fünf Jahren gelöscht, es gibt keine Eintragung mehr.
Nun steht der Mann wieder vor Gericht: Er war nicht nur für das Erscheinungsbild von „Elysium“als Grafiker verantwortlich, er soll auch im August 2016 nach Österreich gereist sein, zu einem Mann aus Wien, und soll dort zwei Kinder, fünf und sieben Jahre alt, die Kinder des Österreichers, missbraucht haben. Die Beschuldigten fotografieren die nackten Kinder, berühren sie an den Genitalien. Der 63-Jährige steht nun kurz vor der Urteilsverkündung. Denn das Video aus Wien landete später auf der Plattform „Elysium“. Der Landsberger wird der bandenmäßigen Verbreitung von Kinderpornografie und des Kindesmissbrauchs beschuldigt.
Für seine Bekannten eine grauenvolle Wahrheit. „Weder wussten wir noch ahnten wir, was er da macht“, so einer der Bekannten. Sie hatten gedacht, sie helfen dem Mann vor dem sozialen Aus. Er war arbeitslos und man gab ihm Grafikaufträge. Der Beschuldigte sei von vielen Gruppierungen in der Arbeitslosigkeit aufgefangen worden. „Ich dachte, er hat seine damalige Vorstrafe wegen eines Gewaltdelikts, er war sehr rechthaberisch und oft aggressiv“, so ein weiterer Bekannter.
Man habe versucht, ihm zu helfen, ihn aufzufangen. Er habe als Grafiker viel für kulturelle Veranstaltungen gemacht, sei aber auch in sozialen Organisationen in Landsberg aktiv gewesen. „Immer im Hintergrund, denn er war nicht gut darin, mit anderen zu reden.“Als man in Landsberg erfuhr, was er bei „Elysium“gemacht hatte, war man angeekelt und entsetzt. Vor allem die Frauen und die Mütter. „Denn viele von uns haben auch Kinder, und uns schaudert im Nachhinein“, so äußern sich zwei Bekannte.
Ein ehemaliger Auftraggeber aus der kulturellen Szene sagt: „Wir hatten Angst, denn er hatte alle unsere Daten. Wir wussten ja nicht, was er damit gemacht hat und wie die Polizei reagieren würde.“Denn die Wohnung des beschuldigten Landsbergers wurde damals von der Polizei gewaltsam geöffnet, der PC und alle Unterlagen sichergestellt. „Da war ja auch seine ganz normale Arbeit dabei, deshalb habe man sich sofort dort gemeldet – damit das alles bekannt ist.“Es sei eine furchbare Situation gewesen. Der Angeklagte wird als Mann ohne soziale Kompetenz geschildert, der sich immer nur als Opfer sah. „Er hat sich selbst leidgetan.“Im März wird gegen ihn und die anderen Angeklagten nun das Urteil gefällt.