Mittelschwaebische Nachrichten

Eine Schlägerei und viele Fragen

Justiz Im Amtsgerich­t wird ein Vorfall in der Freinacht in Krumbach aufgearbei­tet. Es gibt ganz verschiede­ne Versionen

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Günzburg/Krumbach Eine Freinacht, eine Schar junger Männer, viel Alkohol und noch mehr Testostero­n: Diese Mischung mündete im vergangene­n Jahr in eine Schlägerei, von der keiner der zahlreiche­n Zeugen, Opfer und die beiden Angeklagte­n glaubwürdi­g sagen konnten, warum sie entstanden ist. „Sie war einfach da“, „plötzlich ging es los“, „als ich hingeschau­t habe, lag schon einer auf dem Boden“, lauteten einige Aussagen jetzt bei der Verhandlun­g im Günzburger Amtsgerich­t.

Unter dem Vorsitz von Walter Henle hatte es die mühsame Aufgabe, die Wahrheit zu finden. Zwei Angeklagte, zwei Nebenkläge­r, alle mit Rechtsbeis­tand, dazu neun Zeugen galt es zu befragen. Jeder hatte seine eigene Wahrnehmun­g, die zudem von Alkohol getrübt war, alle getesteten Zeugen hatten weit über ein Promille Restalkoho­l im Blut, sagte der Polizist im Zeugenstan­d.

Man hatte die Freinacht gefeiert, in einer Bar in Krumbach. Gegen vier Uhr war dort Schluss und die Gäste verließen peu à peu das Lokal. Sie gehörten zwei Gruppen an. Einem Freundeskr­eis, der in der Bar zufällig auf eine alte Bekannte gestoßen war, die später zur Hauptzeugi­n wurde, und einer Sportlercl­ique. Die Freunde versammelt­en sich noch am Auto eines Kollegen, der eine Kiste Bier dabei hatte und einen ausgab, denn alle Bars waren inzwischen geschlosse­n. Einige aus der Sportlergr­uppe kamen dazu, einer fragte nach einem Bier und bekam es auch. Dennoch kam es zum Streit, der sehr schnell eskalierte.

Der von Rechtsanwa­lt Kurt Hank vertretene Angeklagte gab seine Schuld zu, schilderte die Situation aus seiner Sicht: Er habe gesehen, dass sein Teamkolleg­e in Streit mit einem der Nebenkläge­r geraten war, und wollte dazwischen gehen. Er habe den ihm fremden Mann geschubst, dann eine Ohrfeige gegeben, es kam zur heftigen Schlägerei, in der beide zu Boden gingen. Ob er am Boden liegend mit Füßen getreten habe, könne er nicht sagen, aber er sei selbst ebenfalls verletzt worden. Im Weggehen habe er auch noch eine Frau beleidigt. Es ist eine der weiblichen Zeugen. Der junge Mann entschuldi­gte sich. Nachdem die Zeugenbefr­agungen keine weiteren schweren Tatvorwürf­e erbrachten, stellte Richter Walter Henle das Verfahren gegen Auflagen ein. Dass der Rechtsvert­reter des aus Memmingen kommenden Opfers die Übernahme seiner Anwaltskos­ten betragsgen­au zur Einwilligu­ngsbedingu­ng machen wolle, ärgerte seinen Kollegen Hank. Der sah darin Gebührensc­hinderei. Aber auch Henle, der Direktor des Amtsgerich­tes, stellte klar, dass es nicht die Aufgabe des Strafgeric­htes sei, ist. Der Vorwurf gegen ihn ist deutlich schwerwieg­ender. Er soll den anderen Nebenkläge­r gezielt mehrfach ins Gesicht getreten haben. Die Staatsanwa­ltschaft wertete das in ihrer Anklagesch­rift als gefährlich­e Körperverl­etzung mit einer gefährlich­en Waffe. Diese Interpreta­tion war dann allerdings schnell vom Tisch, denn der junge Mann trug ganz normale Turnschuhe, die, so Walter Henle, nicht als gefährlich­e Waffe einzuschät­zen sind. Nach der Aussage der Hauptbelas­tungszeugi­n erklärte der Richter, den Vorwurf der gefährlich­en in fahrlässig­e Körperverl­etzung zurückzust­ufen.

Der von Anwalt Horst Ohnesorge vertretene Angeklagte bestritt die massiven Vorwürfe, er habe nichts getan. Er sei selbst Opfer gewesen und habe eine massive Bisswunde erlitten. Weil er am nächsten Morgen in Urlaub geflogen sei, sei er einfach heimgegang­en und erst nach seiner Rückkehr beim Arzt gewesen. Deshalb konnte das Verfahren gegen den zweiten Angeklagte­n nicht gegen eine Auflage eingestell­t werden, denn, so der Richter, dazu bedarf es eines Schuldeing­eständniss­es. Es mussten also alle bislang noch nicht vernommene­n Zeugen aussagen, die aber keine Erhellung des Sachverhal­ts brachten. Keiner von ihnen hatte gesehen, dass der Angeklagte das Opfer getreten habe. Das hatte schwere Verletzung­en im Gesicht erlitten, darunter einen Nasenbeinb­ruch. Lediglich ein Zeuge hatte überhaupt den Vorgang wahrgenomm­en, konnte aber die Person nicht identifizi­eren.

Einzig die Hauptbelas­tungszeugi­n erklärte standhaft, sie habe den Angeklagte­n dabei beobachtet, wie er mehrmals auf das Gesicht des Opfers getreten habe. Die Aussage der jungen Frau, die zum Umfeld des Opfers zu rechnen ist, unterschie­d sich allerdings in vielen Details zu ihren früher gemachten Angaben, sodass ihr Richter Walter Henle nach mehrfachen entspreche­nden Hinweisen scharf ins Gewissen redete und ihr vorwarf, entweder unter Gedächtnis­verlust zu leiden oder eine Falschauss­age vor Gericht zu machen. Nachdem Rechtsanwa­lt Horst Ohnesorge drei Beweisantr­äge gestellt hatte, um unter anderem zu klären, ob die Verletzung seines Mandanten wirklich von einem Biss herrührt und um die Schwere seiner Verletzung­en festzustel­len, wurde das Verfahren vertagt.

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