Mittelschwaebische Nachrichten
Eine Schlägerei und viele Fragen
Justiz Im Amtsgericht wird ein Vorfall in der Freinacht in Krumbach aufgearbeitet. Es gibt ganz verschiedene Versionen
Günzburg/Krumbach Eine Freinacht, eine Schar junger Männer, viel Alkohol und noch mehr Testosteron: Diese Mischung mündete im vergangenen Jahr in eine Schlägerei, von der keiner der zahlreichen Zeugen, Opfer und die beiden Angeklagten glaubwürdig sagen konnten, warum sie entstanden ist. „Sie war einfach da“, „plötzlich ging es los“, „als ich hingeschaut habe, lag schon einer auf dem Boden“, lauteten einige Aussagen jetzt bei der Verhandlung im Günzburger Amtsgericht.
Unter dem Vorsitz von Walter Henle hatte es die mühsame Aufgabe, die Wahrheit zu finden. Zwei Angeklagte, zwei Nebenkläger, alle mit Rechtsbeistand, dazu neun Zeugen galt es zu befragen. Jeder hatte seine eigene Wahrnehmung, die zudem von Alkohol getrübt war, alle getesteten Zeugen hatten weit über ein Promille Restalkohol im Blut, sagte der Polizist im Zeugenstand.
Man hatte die Freinacht gefeiert, in einer Bar in Krumbach. Gegen vier Uhr war dort Schluss und die Gäste verließen peu à peu das Lokal. Sie gehörten zwei Gruppen an. Einem Freundeskreis, der in der Bar zufällig auf eine alte Bekannte gestoßen war, die später zur Hauptzeugin wurde, und einer Sportlerclique. Die Freunde versammelten sich noch am Auto eines Kollegen, der eine Kiste Bier dabei hatte und einen ausgab, denn alle Bars waren inzwischen geschlossen. Einige aus der Sportlergruppe kamen dazu, einer fragte nach einem Bier und bekam es auch. Dennoch kam es zum Streit, der sehr schnell eskalierte.
Der von Rechtsanwalt Kurt Hank vertretene Angeklagte gab seine Schuld zu, schilderte die Situation aus seiner Sicht: Er habe gesehen, dass sein Teamkollege in Streit mit einem der Nebenkläger geraten war, und wollte dazwischen gehen. Er habe den ihm fremden Mann geschubst, dann eine Ohrfeige gegeben, es kam zur heftigen Schlägerei, in der beide zu Boden gingen. Ob er am Boden liegend mit Füßen getreten habe, könne er nicht sagen, aber er sei selbst ebenfalls verletzt worden. Im Weggehen habe er auch noch eine Frau beleidigt. Es ist eine der weiblichen Zeugen. Der junge Mann entschuldigte sich. Nachdem die Zeugenbefragungen keine weiteren schweren Tatvorwürfe erbrachten, stellte Richter Walter Henle das Verfahren gegen Auflagen ein. Dass der Rechtsvertreter des aus Memmingen kommenden Opfers die Übernahme seiner Anwaltskosten betragsgenau zur Einwilligungsbedingung machen wolle, ärgerte seinen Kollegen Hank. Der sah darin Gebührenschinderei. Aber auch Henle, der Direktor des Amtsgerichtes, stellte klar, dass es nicht die Aufgabe des Strafgerichtes sei, ist. Der Vorwurf gegen ihn ist deutlich schwerwiegender. Er soll den anderen Nebenkläger gezielt mehrfach ins Gesicht getreten haben. Die Staatsanwaltschaft wertete das in ihrer Anklageschrift als gefährliche Körperverletzung mit einer gefährlichen Waffe. Diese Interpretation war dann allerdings schnell vom Tisch, denn der junge Mann trug ganz normale Turnschuhe, die, so Walter Henle, nicht als gefährliche Waffe einzuschätzen sind. Nach der Aussage der Hauptbelastungszeugin erklärte der Richter, den Vorwurf der gefährlichen in fahrlässige Körperverletzung zurückzustufen.
Der von Anwalt Horst Ohnesorge vertretene Angeklagte bestritt die massiven Vorwürfe, er habe nichts getan. Er sei selbst Opfer gewesen und habe eine massive Bisswunde erlitten. Weil er am nächsten Morgen in Urlaub geflogen sei, sei er einfach heimgegangen und erst nach seiner Rückkehr beim Arzt gewesen. Deshalb konnte das Verfahren gegen den zweiten Angeklagten nicht gegen eine Auflage eingestellt werden, denn, so der Richter, dazu bedarf es eines Schuldeingeständnisses. Es mussten also alle bislang noch nicht vernommenen Zeugen aussagen, die aber keine Erhellung des Sachverhalts brachten. Keiner von ihnen hatte gesehen, dass der Angeklagte das Opfer getreten habe. Das hatte schwere Verletzungen im Gesicht erlitten, darunter einen Nasenbeinbruch. Lediglich ein Zeuge hatte überhaupt den Vorgang wahrgenommen, konnte aber die Person nicht identifizieren.
Einzig die Hauptbelastungszeugin erklärte standhaft, sie habe den Angeklagten dabei beobachtet, wie er mehrmals auf das Gesicht des Opfers getreten habe. Die Aussage der jungen Frau, die zum Umfeld des Opfers zu rechnen ist, unterschied sich allerdings in vielen Details zu ihren früher gemachten Angaben, sodass ihr Richter Walter Henle nach mehrfachen entsprechenden Hinweisen scharf ins Gewissen redete und ihr vorwarf, entweder unter Gedächtnisverlust zu leiden oder eine Falschaussage vor Gericht zu machen. Nachdem Rechtsanwalt Horst Ohnesorge drei Beweisanträge gestellt hatte, um unter anderem zu klären, ob die Verletzung seines Mandanten wirklich von einem Biss herrührt und um die Schwere seiner Verletzungen festzustellen, wurde das Verfahren vertagt.