Mittelschwaebische Nachrichten
Augsburg–Ulm mit der Bahn in 30 Minuten?
Verkehr Heute beginnt die Deutsche Bahn die Weichen zu stellen, wie diese Teilstrecke der Europa-Magistrale in Zukunft ausgebaut werden soll. Warum die Einigung auf eine Trasse aber alles andere als einfach ist
Augsburg Das Thema wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert, passiert ist nicht viel. Heute nun will die Bahn in Augsburg ihre neuesten Pläne und den Projektleiter zum Ausbau der Strecke Augsburg–Ulm präsentieren. Der Bahnsprecher für Großprojekte, Franz Lindemair, sagt: „Wir wollen einfach mal darstellen, was man von uns erwarten kann und was nicht.“Ziel sei, dass Züge zukünftig die Strecke unter 30 Minuten zurücklegen können.
Derzeit ist das knapp 86 Kilometer lange Teilstück zweigleisig und elektrifiziert. Zwischen Dinkelscherben und Augsburg-Hauptbahnhof sind immerhin Geschwindigkeiten bis zu 200 Stundenkilometer zugelassen, der Rest gilt weitgehend als Eisenbahnverkehr von gestern. Auch an der Trassenführung hat sich seit dem Bau Ende des 19. Jahrhunderts nichts verändert. Die Fahrtzeit Augsburg–Ulm beträgt knapp eine Dreiviertelstunde.
So ist nachvollziehbar, dass die Bahn an dieser Stelle Tempo machen will. Doch das zieht sich. Bereits 1973 war eine Neubaustrecke erstmals im Bundesverkehrswegeplan enthalten und 20 Jahre später strebte man einen viergleisigen Ausbau an. Jetzt beabsichtigt die Bahn, mal wieder Ernst zu machen und die Strecke zwischen Neu-Ulm und Augsburg anzugehen. Die Frage aber lautet: Wie soll sie am besten beschleunigt werden?
Diskutiert wurden schon diverse Varianten. Das geht von einer Neubaustrecke über fast die gesamte Länge zwischen Unterfahlheim im Landkreis Neu-Ulm und Augsburg bis zur Möglichkeit eines 40 Kilometer langen Neubaus zwischen Augsburg und Burgau. In dieser Variante würde sie nördlich von Burgau in südöstlicher Richtung von der heutigen Strecke abbiegen und dann entlang der A8 bis nördlich von Neusäß (Landkreis Augsburg) verlaufen. Dort würde sie in südlicher Richtung auf die aus Donauwörth kommenden Gleise zum Augsburger Hauptbahnhof einfädeln.
Vor zwei Jahren wurde mit Veröffentlichung des Bundesverkehrswegeplans 2030 bekannt, dass der weitere Ausbau der Strecke nur mehr in drei Varianten geprüft Eine davon wurde für den vordringlichen Bedarf ausgewählt: der Ausbau der Bestandsstrecke zwischen Augsburg und Dinkelscherben mit einem dritten Gleis. Zwischen Dinkelscherben und Ulm gibt es zudem mehrere Beschleunigungsmöglichkeiten.
Diese Variante hatte aufgrund geringerer Gesamtkosten den Vorzug gegenüber einer deutlich kürzeren Neubaustrecke bekommen. Der schwäbische CSU-Vorsitzende Markus Ferber und auch die Landräte der betroffenen Kreise setzen auf sie. Es gebe keinen Bedarf für ein viertes Gleis und eine Neubaustrecke, heißt es. Man befürchtet, dass es nach den Erfahrungen der Vergangenheit wieder nichts wird, weil hochfliegende Pläne zu aufwendig sind. Allein wegen möglicher Probleme mit Grundstückseigentümern würde sich der Ausbau auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. „Ich will die Fertigstellung des Projekts aber noch erleben“, meint Ferber.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben, interessanterweise aber auch Augsburger CSU-Politiker wie der Bundestagsabgeordnete Volker Ulrich, wollen sich vorab nicht auf eine feste Ausbauvariante festlegen. IHK-Hauptgeschäftsführer Peter Saalfrank sagt: „Die IHK spricht sich ganz klar für eine ergebnisoffene Heranwird. gehensweise aus, nachdem unterschiedliche Meinungen auf dem Tisch liegen – von einem reinen Ausbau der Bestandsstrecke bis hin zu größeren Neubauabschnitten. Eine Politik, die einen Teil der denkbaren Lösungen von vorne herein ausschließt, wäre ein falscher Ansatz, weil man sonst am Ende möglicherweise ohne eine Variante dasteht, die den Anforderungen der Bahn und ihrer Kunden gerecht wird.“
Saalfrank zufolge bleibt ein entscheidender Faktor die Wirtschaftlichkeit des Projekts, die er im Sinne einer Fortsetzung der Zehn-Milliarden-Investition zwischen Stuttgart und Ulm auf bayerischer Seite sieht. Die Wirtschaftlichkeit wiederum setzt seiner Meinung nach auch eine Verkürzung der Fahrzeit voraus. „Augsburg und Schwaben haben nun die Chance, in West-Ost-Richtung in das Hochgeschwindigkeitsnetz eingebunden zu werden; eine Erfahrung wie mit der Trassenführung der Nord-Süd-Achse über Ingolstadt sollte sich nicht wiederholen“, fordert der IHK-Mann.
Die Region benötigt der Wirtschaftskammer zufolge den Anschluss an das Europäische Hochgeschwindigkeitsnetz der Magistrale Paris–Budapest, die über Augsburg geführt werden soll. „Nur so können wir die Technologie-Achse Stuttgart–Augsburg–München und damit unseren Wirtschaftsraum Bayerisch-Schwaben, dessen Unternehmen und Arbeitsplätze sichern und stärken“, sagt Saalfrank. Ähnlich argumentierte bisher auch der Vorsitzende der „Initiative Magistrale für Europa“, Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD).
Das Karlsruher Verkehrsplanungsinstitut Ramboli beziffert den volkswirtschaftlichen Nutzen des Ausbaus der noch fehlenden Abschnitte zwischen Straßburg und Wien auf jährlich 720 Millionen Euro. Er resultiere insbesondere aus dem Wert der Fahrzeitverkürzung sowie den ökologischen Entlastungen. Diese ergeben sich durch die geschätzte Verlagerung von 1,6 Millionen Personen-Fahrten pro Jahr von Pkw und Flugzeug auf die Bahn sowie von 200 000 Lkw-Ladungen auf die Schiene.
Die Bahn selbst will nach Auskunft ihres Sprechers Lindemair nun die Planungsprozesse vorstellen und wie sie den Dialog mit der Region aufbauen will. Lindemair betont jedoch auch, dass der Ausbau in Zusammenhang mit dem Deutschlandtakt entwickelt wird. Deshalb sei es wichtig, die Fahrzeit zwischen Augsburg und Ulm auf unter 30 Minuten zu drücken.
Ob dies mit einer Ertüchtigung der Strecke machbar ist oder größere Neubauabschnitte notwendig sind, sei eine der zentralen Fragen der Untersuchung. „Am Ende wissen wir, was wir brauchen werden, um diese Fahrtzeit zu erzielen“, sagt Bahnsprecher Lindemair. Einen Zeithorizont für die Fertigstellung des Projekts gebe es noch nicht. Dabei hat der Bund die Planungsmittel für einen Ausbau bereits freigegeben. Die Kosten für das Vorhaben werden auf 1,9 Milliarden Euro geschätzt.
Diverse Varianten wurden schon diskutiert