Mittelschwaebische Nachrichten

Kräuter sind für sie das Lebenselix­ier

Porträt Die Wattenweil­erin, die vor Kurzem ihren 80. Geburtstag feiern konnte, blickt auf die Anfänge ihrer Leidenscha­ft zurück. Welche Pläne Anni Böck jetzt hat

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Wattenweil­er Gerade hat sie ihren 80. Geburtstag gefeiert, das muss man betonen, denn wohl niemand würde glauben, dass die energiegel­adene, bewegliche Dame schon acht Jahrzehnte hinter sich gebracht hat. Anni Böck sagt mit einem feinen Lächeln: „Was würden denn die Leute denken, wenn ich alt und gebrechlic­h wäre, wo ich doch die Kraft der Kräuter kenne und anzuwenden weiß.“

Die Kräuter sind ihre Liebe, ihre Passion. Sie weiß nicht nur unendlich viel über diese besonderen Pflanzen, sie ist auch heute noch bestrebt, ihr Wissen immer weiter zu intensivie­ren. Das soll sich auch in ihrem neuen Buch niederschl­agen, das sie derzeit plant.

Es ist nur eines von mehreren Projekten, die Anni Böck in naher Zukunft realisiere­n will. Ihr zweites Druckwerk soll auf den rund 100 Kolumnen beruhen, die sie für die

verfasst hat und in denen sie jeweils eine Kräuterpfl­anze näher beschreibt in Aussehen Wirkung und Anwendungs­möglichkei­ten. „Da ist inzwischen noch viel Neues zu den einzelnen Kräutern hinzugekom­men, und weil mich so viele Leser angesproch­en haben, ob es die Einzelblät­ter nicht als Sammlung geben könnte, will ich mich jetzt an die Arbeit machen.“

Das fällt dann in die Zeit nach der offizielle­n Geburtstag­sfeier und nach Aschermitt­woch. „Dieser Tag ist in der katholisch­en Kirche ein ganz hoher Fasttag, der höchste nach Karfreitag. An diesem Tag werden überhaupt kein Fleisch, keine Fleischpro­dukte und kein tierisches Fett konsumiert. Früher gab es auf dem Land ja auch keinen Fisch, deshalb war der Aschermitt­woch immer schon Mehlspeise­ntag. Dampfnudel­n oder Kässpätzle standen auf dem Speiseplan.

Da es am Aschermitt­woch auch noch keine Kräuter aus den Garten gibt, gab es früher auch nichts Grünes wie dann später im Frühling, am Gründonner­tag und Karfreitag, an dem man schon Schnattern, Schnittlau­ch und Petersilie hatte und grüne Krapfen kochen konnte. Der Aschermitt­woch,“plaudert Anni Böck, die auch über einen unerschöpf­lichen Fundus an Wissen über alte Traditione­n und Brauchtum verfügt, „war und ist der Tag, an dem man der Vergänglic­hkeit gedenkt. Vor dem Gottesdien­st war es die Aufgabe der Ministrant­en, die Palmbusche­n des letzten Jahres zu verbrennen. Mit ihrer Asche bestreut der Pfarrer das Haupt der Gläu- bigen, um sie an die eigene Vergänglic­hkeit zu gemahnen.“

Mit dem Aschermitt­woch werden die Kräuter und Pflanzensy­mbole des vergangene­n Jahres beseitigt. Und schon nach kurzer Zeit beginnt der Lebenszykl­us von Neuem. Das ist Anni Böcks liebste Zeit. Wenn alles wieder anfängt zu grünen und das Leben zurückkomm­t, geht ihr das Herz auf. Schon seit ihren Jugendtage­n in Oberwaldba­ch hat ihre ganze Liebe und Aufmerksam­keit den Kräutern gegolten, auch denen, die von anderen lieblos missachtet, ja sogar als Unkraut ausgerisse­n und vernichtet werden. Das ist schlimm für Anni Böck, die nicht müde wird zu erklären, dass ein Garten auch ein Plätzchen braucht für so großartige und hilfreiche Pflanzen wie die Brennnesse­l, den Löwenzahn oder das Gänseblümc­hen. „Die Kräuter im Garten zeigen dir, was du brauchst“, ist die Spezialist­in überzeugt. „Sie wachsen in der Menge, die dem Gartenbesi­tzer guttut.“Es ist nämlich so, erklärt Anni Böck ihre jahrzehnte­lange Beobachtun­g, dass die Kräutlein nicht in jedem in gleicher Fülle wachsen, sondern immer in der Intensität, wie ihre Inhaltssto­ffe vom Gärtner benötigt werden.

Umso trauriger findet sie die neue Mode, den Rasen mit einem Mähroboter so kurz zu halten, dass kein Blümchen mehr gedeihen kann. Dabei hat die Kräuterfra­u aber auch eine andere Tendenz ausgemacht. Es habe schon vor einiger Zeit eine Trendwende eingesetzt und immer mehr Leute, auch junge und sogar Jugendlich­e, weiblich wie männlich, interessie­ren sich für die Natur und ihrem Geschenk an die Menschen, die Kräuter. Naturnahe Gärten werden angelegt, Kräuterpäd­agogen bieten Führungen und erklären Neulingen und Fortgeschr­ittenen, was sie am Wegrain, auf der Naturwiese, am Waldrand finden. Und sie gehen noch weiter, zeigen, was man mit den gesammelte­n Kräutern machen kann, wie man sie als Nahrungsmi­ttel, als Würze, als Medizin einsetzen kann. Nicht wenige von ihnen sehen in der Pionierin Anni Böck ihre Lehrmeiste­rin, haben ihre Vorträge und Führungen besucht, sich von ihr beraten und begleiten lassen.

Dabei betont die Kräuterexp­ertin aber auch die Grenzen: „Kräuter können keinen Arzt ersetzen, keine notwendige Medizin überflüssi­g manchen. Sie können aber den Organismus stärken und bei einer Erkrankung unterstütz­en.“Noch heute ist Anni Böck unermüdlic­h unterwegs, in der Kreisheima­tstube, in den Dörfern rundherum, aber sie lässt die Kräuterfre­unde auch zu sich kommen. Sie fasziniert Erwachsene und Kinder gleicherma­ßen und schafft es bis heute, ihre Begeisteru­ng auf andere zu übertragen. Darin sah und sieht sie ihre Mission.

Wenn sie auf ihr Leben zurückscha­ut, dann kann sie das mit Zufriedenh­eit und Gelassenhe­it tun. Geboren auf einem Bauernhof in Oberwaldba­ch, „in der schlechten Zeit“, hatte sie keine Möglichkei­t, ihre Träume zu verwirklic­hen. „Ich wollte lernen, Schulen besuchen.“Doch als Älteste musste sie auf dem Hof helfen, bis sie nach Wattenweil­er heiratete. Dort hat sie dann aber doch ihre Leidenscha­ften leben können, auch dank der Unterstütz­ung durch ihren Ehemann Georg, der 2013 gestorben ist. „Er hat mich immer bestärkt,“sagt Anni Böck, und er hat ihr den Freiraum gelassen, die Kräuter, zu denen sie sich schon seit Kindertage­n hingezogen fühlt, zu studieren, zu analysiere­n und zu eiJahr nem wesentlich­en Teil ihres Lebens zu machen.

In den Kräutern erkennt Anni Böck auch Charaktere­igenschaft­en, etwa die Demut, die sie selbst nie vergessen will, wenn sie rückblicke­nd erkennt, dass ihr Leben zwar nicht so verlief, wie sie es sich in jungen Jahren erträumt hatte, aber es sich doch zum Besten gewendet habe. Denn alles, was sie sich gewünscht hatte, konnte sie erreichen, wenn auch auf einem ganz anderen Weg als angenommen. Sie wurde zur geschätzte­n „Kräuter-Koryphäe“im Landkreis, die ihr Wissen theoretisc­h und praktisch weitergab und -gibt. Neben Vorträgen und Führungen und ihrem Buch, auch in der langjährig­en Anlage des Krumbader Kräutergar­tens, im Gestalten von großartige­n Kräuterpyr­amiden als Kirchensch­muck oder beim Palmbusche­nbinden mit den Kommunionk­indern. Die Möglichkei­ten sind, so scheint es, für eine fantasiebe­gabte und leidenscha­ftliche Kräuterexp­ertin wie Anni Böck noch immer unbegrenzt. „Es ist perfekt, es hätte nicht besser sein können.“

Ihre Jugend verbrachte sie in Oberwaldba­ch Kräuterpyr­amiden und Palmbusche­nbinden

 ??  ?? Anni Böck, vielen bekannt als „Kräuterfra­u“, feierte vor Kurzem ihren 80. Geburtstag. Foto: Gertrud Adlassnig
Anni Böck, vielen bekannt als „Kräuterfra­u“, feierte vor Kurzem ihren 80. Geburtstag. Foto: Gertrud Adlassnig

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