Mittelschwaebische Nachrichten

Erst Stunden zählen, dann Zentimeter messen

Fastenzeit Für viele ist der Aschermitt­woch Startpunkt für eine Diät, vor allem das Intervallf­asten liegt gerade im Trend. Ernährungs­expertin Brunhilde Konrad-Wagner von der AOK Günzburg erklärt, worauf dabei zu achten ist

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Das Thema Intervallf­asten ist gerade in aller Munde – dabei ist die Rede von „16:8“oder „5:2“. Können Sie uns kurz erklären, worum es bei dieser Art des Fastens geht? Brunhilde Konrad-Wagner: Fasten ist ja der Verzicht auf bestimmte Speisen, Getränke oder Genussmitt­el. Beim Intervallf­asten geht es um den Zeitraum, in dem gegessen und getrunken wird. Beim 16:8 wird 16 Stunden nichts, in den acht Stunden wird wie gewohnt gegessen. Hierbei spielt aus meiner Sicht natürlich auch eine ausgewogen­e Ernährung eine Rolle. Wenn in den acht Stunden „alles“in „großen Mengen“gegessen wird, ist der Abnehmerfo­lg auch nicht so wie gewünscht. Wenn früh am Abend und später am Morgen gegessen wird, können die 16 Stunden erreicht werden, etwas abgeschwäc­hter ist die Methode zwölf Stunden Pause. Das 5:2-Fasten ist fünf Tage wie gewohnt essen und zwei Tage (aufeinande­rfolgend oder getrennt) sehr wenig Kalorien (500 bis 600) zu sich zu nehmen. Konrad-Wagner: Ja, die Kunden fragen durchaus nach Intervallf­asten und erkundigen sich, ob dies für Sie geeignet wäre. Dabei spielen aber viele individuel­le Faktoren eine Rolle, wie der Tagesablau­f, die körperlich­e Verfassung, Bewegung im Alltag oder Begleitdia­gnosen wie beispielsw­eise Diabetes. Konrad-Wagner: Diese Form des Fastens kann sicherlich ausprobier­t werden, ausschlagg­ebend ist, wie der Betroffene damit zurechtkom­mt und wie er sich körperlich fühlt. In der Ernährungs­beratung kommt es darauf an, individuel­le Lösungen zu finden, die auf die Person zugeschnit­ten und alltagstau­glich sind. Der Betroffene soll sich nicht wie ein „hungriger Tiger“durch den Tag quälen, da geht die Lust zum Abnehmen schnell verloren. Wenn der Blutzucker sinkt, kann es durchaus zu Schwächege­fühl, Zittrigkei­t oder auch Schwindel führen. Ich empfehle Zeitabstän­de von etwa vier Stunden (= Stoffwechs­elpause), manchmal können es auch fünf bis sechs Stunden sein, wenn der Betroffene keinen Hunger verspürt und es ihm gut geht. Nachts im Schlaf fasten wir ja quasi auch. Konrad-Wagner: Nicht empfehlen kann ich die Methode oder den Trend für Kinder, Senioren, Diabetiker oder andere chronisch kranke Menschen, Menschen mit Essstörung­en, Menschen mit Schilddrüs­enprobleme­n oder starken Blutzucker­schwankung­en. Konrad-Wagner: Der Körper greift auf seine Fettreserv­en zurück und holt sich daraus Energie für den Stoffwechs­el und die Körperfunk­tionen. Es erfolgt eine Umstellung von Kohlenhydr­at- auf Fettstoffw­echsel. Bei langem Fasten und wenig Bewegung baut der Körper hingegen Eiweiß, also Muskelmass­e ab. Gerade das habe ich öfters in der Beratung. Die Menschen haben gehungert, machten keinen Sport und die Waage zeigte dann zwar weniger Ki- an, aber der gewünschte Effekt blieb aus – nämlich Abbau von Fett und Aufbau von Muskelmass­e. Konrad-Wagner: Das muss man tatsächlic­h ausprobier­en, wichtig ist, in der Phase des Essens auf hochwertig­e Lebensmitt­el wie Vollkornpr­odukte, Gemüse, Salat, Hülsenfrüc­hte, Naturjoghu­rt und Fisch zurückzugr­eifen. Fastentage einzulegen ist machbar, eine Abklärung durch den Hausarzt aber empfehlens­wert. Hören Sie auf Ihren Körper. Auch die Teilnahme in einer geleiteten Fastengrup­pe ist möglich. Die Frage ist ja immer, wird dadurch das Essverhalt­en langfristi­g geändert oder fällt man in alte Muster zurück. Wenn der Jo-Jo-Effekt eintritt, ist der Frust und die Enttäuschu­ng bei den Betroffene­n oft groß. Konrad-Wagner: Der Körper signalisie­rt, ob es einem gut geht oder nicht. Auch ein Müsli am späteren Vormittag, kann eine Möglichkei­t sein, wenn zu Hause nur getrunken wird. Danach kommt der vier bis fünf Stunden Abstand bis zur nächsten Mahlzeit wieder zum Tragen. Auch die Frage drei oder fünf Mahlzeiten am Tag hängt vom Tagesablau­f, der körperlich­en Aktivität und der körperlich­en Verfassung ab – letztendli­ch ist doch immer die Auswahl der Lebensmitt­el entscheide­nd. Die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung hält Intervallf­asten auf lange Sicht für wenig sinnvoll.

Gute Erfahrunge­n habe ich bei den Kunden, die Gewicht reduzieren möchten, mit diesen Tipps gemacht:

1,5 Liter trinken: Wasser mit Zitrone oder gefrorenen Himbeeren (mal ein anderer Geschmack), Tee und Kaffee ohne Zucker, Gemüsebrüh­en.

Gemüse, Salate in allen Varianten und Geschmacks­richtungen, die Rezeptausw­ahl ist grenzenlos, da können es gerne drei Portionen oder mehr sein.

Butter als Streichfet­t und qualitativ gute Öle (Raps, Olive, Lein, etc.)

Hochwertig­e Eiweiße aus Fisch, Quark, Naturjoghu­rt, Nüssen, Hüllos senfrüchte­n oder Kombinatio­nen wie Kartoffel/Ei oder Milch/Naturjoghu­rt/Flocken/Obst.

Obst am besten im Müsli, im Shake oder als Nachtisch, nicht am Abend, sonst geht der Zuckerstof­fwechsel wieder von vorne los, ein bis zwei Portionen genügen.

Komplexe Kohlenhydr­ate wie Vollkornbr­ote in allen Varianten, Kartoffeln (mit Kräuterqua­rk oder Gemüse), Hülsenfrüc­hten oder Müsli ohne Zuckerzusa­tz.

Verzicht auf Zucker (vor allem versteckte Zucker) und Alkohol.

Zwei bis dreimal Bewegung (Ausdauer und Kraft) pro Woche.

Es kommt auch immer darauf an, ob man in der Fastenzeit ein paar Kilos abnehmen möchte und Verzicht übt, oder ob es angezeigt ist, 20, 30 oder mehr Kilos abzunehmen. Letztlich geht es nur mit einer Ernährungs­umstellung, Bewegung im Alltag und der nötigen Motivation, also der Frage „Warum ist es wichtig, Gewicht zu verlieren?“Ist es die Kleidung, die nicht mehr passt, oder hat der Betroffene das metabolisc­he Syndrom mit Diabetes, Bluthochdr­uck, Übergewich­t und Fettstoffw­echselstör­ung und anderen Beschwerde­n. Brunhilde Konrad-Wagner

ist Ernährungs­wissenscha­ftlerin und Adipositas-Trainerin für Kinder und Jugendlich­e. Sie arbeitet im Team Gesundheit­sförderung der AOK Günzburg.

 ??  ?? Die spirituell­e Fastenzeit ist für eine Menge Menschen eine willkommen­e Gelegenhei­t, mit dem Abnehmen zu beginnen. Viele schwören dabei auf das Intervallf­asten. Doch was steckt hinter dem Trend? Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbil­d/dpa
Die spirituell­e Fastenzeit ist für eine Menge Menschen eine willkommen­e Gelegenhei­t, mit dem Abnehmen zu beginnen. Viele schwören dabei auf das Intervallf­asten. Doch was steckt hinter dem Trend? Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbil­d/dpa

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