Mittelschwaebische Nachrichten
Wie weiblich ist die Kommunalpolitik?
Vor 100 Jahren wurde das Frauenwahlrecht eingeführt. Doch was ist aus den Forderungen nach Gleichstellung geworden? Das sagen Politikerinnen aus der Region zum Thema Quote
Das sagen Politikerinnen aus der Region zum Thema Quote und warum es so schwer ist, Frauen für die Politik zu begeistern.
Landkreis Vor gut 100 Jahren – 1918 beschlossen und 1919 erstmals praktiziert – wurde in Deutschland das aktive und passive Wahlrecht für Frauen eingeführt. Es war ein langer und von harten Auseinandersetzungen geprägter Weg, den die Frauen in großen Teilen Europas dafür gehen mussten. Am 19. März 1911 wurde der erste Internationale Frauentag begangen mit dem alles beherrschenden Thema Frauenwahlrecht. Später wurde er auf den 8. März verlegt. Im Jubiläumsjahr liegt die Frage nahe, was aus den Forderungen der Frauen nach Gleichstellung geworden ist? Wie sind Frauen an der Gestaltung der Gesellschaft aktiv beteiligt und sind sie überhaupt bereit, sich zu beteiligen?
Das, so hört man von den weiblichen Vorstandsmitgliedern fast aller im Kreisrat vertretenen Parteien, scheint das Hauptproblem zu sein: Die Bereitschaft der Frauen, sich politisch zu betätigen. Ruth Abmayr, Vorsitzende der Freien Wähler, versichert, so weit als möglich Frauen in die aktive Arbeit holen zu wollen. Doch es sei nicht leicht, sie zu motivieren. Frauen sind heute in der Regel berufstätig, haben Kinder und übernehmen meist die Hauptlast in Haushalt und Kindererziehung. Da bleibe nicht mehr viel Spielraum für politische Arbeit. „Männer haben das Problem nicht. Sie gewichten ihre Pflichten anders. Aber sie wollen auch nicht immer alles perfekt machen wie wir Frauen. Wir stehen uns da oft selbst im Weg.“In absehbarer Zeit werden die Listen für die Kreistagswahl erstellt. Wenn sie nun auf Frauen zugeht, um sie für eine Nominierung zu gewinnen, höre sie immer wieder: „Jetzt ist es schlecht, frag doch in sieben Jahren noch mal nach, wenn die häuslichen Belastungen nicht mehr so groß sind.“Ruth Abmayr gesteht, dass sie früher ähnlich gedacht habe und will möglichen Kandidatinnen Wege zeigen, wie sie sich politisch einbringen können. „Denn wenn man die Hemmschwelle überwunden hat, merkt man, wie viel Freude diese Arbeit macht.“Ob sie die Wahlliste der Freien Wählen damit weiblicher gestalten kann, wird sich erst in den nächsten Monaten erweisen. Aber Ziel ist klar: 50 Prozent Frauen, und „es liegt auch an uns, dafür zu sorgen“.
Es liegt zum einen an der Parteiführung, die die Listen erstellt, aber, so Simone RiemenschneiderBlatter von der SPD, es liege auch an den Wählern. Sie beobachte im Wahlverhalten doch eine Voreingenommenheit gegen Frauen auf der Liste. Zudem seien Frauen außerhalb ihres Wohnortes meist weniger bekannt. Gewählt würden aber häufig Personen, die man zumindest dem Namen nach kenne. Das zeige sich auch am deutlich besseren Abschneiden der Frauen bei den Stadtratswahlen.
Simone Riemenschneider-Blatter macht sich ernstlich Sorgen über die Entwicklung des Frauenanteils in der Politik. Vor gut 30 Jahren hat die SPD für sich eine Frauenquote von 40 Prozent beschlossen, und die Partei versucht auch auf Kreisebene die Listenplätze nach dem Reißverschlusssystem – also jeweils im Wechsel Frauen und Männer – zu benennen. Doch es ist fraglich, ob sie genügend Frauen für eine Nomi- motivieren kann. „Es ist schon beängstigend. Wir scheinen gerade bei der Vertretung der Frauen eine Rolle rückwärts zu machen.“Bei den Schulabschlüssen liegen Mädchen deutlich vorn, doch wenn es in den Beruf, in die Wirtschaft oder in die Politik gehe, seien Frauen noch immer deutlich abgeschlagen. „Deshalb bin ich für die Quote, auch wenn wir sie bei der Aufstellung der Kreistagsliste wohl nicht erfüllen können.“
Das stellt für Anneliese Lauer vom Bündnis 90 Die Grünen kein Problem dar. „Unsere Partei hat ja schon in den frühen 80er Jahren das paritätische System vorgegeben, und das ist auch für uns auf Ortsihr und Kreisebene verpflichtend.“Sie sei sehr zuversichtlich, dass sie entsprechend viele Kandidatinnen finden. „Wir wollen uns im kommenden Monat mit der Aufstellung auseinandersetzen. Dann werde ich mich auch wieder intensiver politisch einbringen und versuchen, möglichst viele Frauen zur aktiven Mitarbeit zu motivieren.“
Keine Verteidigerin der Quote ist dagegen Stephanie Denzler. Die CSU-Politikerin ist überzeugt, dass die Quote aktive Frauen diffamiere. Wichtiger als die Quantität sei immer die Qualität. „Frauen werden in der Partei in keiner Weise zurückgesetzt, unser Vorsitzender Alfred Sauter legt großen Wert auf die Beteiligung von Frauen in politischen Ämtern. Ich selbst bin seit jungen Jahren aktiv in der Parteipolitik, aber ich habe noch nie eine Benachteiligung erfahren.“Stephanie Denzler gibt allerdings zu, dass es nicht einfach sei, Frauen für die Parteiarbeit zu gewinnen. „Ich versuche mit meinem Beispiel zu zeigen, dass sich Familie, Berufstätigkeit und politisches Engagement miteinierung nander verbinden lassen und man wirklich Spaß an diesem Engagement haben kann. Dennoch scheuen viele Frauen davor zurück, parteipolitisch tätig zu werden.“
Für die Politik sei es gut, eine Mischung beider Geschlechter zu haben, denn Frauen, so Denzler, bringen andere Lebenserfahrungen mit, haben andere Schwerpunkte und sehen Probleme unter anderen Aspekten als Männer. Und damit gelingt es, neue Sichtweisen in die politische Entscheidungsfindung einzubringen. Für die Kreistagsliste, ist Stephanie Denzler überzeugt, werden sich trotz aller Probleme genügend qualifizierte Frauen finden. Schon jetzt zeichne sich nach ihren Angaben eine gute Mischung aus erfahrenen Lokalpolitikerinnen und motivierten Neulingen ab.
In der FDP gibt es keine einheitliche Meinung zur Frauenquote auf Kandidatenlisten. Das einzig weibliche Mitglied der Kreisvorstandschaft, Ingeborg Spannagel-Kithil, war für eine Stellungnahme gegenüber unserer Zeitung leider nicht zu erreichen.
„Ich versuche mit meinem Beispiel zu zeigen, dass sich Familie, Berufstätigkeit und politisches Engagement miteinander verbinden lassen.“
Stephanie Denzler