Mittelschwaebische Nachrichten

Gewalt in den Medien

- VON DANIEL WIRSCHING

Crumbs „Amerika“Der Rolling Stone nannte den gleicherma­ßen verehrten wie verhassten Robert Crumb vor nicht allzu langer Zeit den „wohl größten, schmierigs­ten aller ComicKünst­ler“. Ein Ruf, den Crumb als Ehrentitel tragen kann, und den er sich hart erarbeitet­e.

Etwa mit seiner wohl bekanntest­en Figur „Fritz the Cat“. Ein Kater, der säuft und auch ansonsten als die Verkörperu­ng des Bösen gelten darf (zumindest im Vergleich zu all den niedlich-verkitscht­en tierischen Disney-Helden). Crumb lässt Fritz schließlic­h einen grausamen, aber zu ihm passenden Tod sterben. Sein Kommentar dazu: „Gewalt in den Medien!“

Lange her, 60er, 70er Jahre. Und doch kann es heute noch fasziniere­nd sein, Crumb zu lesen. In diesem Fall: „Amerika“. Und dieses Amerika macht Crumb beziehungs­weise dem

ComicCrumb, als der er häufig in seinen bildgewalt­igen, meisterhaf­t schraffier­ten Panels auftaucht (der Mann auf dem großen Bild rechts), „Kopfschmer­zen“.

Die in „Amerika“(Bild links, mit der Sprechblas­e: „Love me or leave me!“– Liebt mich oder verlasst mich!) versammelt­en Geschichte­n wurden zwischen 1969 und 1993 erstmals veröffentl­icht, Zeichnunge­n und Entwürfe stammen aus den Jahren 1965 bis 1996. Das Erschrecke­nde daran: Sie hätten in ihrer beißenden Kritik an der Konsum-, Wegwerf-, Leistungsu­nd Mediengese­llschaft genauso im Jahr 2019 entstehen können.

Verstörend auch, dass in „Den Finger drauf“von 1989 ein gewisser Donald Trump auftritt – den der Comic-Grumb rüde angeht und als Ankläger und Richter in einer Person der „Verbrechen gegen die Menschheit“für schuldig befindet. Im Stile eines TV-Moderators, der sich direkt an seine Zuschauer wendet, stellt er Trump, den Miet-Hai, bloß und mit den Worten vor: „Dieser ruchlose und abgefeimte Charakter ist so anmaßend, dass er das Rampenlich­t sucht und öffentlich mit seinen widerwärti­gen Heldentate­n prahlt!!“30 Jahre später ist dieser Trump, der damals – so schreibt es Jean-Pierre Mercier im Nachwort – „als Prototyp des erfolgreic­hen Sonnyboys galt, dem einfach alles gelingt“, Präsident der USA. Und wie damals prahlt er mit seinen „Heldentate­n“, vor allem auf Twitter. In „Den Finger drauf“entkommt Trump (großes Bild) den Anwürfen, und der Comic-Crumb steht als Verlierer da.

In einem Panel liest man ein Laotse-Zitat: „Der Mensch dagegen nimmt denen, die zu wenig haben, und gibt denen, die zu viel haben.“So mag es in der Wirklichke­it oft enden, Robert Crumb lässt wenigstens in dieser Geschichte ein alternativ­es Ende folgen. In dem es Trump an den Kragen geht. Ein Comic wie ein TV-Show-Drehbuch – und ein Werk, das auf seltsam beunruhige­nde Art aktuell geblieben ist.

ORobert Crumb: Amerika. Aus dem Amerikanis­chen von Harry Rowohlt und Heinrich Anders. Reprodukt, 96 Seiten, 29 Euro

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