Mittelschwaebische Nachrichten
Gewalt in den Medien
Crumbs „Amerika“Der Rolling Stone nannte den gleichermaßen verehrten wie verhassten Robert Crumb vor nicht allzu langer Zeit den „wohl größten, schmierigsten aller ComicKünstler“. Ein Ruf, den Crumb als Ehrentitel tragen kann, und den er sich hart erarbeitete.
Etwa mit seiner wohl bekanntesten Figur „Fritz the Cat“. Ein Kater, der säuft und auch ansonsten als die Verkörperung des Bösen gelten darf (zumindest im Vergleich zu all den niedlich-verkitschten tierischen Disney-Helden). Crumb lässt Fritz schließlich einen grausamen, aber zu ihm passenden Tod sterben. Sein Kommentar dazu: „Gewalt in den Medien!“
Lange her, 60er, 70er Jahre. Und doch kann es heute noch faszinierend sein, Crumb zu lesen. In diesem Fall: „Amerika“. Und dieses Amerika macht Crumb beziehungsweise dem
ComicCrumb, als der er häufig in seinen bildgewaltigen, meisterhaft schraffierten Panels auftaucht (der Mann auf dem großen Bild rechts), „Kopfschmerzen“.
Die in „Amerika“(Bild links, mit der Sprechblase: „Love me or leave me!“– Liebt mich oder verlasst mich!) versammelten Geschichten wurden zwischen 1969 und 1993 erstmals veröffentlicht, Zeichnungen und Entwürfe stammen aus den Jahren 1965 bis 1996. Das Erschreckende daran: Sie hätten in ihrer beißenden Kritik an der Konsum-, Wegwerf-, Leistungsund Mediengesellschaft genauso im Jahr 2019 entstehen können.
Verstörend auch, dass in „Den Finger drauf“von 1989 ein gewisser Donald Trump auftritt – den der Comic-Grumb rüde angeht und als Ankläger und Richter in einer Person der „Verbrechen gegen die Menschheit“für schuldig befindet. Im Stile eines TV-Moderators, der sich direkt an seine Zuschauer wendet, stellt er Trump, den Miet-Hai, bloß und mit den Worten vor: „Dieser ruchlose und abgefeimte Charakter ist so anmaßend, dass er das Rampenlicht sucht und öffentlich mit seinen widerwärtigen Heldentaten prahlt!!“30 Jahre später ist dieser Trump, der damals – so schreibt es Jean-Pierre Mercier im Nachwort – „als Prototyp des erfolgreichen Sonnyboys galt, dem einfach alles gelingt“, Präsident der USA. Und wie damals prahlt er mit seinen „Heldentaten“, vor allem auf Twitter. In „Den Finger drauf“entkommt Trump (großes Bild) den Anwürfen, und der Comic-Crumb steht als Verlierer da.
In einem Panel liest man ein Laotse-Zitat: „Der Mensch dagegen nimmt denen, die zu wenig haben, und gibt denen, die zu viel haben.“So mag es in der Wirklichkeit oft enden, Robert Crumb lässt wenigstens in dieser Geschichte ein alternatives Ende folgen. In dem es Trump an den Kragen geht. Ein Comic wie ein TV-Show-Drehbuch – und ein Werk, das auf seltsam beunruhigende Art aktuell geblieben ist.
ORobert Crumb: Amerika. Aus dem Amerikanischen von Harry Rowohlt und Heinrich Anders. Reprodukt, 96 Seiten, 29 Euro