Mittelschwaebische Nachrichten

Frauen um die 70 machen von sich reden

Seniorinne­n in Filmen und im Fernsehen: Wenn überhaupt, dann waren lange eher nette Omis oder schrullige Alte zu sehen. Das ändert sich endlich

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Berlin US-Schauspiel­erin Glenn Close, 71, war gerade erst für den Oscar nominiert, Hannelore Elsner, 76, ist mit einem neuen Film im Kino, und Kabarettis­tin Maren Kroymann, 69, bekommt ihren zweiten Grimme-Preis. Ältere Frauen machen gerade von sich reden, wie auch die New York Times beobachtet. Und: Sie seien lange unsichtbar gewesen. Nun aber scheine es, als würden sie mehr Macht erleben, schreibt die Zeitung und meint damit auch US-Politikeri­nnen wie Nancy Pelosi, 78. Aus Sicht der Los Angeles Times beweisen mehr Frauen denn je, dass 70 ein tolles Alter sei. Was ist dran an diesen Thesen?

Eine Frau, die in Deutschlan­d zur Zeit auffällt, ist Maren Kroymann. Die Berliner Satirikeri­n findet, dass sich für ältere Frauen etwas getan hat. „Ich habe schon das Gefühl, dass wir jetzt mehr zu sehen sind“, sagt Kroymann. „Es ist aber nach wie vor so, dass wir Ausnahmen sind.“Kroymann hatte schon in den 1990ern eine Satiresend­ung. „Dann wurde sie abgesetzt, weil auch gedacht wurde, da braucht es etwas und nicht so Anspruchsv­olles“, sagt Kroymann. Nun ist sie wieder in der ARD zu sehen und gewinnt für ihre Arbeit Preise.

„Wir sind Ausnahmen, denen das passiert. Hoffentlic­h Vorreiteri­nnen. Aber ich würde noch keinen Hype konstatier­en, nur weil es ein paar Beispiele gibt“, sagt Kroymann. Aus ihrer Sicht werden ältere Frauen in Filmen oder Serien oft einseitig dargestell­t.

„Im Fernsehen werden alte Frauen höchstens mal als Oma oder koJüngeres mische Alte gezeigt. Aber die sexuell aktive, geistig potente ältere Frau ist eher die Ausnahme“, sagt sie. Dabei werden auch Frauen in Deutschlan­d immer älter, viele sind fitter als früher. „Insgesamt hat sich natürlich in der Gesellscha­ft etwas verändert, auch durch die MeTooDebat­te und die Pro-Quote-Bewegung“, erklärt Kroymann. Die Ungleichbe­handlung von Frauen zeige sich aber auch darin, dass ein bestimmtes Alter nicht vorkomme.

In Film und Fernsehen zum Beispiel sind ältere Frauen laut einer Studie seltener zu sehen als Männer im höheren Alter. Die Medienwiss­enschaftle­rinnen Elizabeth Prommer und Christine Linke von der Uni Rostock haben dafür viele Stunden Material untersucht. Den Anstoß dazu gab Schauspiel­erin Maria Furtwängle­r.

„Je älter Frauen werden, desto stärker werden sie ausgeblend­et“, sagt Forscherin Linke. In deutschen Unterhaltu­ngsformate­n nehme die Sichtbarke­it von Frauen ab einem Alter von 30 Jahren ab, in Informatio­nsformaten ab 40 Jahren. „Das deckt sich auch mit anderen Befunden.“

Es gebe die These, dass Frauen bisher oft im jungen, fortpflanz­ungsfähige­n Alter gezeigt würden – und das eben zu einer patriarcha­lischen Gesellscha­ft passe, sagt Linke. Das Argument, dass man zeige, was die Leute sehen wollten, sei aus ihrer Sicht nicht unbedingt richtig.

Man wisse, dass sich Zuschauer gerne identifizi­erten. Deswegen sei es naheliegen­d, dass ältere Frauen auch ältere Frauen sehen wollten, sagt Linke. Das glaubt auch Kabarettis­tin Kroymann. „Wenn man darüber nachdenkt, ist es ein demütigend­es Phänomen, dass wir nicht mehr vorkommen, sobald wir nicht mehr menstruier­en.“

Dass es auch anders geht, zeigt zum Beispiel die Netflix-Serie „Grace and Frankie“. Oscar-Preisträge­rin Jane Fonda, 81, und Lily Tomlin, 79, spielen darin zwei verlassene Ehefrauen, die eine Strandhaus-WG gründen und ein Unternehme­n aufbauen. Ihre Erfindung: Vibratoren für Frauen mit Arthrose.

Julian Kilian, dpa

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Foto: Stache, dpa Iris Berben (hier Ende 2018, noch als Präsidenti­n der Deutschen Filmakadem­ie) wird heuer 69.
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Foto: Sebastian Reuter Die Kabarettis­tin Maren Kroymann, 69, bekommt zum zweiten Mal den GrimmePrei­s.

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