Mittelschwaebische Nachrichten
„Ein Aggressor, wie er im Buche steht“
Eine 22-jährige „Kampfmaschine“attackiert im Suff mehrere Menschen
Günzburg Eine Schlägerei unter sechs jungen Leuten auf offener Straße in Günzburg hatte eine erschreckende Bilanz mit zum Teil erheblichen Verletzungen. Der Anstifter musste sich wegen seiner Attacke gestern vor dem Amtsgericht verantworten. Zwei kurzfristig aufgebotene Entlastungszeugen bewahrten den 22-Jährigen nicht vor einer Strafe: Er wurde zu einem Jahr und zwei Monaten Haft verurteilt.
Zur folgenreichen Auseinandersetzung war es am frühen Morgen des 12. August vor einem Nachtlokal nahe des Günzburger Bahnhofs gekommen. Nach dem Besuch des Volksfestes und in der Bar trafen die Kontrahenten aufeinander. Laut Staatsanwaltschaft entzündete sich der Streit an einem Feuerzeug, das der Angeklagte von einem der Opfer forderte. Das warf der 22-Jährige auf den Boden und wurde deswegen zur Rede gestellt. Nach einem kurzen Wortgefecht ging’s zur Sache. Der Angeklagte schlug und trat gezielt zu und verletzte mindestens vier Gegner. Nur eine Woche später rastete der 22-Jährige erneut aus und versetzte einem Opfer einen Schlag aufs Ohr, das eine Trommelfellperforation zur Folge hatte. Diese Tat ließ der Angeklagte von seinem Verteidiger Mehmet Pektas (Günzburg) einräumen, die anderen Gewaltdelikte bestritt er: „Ich habe nicht auf die fünf Leute eingeschlagen.“Zur Überraschung vom Gericht und dreier Nebenklage-Anwälte der Opfer präsentierte der Verteidiger zwei neue Zeugen.
Damit hatte der Angeklagte aus dem nördlichen Landkreis bei Richter Walter Henle schlechte Karten. „Wie soll’s mit Ihnen weitergehen“, fragte er, denn der 22-Jährige hatte sich erst im Juli vergangenen Jahres wegen eines ähnlichen Delikts eine Geldstrafe eingehandelt. Den Vorfall beim Bahnhof in der Bahnhofstraße beschrieben die fünf Opfer des Schlägers als Zeugen dann ziemlich anschaulich, aber teils unterschiedlich. Der Auftritt der beiden kurzfristig benannten Entlastungszeugen ging für den Angeklagten nach hinten los. Beide behaupteten, sie seien dem 22-Jährigen zu Hilfe geeilt, als der von den fünf anderen Beteiligten umringt worden sei.
Der Richter glaubte den beiden jungen Männern kein Wort. „Sie lügen“, hielt er einem 29-Jährigen vor, denn der Zeuge wirkte extrem unsicher und blickte sich immer wieder hilfesuchend nach dem Angeklagten um. Die Zweifel an den Angaben schürte ein Hinweis von Nebenklage-Anwalt Stefan Dangel (Günzburg), dass die beiden Entlastungszeugen und ein Zuschauer sich mit dem Angeklagten und dem Anwalt in einem Besprechungszimmer getroffen hätten. Die Frage von Richter Henle, ob es eine Absprache gab, blieb unbeantwortet.
Wegen sechsfacher Körperverletzung forderte die Staatsanwältin eine Haft von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung sowie eine Geldauflage von 3000 Euro, da sie eine positive Sozialprognose sah. Dem Antrag schloss sich die Nebenklage an. Anwalt Walter Deistler (Günzburg) bezeichnete den Angeklagten als „Kampfmaschine“, der vier Leute massiv verletzt habe.
Verteidiger Pektas hielt die Schuld seines Mandanten an der Schlägerei wegen widersprüchlicher Zeugenaussagen für nicht erwiesen und beantragte Freispruch. Damit stieß er bei Henle auf taube Ohren. Er verurteilte den 22-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Eine Bewährung sei nicht möglich, da der Angeklagte weder ein Geständnis abgelegt habe, noch Reue zeigte oder sich bei den Opfern entschuldigt habe. Erschwerend wirkten sich einige Vorstrafen des Mannes aus, darunter auch wegen Körperverletzungsdelikten.
Die Auseinandersetzung hat sich nach Überzeugung Henles aufgrund der Aussagen der Opfer so abgespielt, die Aussagen der Entlastungszeugen wertete der Richter als unglaubwürdig. Der Angeklagte sei „ein Aggressor, wie er im Buche steht, was er bisher nicht gelernt hat, lernt er vielleicht im Vollzug“. Ob der Angeklagte hinter Gitter muss, bleibt zunächst offen, da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.