Mittelschwaebische Nachrichten

Das aktuelle Thema Soll man Michael-Jackson-Songs noch hören?

- VON STEPHANIE SARTOR VON MARKUS BÄR

Meist sind solche Sätze ja übertriebe­n. In diesem Fall nicht: Michael Jackson ist eine Legende. Ein Künstler wie kein zweiter, einer, der die Musikwelt für immer verändert hat, den Gesang, den Tanz, die Messlatte dafür, was künftig bei Bühnenshow­s das Etikett „spektakulä­r“verpasst bekommen sollte. Er hat mit „Thriller“ein Album veröffentl­icht, das noch heute – Jahrzehnte später – seinesglei­chen sucht. Er hat uns alle staunen lassen, hat eine neue exzentrisc­he Pop-Welt erschaffen, hat Songs geschriebe­n, die bis heute viele Künstler maßgeblich geprägt haben.

Und nun wird tatsächlic­h darüber diskutiert, ob man diese Lieder weiterhin hören darf! Ob das moralisch verwerflic­h ist. Nur weil in einer neuen Dokumentat­ion alte Missbrauch­svorwürfe wieder aufgetauch­t sind.

Natürlich muss uns allen klar sein, dass großartige Kunst nicht immer bedeutet, dass dahinter ein großartige­r Mensch steckt. Aber es ist doch so: Kunst und Künstler muss man trennen. Ein Werk darf nicht verbannt, weggesperr­t werden, selbst wenn sich dessen Schöpfer strafbar gemacht hat – was bei Michael Jackson im Übrigen nie bewiesen wurde. Nach wie vor gilt er als unschuldig. Würde man Kunst und Künstler immer als etwas verstehen, das auch auf moralische­r Ebene untrennbar verwoben ist, was würde das denn bedeuten? Wir dürften keine Filme von Woody Allen, keine von Roman Polanski schauen, ohne uns schlecht zu fühlen, dürften keine alten Folgen der Bill-Cosby-Show sehen, nicht hingerisse­n sein vom genialen Spiel eines Kevin Spacey. Doch all das dürfen wir. Und es ist nicht verwerflic­h! Denn die Kunst steht für sich.

Was immer man von der Person Jackson halten mag – seine Musik ist legendär. Und gehört ins Radio.

Um es gleich vorab zu sagen: Michael Jackson ist nie des Kindesmiss­brauchs überführt, nie verurteilt worden. Und der – egal, ob man nun seine Lieder mag oder nicht – begnadete Musiker ist im juristisch­en Sinne bis heute unschuldig. Punkt. Außerdem ist er seit zehn Jahren tot. Dennoch umwaberte ihn schon seit den 1980er Jahren der Verdacht, dass er die Jungen, die er immer wieder zu sich auf seine Neverland Ranch einlud, die dort viel Zeit mit ihm in seinen privaten Gemächern verbrachte­n, verehrte, anfasste, missbrauch­te. Jackson gab später über 40 Millionen Dollar aus, um sich mit den betroffene­n Familien außergeric­htlich zu einigen.

Befeuert wird die Missbrauch­sdebatte aktuell erneut – durch den US-Dokumentar­film „Leaving Neverland“, in dem der Choreograf Wade Robson und der Programmie­rer James Safechuck berichten, was sie früher als Kinder auf der Neverland Ranch erlebten. Dabei werden auch Liebesbrie­fe Jacksons an sie präsentier­t.

Kann man jetzt noch seine Songs hören? Viele Radiosende­r haben sich dazu entschloss­en, die Lieder trotz der Debatte zu spielen. Dem ebenfalls nicht verurteilt­en USSchauspi­eler Kevin Spacey (er soll sich an junge Männer – nicht aber Kinder – herangemac­ht haben) ergeht es anders. Er findet quasi nicht mehr statt. Bei „House of Cards“wurde er aus dem Drehbuch genommen. Sein letzter Film spielte am ersten Wochenende ganze 126 Dollar ein. Wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Natürlich herrscht Meinungsfr­eiheit. Darum werden wir hier sicherlich nicht schreiben, dass man Jacksons Lieder nie mehr hören darf. Aber zumindest unbedarft kann man seine Lieder nicht mehr spielen. Denn Jackson war nicht nur der „King of Pop“, sondern er hatte womöglich eine sehr kranke Seite.

 ?? Foto: John Mabanglo, dpa ?? Michael Jackson macht das V-Zeichen, als er 2005 im Gericht in Kalifornie­n ankommt – dort ging es um Missbrauch­svorwürfe gegen ihn. Später wurde er freigespro­chen.
Foto: John Mabanglo, dpa Michael Jackson macht das V-Zeichen, als er 2005 im Gericht in Kalifornie­n ankommt – dort ging es um Missbrauch­svorwürfe gegen ihn. Später wurde er freigespro­chen.
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