Mittelschwaebische Nachrichten
Besser. Mal. Die. Klappe. Halten.
Seit Jahren gehe ich zu meinem türkischen Friseur Ali. Moment. Ist er überhaupt (noch) Türke? Er spricht zumindest fast akzentfrei Deutsch. Ich liebe Alis Friseursalon, den mindestens so viele Deutsche besuchen wie Türken. Die Luft schwirrt von den Diskussionen und wer sich etwas anstrengt, kann auch den türkischen Teil der Gespräche verstehen. Es geht um Bayern München, Galatasaray und die ganze Welt. Herrlich!
Neulich war ich wieder und hatte gerade begonnen, es mir gemütlich zu machen. Da kam ein neuer Kunde, nahm auf dem Friseurstuhl platz und redete gleich drauf los. „Du. Machen. Haare. Kurz. Verstehen?“Ali blieb cool und antwortete freundlich – und eben akzentfrei. „Türkei. Schön. Ich schon da. Urlaub.“quasselte der Typ weiter und mir wurde es immer wärmer. Ali nicht, er blieb ganz gelassen, machte seinen Job. Und schien gar nicht zu bemerken, dass der Kerl vom Typ „Möchtegern-mustermann mit Bierwampe“weiter in seinem warum auch immer gebrochenen Deutsch auf ihn einquatschte. Und das auch noch in einer Lautstärke, als wären alle im Raum schwerhörig oder als habe er es mit begriffsstutzigen Trotteln zu tun ... So ging das, bis der Kerl endlich kurze Haare hatte und sich mit einem lautstarken „Ich. Wieder. Kommen. Grüß. Gott“verabschiedete.
Ich habe mir vorgenommen, an diesen Moment zu denken, wenn ich mich das nächste Mal über die Erdogan-fans unter meinen türkischstämmigen Nachbarn wundere und/oder ärgere. Viele türkischstämmige Migranten vermissen offenbar Respekt und Anerkennung in ihrer neuen Heimat Deutschland. Ich kann das jetzt ein bisschen besser verstehen. Zumindest dafür: Danke. Herr. Möchtegern. Mustermann.