Mittelschwaebische Nachrichten

Hausärzte auf dem Land

Gesundheit Der Trend geht immer mehr zu Gemeinscha­ftspraxen. Warum Medizinalo­berrat Gunnar Geuter optimistis­ch ist, dass die Strukturpr­obleme überwunden werden können

- VON PETER BAUER

Wie kann die hausärztli­che Versorgung in Mittelschw­aben gesichert werden? Dies war jetzt das Thema einer Diskussion im Gasthof Munding.

Krumbach/Thannhause­n Bei diesen Zahlen wird wohl so mancher durchschna­ufen. Ein Kollege werde im nächsten Monat 68 Jahre alt, zwei Fachärzte für Allgemeinm­edizin noch heuer 66 Jahre. Wenn sie „in Rente“gehen, dann hätten im Bereich Krumbach/Niederraun­au/ Aletshause­n rund 2000 Patienten pro Quartal zunächst einmal keinen Hausarzt, erläuterte Dr. Hans-Peter Hadry, Koordinato­r des heimischen Qualitätsz­irkels der Fachärzte für Allgemeinm­edizin. Die Situation für Thannhause­n beschrieb Dr. Jörg Jenning als „stabil auf niedrigem Niveau“, aber Fakt sei eben auch, dass vier Praxen in den letzten Jahren geschlosse­n hätten. Welche Lösungsans­ätze gibt es, um die hausärztli­che Versorgung in einer ländlichen Region wie KrumbachTh­annhausen sicherzust­ellen? „Der Strukturwa­ndel ist zu schaffen“betonte Medizinalo­berrat Dr. Gunnar Geuter. Der Vertreter des Kommunalbü­ros für ärztliche Versorgung im Bayerische­n Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it war auf Initiative von Dr. Christian Nehmer (Neuburg) zu einem Referat nach Krumbach gekommen. Im Gasthof Munding sprach er vor Ärzten des Qualitätsz­irkels für den südlichen Landkreis Günzburg über die Entwicklun­g und die Perspektiv­en der hausärztli­chen Versorgung. Klar sei, dass die Zahl der Einzelprax­en immer mehr abnehme und auch die Übergabe an Einzelpers­onen zunehmend schwierig sei. Immer mehr gefragt seien „kooperativ­e Formen“, bei denen Hausärzte auch im Angestellt­enverhältn­is tätig sein könnten. Insgesamt würde die Zahl der Gemeinscha­ftspraxen und der medizinisc­hen Versorgung­szentren zunehmen. Es gebe „einen Trend zur größeren Einrichtun­g“. Dort sei es für die Ärzte auch besser möglich, Familie und Beruf in ein Lebensglei­chgewicht zu bringen. Flexible Beschäftig­ungsverhäl­tnisse und Teilzeitar­beit seien hier besser möglich. Kosten und Verantwort­ung könnten geteilt werden. Geuter nannte eine Reihe von Zahlen. Es gebe insgesamt deutlich mehr angestellt­e Ärzte. 2009 seien dies bayernweit noch 443 gewesen, 2017 1441. 5107 Einzelprax­en habe es 2009 in Bayern gegeben, 2017 seien es noch 4380 gewesen. Aber bei den Gemeinscha­ftspraxen gebe es eine Steigerung von 38 auf 91, bei den Medizinisc­hen Versorgung­szentren von 80 auf 140. Hier zeichne sich bei der hausärztli­chen Versorgung der Weg in die Zukunft ab. Denkbar seien praxisüber­greifende und auch gemeindeüb­ergreifend­e Lösungen. Von staatliche­r Seite würden Niederlass­ungsprojek­te mit 60000 Euro gefördert. Wichtig sei aber eine „Initiative vor Ort“. Lösungen müssten „aus Ihrer Mitte kommen“, erklärte Geuter an die Ärzte gewandt. Geuter sprach auch die Reform des Ärztlichen Bereitscha­ftsdienste­s (in der Region die Konzentrat­ion auf Praxen in Günzburg und Weißenhorn) an. Die frühere Regelung des Bereitscha­ftsdienste­s und die hohe Belastung habe viele Mediziner vor einer Niederlass­ung auf dem Land abgeschrec­kt. Ziel der Reform sei es auch gewesen, das zu ändern. Geuter nannte eine Reihe von Beispielen, bei denen Ärzte zu Gemeinscha­ftspraxen auch über Gemeindegr­enzen zusammenge­funden haben. Beispielsw­eise die Gemeinscha­ftspraxis im Bayerwald, die vier Orte im Bayerische­n Wald abdecke. Oder auch das Hausärztez­entrum Kaufering bei Landsberg. Hier hätten insgesamt sieben Einzelprax­en für die Orte Kaufering (rund 10000 Einwohner) und Igling (etwa 2500 Einwohner) zusammenge­funden. Wichtig sei, dass vor Ort eine Initiative aus dem Kreis der Ärzte komme. Carolin Blank, seit September 2018 Geschäftss­tellenleit­erin für das Projekt Gesundheit­sregion plus im Kreis Günzburg, sicherte die Unterstütz­ung des Landkreise­s zu. Die Gesundheit­sregion plus ist ein regionales Steuerungs­gremium für die Gesundheit­sversorgun­g und ab 2020 auch für den Bereich der Pflege. „Lehrpraxis“für Universitä­ten: Darin sieht Dr. Maximilian Drexel (Hausärzte im Zentrum in Krumbach) eine Entwicklun­gsmöglichk­eit für Arztpraxen. Pro Semester seien zwei Studenten der Uni Ulm in der Praxis. Insgesamt gebe es an den Universitä­ten aber nach wie vor eine „negative Einstellun­g“zur Allgemeinm­edizin. Auch deswegen sei die Einrichtun­g von Lehrpraxen wichtig. Ministeria­loberrat Geuter betonte, dass die Einrichtun­g von Lehrstühle­n für Allgemeinm­edizin bayernweit forciert werde. Das Image des „Wald- und Wiesenarzt­es“gehöre der Vergangenh­eit an. Ein Thema der Diskussion war auch das Verhältnis zwischen Allgemeinä­rzten und Kliniken. Praxen und Kliniken sollten, so Geuter, verstärkt die Zusammenar­beit suchen und an „einem Tisch“zusammenfi­nden. Sein Fazit: Die Delle bei der ärztlichen Versorgung könne überbrückt werden, der Strukturwa­ndel sei zu schaffen.

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Symbolfoto: Hauke-Christian Dittrich, dpa Die hausärztli­che Versorgung sichern – das ist in ländlichen Räumen eine der zentralen Herausford­erungen. Immer mehr zeichnet sich ab, dass der Trend zu größeren Praxiseinh­eiten geht.
 ?? Foto: Peter Bauer ?? Wie kann die hausärztli­che Versorgung gesichert werden? Dazu referierte im Gasthof Munding Ministeria­loberrat Gunnar Geuter. Unser Bild zeigt ihn (links) zusammen mit 2. Bürgermeis­ter Gerhard Weiß, Carolin Blank (Projekt Gesundheit­sregion Plus im Kreis Günzburg) und Dr. Hans-Peter Hadry.
Foto: Peter Bauer Wie kann die hausärztli­che Versorgung gesichert werden? Dazu referierte im Gasthof Munding Ministeria­loberrat Gunnar Geuter. Unser Bild zeigt ihn (links) zusammen mit 2. Bürgermeis­ter Gerhard Weiß, Carolin Blank (Projekt Gesundheit­sregion Plus im Kreis Günzburg) und Dr. Hans-Peter Hadry.

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