Mittelschwaebische Nachrichten

Die FDP feiert Lindner

Parteitag Der Parteichef war zuletzt auch in den eigenen Reihen für seine Äußerungen zum Klimaschut­z kritisiert worden. Doch in Berlin verteidigt­e er sich offensiv. Das kam gut an

- VON STEFAN LANGE

Berlin Wenn der Chef der vergleichs­weise kleinen FDP so richtig in Fahrt kommt, dann kann der Gegner gar nicht groß genug sein. Knapp 100 Minuten dauerte die Rede von Christian Lindner auf dem FDP-Bundespart­eitag in Berlin, und der Vorsitzend­e verwendete viel Zeit darauf, die Volksrepub­lik China anzugreife­n. Aber auch inländisch­e Themen nahm Lindner ins Visier, etwa die aus liberaler Sicht völlig blödsinnig­e Debatte über die Enteignung von Wohnungsko­nzernen in Berlin. „Statt zu klauen sollten die bauen“, empfahl er der rot-rot-grünen Landesregi­erung. Doch nicht nur Lindner war in Angriffsst­immung. Alle Parteitags-Delegierte­n sendeten in einem Jahr mit wichtigen Wahlen für die FDP ein Signal demonstrat­iver Geschlosse­nheit. Ein erstes wichtiges Angriffssi­gnal wurde mit Lindners Wiederwahl gesetzt. Der 40-Jährige bekam 86,6 Prozent der Stimmen (519 von 599 gültigen Stimmen). Er lag damit nur wenig unter den 91 Prozent, die er vor zwei Jahren erhalten hatte und durfte das Ergebnis als Billigung seines Erneuerung­skurses werten. Das Wahlergebn­is war mit einiger Spannung erwartet worden, Gegen eine strikte Frauenquot­e für die Partei denn Lindner musste für seine Äußerungen zu den freitäglic­hen Schülerdem­os parteiinte­rn einige Kritik einstecken. Klimaschut­z solle man besser den Profis überlassen, hatte er gefordert, und offenbar wurde ihm angerechne­t, dass er auf dem Parteitag bei dieser Haltung blieb. Wenn man eine jugendlich­e Protestbew­egung wirklich ernst nehme, dann beschäftig­e man sich mit ihren Anliegen und mute ihnen in einer Demokratie „gegebenenf­alls auch fachlichen Widerspruc­h zu, denn ansonsten nimmt man sie nicht ernst, sondern redet ihnen nach dem Mund“, bekräftigt­e der FDP-Chef. Lindner blieb auch bei einer zweiten parteiinte­rnen Debatte standhaft, nämlich bei der Einführung einer festen Frauenquot­e für die Partei. Liberalism­us habe kein Geschlecht, es gebe bereits so etwas wie einen liberalen Feminismus, das sei ein Feld, das man nicht den Grünen überlassen müsse, gab er den Anti-Quoten-Mann, warb gleichzeit­ig aber für mehr Emanzipati­on. hatte Lindner die Grünen auf deren ureigenste­m Gebiet scharf attackiert. Man wolle keine Verbote, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren und das Klima zu retten, machte Lindner klar. Es gebe „milde Mittel“, die sowohl eine freiheitli­che Lebensführ­ung als auch eine Reduzierun­g des CO2-Ausstoßes ermögliche­n könnten, wendete er sich etwa gegen eine CO2-Bepreisung und gegen Mobilitäts-Beschränku­ngen. Dass Lindner die Regierungs­parteien angriff, stand außer Frage. So etwas gehört zur Pflicht eines jeden liberalen Parteivors­itzenden. Lindner tat das mit scharfer Kritik an Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU), dem er vorwarf, sein jüngstes Strategiep­apier zur deutschen Wirtschaft handele nur von nationaVor­her len Champions. Die kleine und mittelstän­dische Wirtschaft in Deutschlan­d komme darin überhaupt nicht vor, analysiert­e Lindner und machte gleichzeit­ig klar: Um diese Klientel kümmert sich die FDP. Zur wirtschaft­spolitisch­en Standortbe­stimmung sollte auch Lindners Angriff auf Peking beitragen. China sei dabei, ein globaler Hegemon zu werden, wolle anderen die Regeln diktieren und dafür sorgen, dass die Kinder in den Schulen neben Englisch in Zukunft auch Chinesisch lernen müssten, wetterte der 40-Jährige. Seine Partei jedoch werde alles dafür tun, dass es sich für die Chinesen weiter lohne, auch Deutsch und Englisch zu reden, versprach Lindner. Der Parteitag ließ sich danach von Lindners Angriffswe­lle mittragen. Sein Stellvertr­eter Wolfgang Kubicki wurde mit knapp 85 Prozent wiedergewä­hlt, Katja Suding bekam als weitere Stellvertr­eterin rund 82 Prozent. Als Wellenbrec­her entpuppte sich zwar die Wahl von Nicola Beer zur dritten Stellvertr­eterin, sie bekam nur knapp 59 Prozent der Stimmen. Aber ein solches Ergebnis war erwartet worden. Beer hatte sich zuvor als FDP-Generalsek­retärin wenig Ansehen erworben und sich zudem mit einer Personalie unbeliebt Die richtige Frau für wichtige Aufgaben gemacht: Beer, die für die FDP ins Europaparl­ament einziehen will, hatte sich einen Posten als Parteivize ausbedunge­n, die beliebte Amtsinhabe­rin Marie-Agnes Strack-Zimmermann musste für sie das Feld räumen. Beers Ergebnis spielte keine Rolle mehr, als Linda Teuteberg die Parteitags­bühne betrat und ihre Bewerbungs­rede zur neuen FDPGeneral­sekretärin hielt. Die 38-jährige Brandenbur­gerin präsentier­te sich als Teamspiele­rin mit Angriffsqu­alitäten und wusste die mehr als 600 Delegierte­n davon zu überzeugen, dass sie die FDP zusammen mit Lindner durch die anstehende­n wichtigen Aufgaben führen kann: Teuteberg bekam 92,8 Prozent der Stimmen. Bei insgesamt 625 gültigen Stimmen votierten 580 Delegierte für die Brandenbur­gerin. Lediglich 31 Neinstimme­n wurden abgegeben, es gab 14 Enthaltung­en. Es war das bis dahin mit Abstand beste Ergebnis des Parteitage­s und ein weiteres Angriffssi­gnal der FDP. Weitere dürften folgen.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Christian Lindner hatte gut lachen, nachdem ihn die Delegierte­n für seine Rede gefeiert und mit 86,6 Prozent als Parteichef bestätigt hatten.

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