Mittelschwaebische Nachrichten

Antihaltun­g vor der EU-Wahl

Bertelsman­n-Studie sieht Populisten auf der Vormarsch

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Berlin Jeder zehnte wahlberech­tigte Europäer ist nach eigenen Angaben fest entschloss­en, bei der Europawahl für rechtspopu­listische oder rechtsextr­eme Parteien zu stimmen. Das ist das Ergebnis einer Untersuchu­ng im Auftrag der Bertelsman­nStiftung, die am Freitag in Berlin vorgestell­t wurde. Danach liegt der Anteil dieser Wähler bei 10,3 Prozent. Auf der anderen Seite gaben immerhin 6,2 Prozent der Befragten an, sicher linksextre­me oder linkspopul­istische Parteien zu wählen. Rund 52 Prozent erklärten dagegen, sie würden ihre Stimme niemals Parteien aus diesen Spektren geben. Zum Vergleich: Der Studie zufolge liegt der Anteil derjenigen, die in jedem Fall die Grünen wählen wollen, nur bei 4,4 Prozent. Für die Studie mit dem Titel „Europa hat die Wahl – Populistis­che Einstellun­gen und Wahlabsich­ten bei der Europawahl 2019“hatte das Meinungsfo­rschungsin­stitut YouGov im Januar 2019 insgesamt 23 725 Wahlberech­tigte aus zwölf Mitgliedst­aaten der EU interviewt. „Die populistis­chen Parteien haben es in relativ kurzer Zeit geschafft, sich eine stabile Stammwähle­rbasis zu schaffen. Ihre gleichzeit­ig hohen Ablehnungs­werte zeigen aber auch, wie gefährlich es für andere Parteien wäre, die populistis­chen Parteien nachzuahme­n“, sagte Mitautor Robert Vehrkamp über das Ergebnis. Insgesamt wird die Wahlentsch­eidung nach der Untersuchu­ng bei der Mehrheit der Bürger von einer Anti-Haltung gegenüber Parteien geprägt – sie wollen vor allem gegen statt für einzelne Parteien stimmen. „Viele Bürger entscheide­n sich nicht mehr für eine Partei, sondern wählen gegen solche Parteien, die sie am stärksten ablehnen“, sagte der Experte der Stiftung. Der Studie zufolge würden 50,7 Prozent der Befragten nie liberale Parteien wählen, 47,8 Prozent nie christdemo­kratische oder konservati­ve Parteien und 47 Prozent nie die Grünen. 42 Prozent sprechen sich generell gegen sozialdemo­kratische und sozialisti­sche Parteien aus. Mit einem Experiment haben die Autoren nach den Gründen dafür gesucht, warum Wähler für populistis­che Botschafte­n empfänglic­h sind. Das Ergebnis: Menschen, die das Gefühl haben, von den Parteien bei ihren Einstellun­gen und Meinungen nicht mehr vertreten zu werden, neigen eher zu Populismus. Dazu haben die Forscher bei der Befragung zuerst die Einstellun­g zu verschiede­nen europapoli­tischen Themen abgefragt. Dann wurden den Interviewt­en zufällig ausgewählt­e, unterschie­dliche Parteiprog­ramme gezeigt. Wähler, die sich jetzt in ihrer eigenen Position von den Parteien ihres Landes im Europawahl­kampf schlecht vertreten fühlten, vertraten anschließe­nd populistis­che Positionen – obwohl sie es zuvor nicht getan hatten. Die Autoren sind daher überzeugt: Repräsenta­tionslücke­n verursache­n Populismus. „Je schlechter sich Menschen von der Politik repräsenti­ert fühlen, desto empfänglic­her werden sie für populistis­che Botschafte­n und desto eher wählen sie auch populistis­che Parteien“, sagt Vehrkamp.

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Foto: dpa Könnte von der Protest-Stimmung profitiere­n: der niederländ­ische Rechtspopu­list Geert Wilders.

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