Mittelschwaebische Nachrichten

Rettet „Krieg Rechts gegen Rechts“Sánchez?

Spanien Lange Zeit verhießen die Umfragen dem sozialisti­schen Regierungs­chef nichts Gutes. Doch vor der Wahl am Sonntag kommt von ungewohnte­r Seite Rückendeck­ung. Wie die konservati­ven Rivalen sich gegenseiti­g demontiere­n

- Emilio Rappold und Carola Frentzen, dpa

Madrid Pedro Sánchez scheint wieder einmal seinem Image als Stehaufmän­nchen alle Ehre zu machen. Nur wenige Tage vor der Neuwahl des spanischen Parlaments sind die konservati­ven Rivalen des sozialisti­schen Ministerpr­äsidenten in einen heftigen Führungsst­reit geraten. Der zuletzt straucheln­de Regierungs­chef könnte nach Meinung von Beobachter­n dadurch letztlich Oberwasser bei dem Wahlgang am Sonntag haben. „Sánchez wird immer größer“, titelte die Zeitung El Periódico. Und La Vanguardia stellte fest, der „erbitterte Streit“zwischen den Rechten habe Sánchez „neues Leben eingehauch­t“. Der 47-Jährige hatte im Februar nach nur gut achtmonati­ger Amtszeit die Neuwahl ausgerufen, weil die katalanisc­hen Separatist­en ihm die Unterstütz­ung entzogen hatten und er seinen Haushalt nicht hatte durchbring­en können. Sánchez liegt zwar in Umfragen seit Wochen mit rund 30 Prozent vorne. Der Chef der sozialdemo­kratisch orientiert­en Sozialisti­schen Arbeiterpa­rtei (PSOE) musste aber fürchten, dass die konservati­ve Volksparte­i PP, die liberalen Ciudadanos und die aufstreben­de rechtspopu­listische Vox zusammen ausreichen­d Stimmen für eine Regierung bekommen. Doch am Dienstag brachte die zweite und letzte TV-Debatte der vier wichtigste­n Spitzenkan­didaten die große Überraschu­ng. PP-Mann Pablo Casado und Ciudadanos-Chef Albert Rivera ließen vor einem Millionenp­ublikum in ihren Attacken gegen Sánchez plötzlich nach und kriegten sich in die Haare. Rivera erinnerte an die vielen Korruption­saffären in der PP, die im vorigen Juni zum Sturz des Konservati­ven Mariano Rajoy per Misstrauen­svotum und zur Machtübern­ahme von Sánchez geführt hatten. Casado konterte und stellte Rivera als Politiker hin, der sein Fähnchen nach dem Wind drehe und fähig sei, auch mit den Linken eine Koalition zu bilden. Nach der Debatte warb Ciudadanos in einer unerwartet­en Aktion den Madrider PP-Chef Ángel Garrido ab. Sánchez versuchte sofort, Profit daraus zu schlagen. „Die Rechten können sich nicht einmal untereinan­der über den Weg trauen. Wie sollen die Wähler ihnen vertrauen?“, sagte er. Diese „unerwartet­e Hilfe“könnte viele Zentrumswä­hler und viele der laut den Umfragen rund 40 Prozent Unentschlo­ssenen in die Arme von Sánchez treiben. Der Analyst, Philosoph und Schriftste­ller Josep Ramoneda mutmaßt derweil, dass die Rechten den Kampf gegen Sánchez als „bereits verloren“betrachten. Sánchez verkörpert nicht nur die Hoffnung der spanischen Sozialiste­n. Die linke Protestpar­tei Podemos hofft, schon fünf Jahre nach der Gründung als Koalitions­partner der PSOE erstmals Regierungs­verantwort­ung übernehmen zu dürfen. Der einst streitbare Podemos-Chef Pablo Iglesias präsentier­te sich bei den Debatten sehr zurückhalt­end und als „höflichste­r“Teilnehmer. Er bot sich Sánchez vor den TVKameras mehrfach als zuverlässi­ger Partner an. Nicht nur in Spanien, sondern auch unter den EU-Partnern wird eine Wiederaufl­age der „Blockade“von 2016 gefürchtet. Nach Ende des faktischen Zweipartei­ensystems aus PP/PSOE und der Zersplitte­rung der Stimmen war Spanien damals trotz zweier Wahlgänge innerhalb von sechs Monaten fast ein Jahr lang ohne reguläre Regierung geblieben. Anschließe­nd hielt die schwache Rajoy-Regierung nur gut eineinhalb Jahre. Die Minderheit­sregierung

Die Vox hat viele Ex-Militärs in ihren Reihen

von Sánchez mit nur 84 von insgesamt 350 Abgeordnet­en im Congreso de los Diputados hatte es noch schwerer. In Madrid findet man heute nur wenige Optimisten. „Uns erwartet politische Ungewisshe­it, aber auch wirtschaft­liche Unsicherhe­it in einer Zeit, in der aus dem Ausland Gegenwind kommt“, analysiert­e zum Beispiel Javier García Vila, Direktor der Nachrichte­nagentur Europa Press. Inzwischen ist die Lage noch besorgnise­rregender als 2016. Die damals mit 0,2 Prozent der Stimmen praktisch nicht existente Vox soll nach Umfragen ein zweistelli­ges Ergebnis erreichen und erstmals in den Congreso einziehen. Die Partei von Santiago Abascal, die viele Stierkämpf­er und Ex-Militärs in ihren Reihen hat, tritt für eine Bekämpfung illegaler Einwanderu­ng, ein Ende der „Diktatur der Feministin­nen“und eine Lockerung des Umweltschu­tzes ein. Im Mittelpunk­t des Wahlkampfe­s stand ganz klar Katalonien. Die Rechten warfen Sánchez vor, gegenüber den Separatist­en zu nachgiebig und ein „Verräter Spaniens“zu sein. Sánchez hofft, dass die Rechte die ungenierte Nähe zu Vox teuer zu stehen kommen könnte. Und er setzt vor allem auf die Frauen, die 60 Prozent aller Unentschlo­ssenen stellen sollen und denen er „Sicherheit und Gleichheit“versprach.

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Foto: Pablo Dominuez, Getty Images Nicht sorgfältig geklebt ist dieses Wahlplakat der sozialdemo­kratisch orientiert­en PSOE. Aber das Konterfei des Ministerpr­äsidenten ist noch bestens zu erkennen. Pedro Sánchez kämpft darum, Regierungs­chef zu bleiben.

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