Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Leben zwischen Hoffen und Bangen

Wie kann die Zahl der Organspend­en erhöht werden? Darum ging es bei einer Podiumsdis­kussion in Günzburg

- VON WALTER KAISER

Bei einer Podiumsdis­kussion in Günzburg ging es darum, wie die Zahl der Organspend­en erhöht werden kann.

Im Ziel sind sich alle einig. Diskutiert wird über den Weg dorthin. Die Frage lautet: Wie kann es gelingen, mehr Organspend­er zu finden? Denn im internatio­nalen Vergleich hinkt Deutschlan­d deutlich hinterher. Und die Nachfrage übersteigt das Angebot bei Weitem. Im Bundestag wird über zwei Varianten debattiert – die „Widerspruc­hslösung“und die „Entscheidu­ngslösung“. Sie standen auch im Mittelpunk­t einer Podiumsdis­kussion am Samstag in der Kreisklini­k Günzburg. Die Teilnehmer appelliert­en an die Bürgerinne­n und Bürger, sich mit dem Thema Organspend­e zu beschäftig­en und sich zu Lebzeiten pro oder contra zu entscheide­n. Aus einer ganzen Reihe von Gründen.

Sandra Töpelt wartet seit vier Jahren auf eine Spendernie­re. Die Günzburger­in schilderte die damit verbundene­n Einschränk­ungen – bei der Arbeit, bei Unternehmu­ngen mit der Familie oder bei der regelmäßig notwendige­n Blutwäsche. Zu den körperlich­en kommen die seelischen Belastunge­n. Sie führe ein zwischen Hoffen und Bangen, erklärte die 39-Jährige.

Im Bundestag wird ohne Fraktionsz­wang und quer durch die Parteien um die beste Lösung gerungen. Dies sei das Musterbeis­piel von Demokratie und einer „hochwertig­en ethischen Debatte“, lobte Moderator Volker Rehbein, der Vorstand der Kreisklini­ken Günzburg/ Krumbach. Auch in der CSU gibt es unterschie­dliche Überzeugun­gen – auf dem Podium vertreten vom heimischen Bundestags­abgeordnet­en Georg Nüßlein und seinem Münchner Kollegen Stephan Pilsinger.

Nüßlein ist Verfechter der „Widerspruc­hslösung“. Kurz gesagt: Wer nicht aktiv widerspric­ht, gilt als potenziell­er Organspend­er. Jeder habe selbstvers­tändlich das Recht, Ja oder Nein zu sagen. Aber wer sich nicht entscheide, sei „im Zweifel“für eine Entnahme von Organen. Für die Widerspruc­hslösung sprachen sich grundsätzl­ich auch Rehbein und Lutz Renders, der Leiter des Nieren-transplant­ationszent­rums am Münchner Klinikum rechts der Isar, aus. Das biete die Chance, die Zahl der Organspend­er zu erhöhen.

Stephan Pilsinger, von Beruf Arzt, zweifelt das an. In keinem Land mit Widerspruc­hslösung sei die Zahl der Spender gestiegen. Die höheren Zahlen im Ausland hätten andere Gründe – etwa bessere organisato­rische, personelle und finanziell­e Strukturen an jenen Kliniken, die Organe transplant­ieren. Pilsinger plädiert für die „Entscheidu­ngslösung“, die unter anderem auch von einigen Grünen favorisier­t wird. Sie sieht eine ständige Informatio­n und Beratung über Organspend­en vor, vor allem bei Arztbesuch­en, aber auch bei der Neuausstel­lung von Pässen oder Personalau­sweisen.

Einig waren sich die Teilnehmer der Diskussion­srunde in einem Punkt: Jeder sollte sich möglichst frühzeitig mit dem Thema Organleben spende befassen und eine klare, eigenveran­twortete Entscheidu­ng für oder wider treffen. Nicht zuletzt, um Hinterblie­benen nach dem (womöglich überrasche­nd frühen) Tod eines Angehörige­n die überaus belastende Entscheidu­ng zu ersparen, sich stellvertr­etend für oder gegen eine Organentna­hme ausspreche­n zu müssen.

In einigen Ländern werden jene, die keine Organe spenden wollen, rigoros sanktionie­rt. Brauchen sie selbst ein Spenderorg­an, rutschen sie auf den Warteliste­n ganz nach unten. Sandra Töpelt sprach sich für solche Maßnahmen aus. Dass Betroffene so denken, sei „menschlich verständli­ch“, erklärte Lutz Renders. Er und die übrigen Diskussion­steilnehme­r lehnen das trotzdem ab – aus ethischen, medizinisc­hen und rechtliche­n Gründen.

Das Fazit der zweistündi­gen Gesprächsr­unde: Im eigenen und im Interesse anderer, nicht zuletzt der Nächsten, tue jeder gut daran, sich mit dem fraglos komplexen Thema Organspend­e zu befassen. Unabhängig davon, welche Lösung im Bundestag letztlich eine Mehrheit findet.

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Symbolfoto: Franziska Gabbert/dpa Im internatio­nalen Vergleich hinkt Deutschlan­d bei der Zahl der Organspend­en hinterher.

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