Mittelschwaebische Nachrichten
Ein Leben zwischen Hoffen und Bangen
Wie kann die Zahl der Organspenden erhöht werden? Darum ging es bei einer Podiumsdiskussion in Günzburg
Bei einer Podiumsdiskussion in Günzburg ging es darum, wie die Zahl der Organspenden erhöht werden kann.
Im Ziel sind sich alle einig. Diskutiert wird über den Weg dorthin. Die Frage lautet: Wie kann es gelingen, mehr Organspender zu finden? Denn im internationalen Vergleich hinkt Deutschland deutlich hinterher. Und die Nachfrage übersteigt das Angebot bei Weitem. Im Bundestag wird über zwei Varianten debattiert – die „Widerspruchslösung“und die „Entscheidungslösung“. Sie standen auch im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion am Samstag in der Kreisklinik Günzburg. Die Teilnehmer appellierten an die Bürgerinnen und Bürger, sich mit dem Thema Organspende zu beschäftigen und sich zu Lebzeiten pro oder contra zu entscheiden. Aus einer ganzen Reihe von Gründen.
Sandra Töpelt wartet seit vier Jahren auf eine Spenderniere. Die Günzburgerin schilderte die damit verbundenen Einschränkungen – bei der Arbeit, bei Unternehmungen mit der Familie oder bei der regelmäßig notwendigen Blutwäsche. Zu den körperlichen kommen die seelischen Belastungen. Sie führe ein zwischen Hoffen und Bangen, erklärte die 39-Jährige.
Im Bundestag wird ohne Fraktionszwang und quer durch die Parteien um die beste Lösung gerungen. Dies sei das Musterbeispiel von Demokratie und einer „hochwertigen ethischen Debatte“, lobte Moderator Volker Rehbein, der Vorstand der Kreiskliniken Günzburg/ Krumbach. Auch in der CSU gibt es unterschiedliche Überzeugungen – auf dem Podium vertreten vom heimischen Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein und seinem Münchner Kollegen Stephan Pilsinger.
Nüßlein ist Verfechter der „Widerspruchslösung“. Kurz gesagt: Wer nicht aktiv widerspricht, gilt als potenzieller Organspender. Jeder habe selbstverständlich das Recht, Ja oder Nein zu sagen. Aber wer sich nicht entscheide, sei „im Zweifel“für eine Entnahme von Organen. Für die Widerspruchslösung sprachen sich grundsätzlich auch Rehbein und Lutz Renders, der Leiter des Nieren-transplantationszentrums am Münchner Klinikum rechts der Isar, aus. Das biete die Chance, die Zahl der Organspender zu erhöhen.
Stephan Pilsinger, von Beruf Arzt, zweifelt das an. In keinem Land mit Widerspruchslösung sei die Zahl der Spender gestiegen. Die höheren Zahlen im Ausland hätten andere Gründe – etwa bessere organisatorische, personelle und finanzielle Strukturen an jenen Kliniken, die Organe transplantieren. Pilsinger plädiert für die „Entscheidungslösung“, die unter anderem auch von einigen Grünen favorisiert wird. Sie sieht eine ständige Information und Beratung über Organspenden vor, vor allem bei Arztbesuchen, aber auch bei der Neuausstellung von Pässen oder Personalausweisen.
Einig waren sich die Teilnehmer der Diskussionsrunde in einem Punkt: Jeder sollte sich möglichst frühzeitig mit dem Thema Organleben spende befassen und eine klare, eigenverantwortete Entscheidung für oder wider treffen. Nicht zuletzt, um Hinterbliebenen nach dem (womöglich überraschend frühen) Tod eines Angehörigen die überaus belastende Entscheidung zu ersparen, sich stellvertretend für oder gegen eine Organentnahme aussprechen zu müssen.
In einigen Ländern werden jene, die keine Organe spenden wollen, rigoros sanktioniert. Brauchen sie selbst ein Spenderorgan, rutschen sie auf den Wartelisten ganz nach unten. Sandra Töpelt sprach sich für solche Maßnahmen aus. Dass Betroffene so denken, sei „menschlich verständlich“, erklärte Lutz Renders. Er und die übrigen Diskussionsteilnehmer lehnen das trotzdem ab – aus ethischen, medizinischen und rechtlichen Gründen.
Das Fazit der zweistündigen Gesprächsrunde: Im eigenen und im Interesse anderer, nicht zuletzt der Nächsten, tue jeder gut daran, sich mit dem fraglos komplexen Thema Organspende zu befassen. Unabhängig davon, welche Lösung im Bundestag letztlich eine Mehrheit findet.