Mittelschwaebische Nachrichten

In Harthausen leben entfernte Verwandte der Queen

Dorfserie (9) Harthausen wird vom Schloss geprägt. Der Ort hat aber noch viel mehr zu bieten. Und auf dem Rentnerbän­kle wird auch nicht nur über den großen und kleinen Adel geratscht

- Von Lea Binzer (Text) und Bernhard Weizenegge­r (Fotos)

Wer von Nornheim nach Remshart fährt, kommt unweigerli­ch durch Harthausen. Der Ort hat knapp 340 Einwohner, eine Hauptortsd­urchfahrt, bestehend aus der Schloßstra­ße und in ihrer Verlängeru­ng der Störchenri­edstraße, und gehört seit 1970 zur Gemeinde Rettenbach. Und dann hat Harthausen auch noch ein Rentnerbän­kle.

Ein Rentnerbän­kle? Besagtes befindet sich an der Störchenri­edstraße etwa in der Dorfmitte unter einem großen, alten Walnussbau­m. Wobei von einem Bänkle eigentlich kaum die Rede sein kann: Drei massive Holzbänke und ein großer Tisch sind es. Wer an einem Dienstagod­er Donnerstag­abend bei schönem Wetter vorbeifähr­t, sieht dort sehr wahrschein­lich eine größere Gruppe Rentner gemütlich beisammen sitzen, die ratscht, Karten spielt und Leberkässe­mmeln isst.

Die Idee zum Rentnerbän­kle hatte Ernst Eberhard: „Ich war Metzger in Wasserburg. Als ich dann in Rente war, wurde es mir langweilig.“Zusammen mit Josef Bucher und Peter Weiner wurde die Überlegung dann zu einer fixen Idee. Die drei und ein paar Freunde haben die Garnitur zusammenge­zimmert. Seit fünf Jahren steht das Bänkle und kommt gut an – bis über die Ortsgrenze­n hinaus. Und was ist im Winter? Grundstück­seigentüme­rin Roswitha Fink stellte Räumlichke­iten direkt daneben zur Verfügung, die die Senioren renovierte­n. Ihnen ist aber wichtig, dass jeder kommen kann, ob Jung oder Alt. „Das sind dann auch schon mal 35 Personen“, sagt Ernst Eberhard.

Einer, der auch ab und zu vorbeischa­ut, ist Freiherr Alexander von Riedheim. Er ist nicht nur Zweiter Bürgermeis­ter der Gemeinde Rettenbach, sondern auch Besitzer von Schloss Harthausen mit seiner Rokoko-Fassade – ein imposantes Gebäude. Seit 1568 ist es, an der Schloßstra­ße gelegen, im Besitz der Familie, die heute noch im Gebäude lebt, zumindest in den Räumen, die beheizbar sind.

Für die Öffentlich­keit ist das Schloss nicht zugänglich. Einzige Ausnahme war neben privaten Führungen bis vor ein paar Jahren die Schlosskap­elle im Erdgeschos­s: „Einmal im Jahr wurde hier ein Gottesdien­st gehalten“, erklärt der Baron, wie die Harthauser Alexander von Riedheim nennen. Doch es seien immer weniger Leute gekommen, sodass damit Schluss war. Eigentlich schade, denn das Schloss hat musealen Charakter und eine bewegte Geschichte. So war dort in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs die Kreisleitu­ng untergebra­cht, anschließe­nd besetzten es die Amerikaner. Von Riedheims Großmutter, eine Engländeri­n, schaffte es damals, das Schloss unter Denkmalsch­utz stellen zu lassen.

Doch der Erhalt ist eine Lebensaufg­abe. Der Baron und seine Frau Monika versuchen, den Aufwand so gering wie möglich zu halten. Denn der Agraringen­ieur hat schon genug Arbeit: Er bewirtscha­ftet Äcker und ein Waldgebiet um Harthausen. Immerhin: Von seinen vier Kindern habe der älteste Sohn Interesse, das Schloss und somit das Familiener­be zu übernehmen.

Dass die von Riedheims nicht nur mit den von Stauffenbe­rgs, sondern auch entfernt über die Großmutter mütterlich­erseits von Königin Victoria von England mit dem britischen Königshaus verwandt sind, weiß Karl Mayer, Leiter des Heimatmuse­ums in Rettenbach und regelmäßig­er Rentnerbän­kle-Geher. Er betreibt im ganzen Landkreis Ahnenforsc­hung und hat schon über 6000 Personen zusammen.

Und auch sonst ist und war in Harthausen schon immer was los, sagt Brigitte Hoffmann, seit etwa 25 Jahren Mesnerin der Kapelle St. Alexander und ebenfalls Rentnerbän­kle-Mitglied. Die Kapelle steht auf dem Alexanderb­erg, nahe des Weihers, der sich vor dem Schloss befindet. Allerdings nicht nur Positives: Denn in den 70er Jahren wurden in der Kapelle die Figuren der Maria und des Johannes gestohlen. „Sie tauchten nie wieder auf und mussten nachgeschn­itzt werden“, sagt Hoffmann. Nur drei Gottesdien­ste gibt es hier im Jahr, ansonses ten ein paar Taufen und auch Familienfe­iern.

Die Ursprünge von St. Alexander gehen bis in die Römerzeit zurück, wie bei Renovierun­gsarbeiten in den 70er Jahren freigelegt­e Steinfunde bezeugen. Harthausen hingegen wird im 12. Jahrhunder­t zum ersten Mal erwähnt: in einer Schenkung von Adalgoz von Schwabeck. Eine Erklärung zum Ortsnamen hat Alexander von Riedheim: „Hart steht für Wald oder Gehölz. Mit Hausen ist eine Behausung gemeint. Somit handelt es sich bei Harthausen um eine Behausung im Wald.“

Neben St. Alexander befindet sich der 1803 gebaute Sommerkell­er. Dorthin wurde die Schlossbra­uerei 1912 verlegt, nachdem das ursprüngli­che Gebäude am ehemaligen Standort vor dem Schloss abgebrannt ist. Die Brauerei gibt es nicht mehr. Von 1990 bis 2000 war dort eine Siebdrucke­rei untergebra­cht, erzählt von Riedheim. Seitdem wird der Sommerkell­er unter anderem als Proberaum der Band Reset-Die Vollxrocke­r und vom Fanfarenzu­g des Carnevalsc­lubs Harthausen genutzt. Der mit 82 Jahren älteste gebürtige Harthauser, Georg Hiller, ebenfalls Rentnerbän­kle-Gänger, erzählt, dass um 1946 ein Töpfer die Räume nutzte. „Der hatte aber kein glückliche­s Händchen. Da hat viel geschepper­t. Wenn ihm was misslungen ist, hat er es den Berg runtergewo­rfen.“

Unterhalb der Kapelle St. Alexander am Kellerberg neben dem Kriegerden­kmal lädt eine neue, halbrunde Holzbank zum Verweilen ein. Von hier haben Radler oder Spaziergän­ger einen wunderschö­nen Blick auf den Weiher vor dem Schloss und das imposante Gebäude selbst. Die Bank haben die Rentnerbän­kle-Geher zu ihrem fünfjährig­en Bestehen am 30. Mai gespendet.

Wilhelm Nusser ist zwar nicht der älteste gebürtige Harthauser, aber mit 89 Jahren der älteste männliche Bewohner des Orts. Und wie es der Zufall will, ist seine Urenkelin Katharina Klaußer die jüngste Harthauser­in, die erst wenige Wochen alt ist. Trotz seines hohen Alters wohnt Nusser immer noch alleine. Doch seine zwei Töchter und Enkelinnen wohnen gleich daneben – vier Generation­en, aufgeteilt auf die Schloßstra­ße 3 bis 9. Nusser kam vor über 60 Jahren nach Harthausen, der Liebe wegen. Was sich im Dorf am meisten verändert hat? „Die Zahl der Bauernhöfe ist stark zurückgega­ngen,“sagt der gebürtige Leinheimer, der selbst in einen Bauernhof hineinheir­atete.

Neben dem Rentnerbän­kle gibt noch eine weitere Besonderhe­it in Harthausen: Fast jeder Dorfbewohn­er ist in einem der zahlreiche­n Vereine Mitglied. Da gibt es neben dem Carnevalsc­lub etwa den Veteranenv­erein, der dieses Jahr sein 100-jähriges Bestehen feierte, die Schützenge­sellschaft und die Freiwillig­e Feuerwehr, die seit 140 Jahren existiert – um nur ein paar zu nennen. Das neue Feuerwehra­uto ist der ganze Stolz von Kommandant Thomas Eberhard. Es ersetzte das alte von 1974.

Und dann gibt es auch noch das Containert­eam. Dabei handelt es sich aber nicht um einen Betrieb für Abfallents­orgung, sondern um eine Jugendgrup­pe, die sich in einem sanierten Baucontain­er etwas außerhalb des Dorfs trifft, wie Valentin Eberhard erklärt. Er ist einer von zwei Organisato­ren des Teams, das seit 2015 existiert. Wichtigste Aufgaben der 32-köpfigen Mannschaft: einmal im Jahr das Dorffest in Harthausen organisier­en und einen Faschingsw­agen für die Umzüge in der Umgebung bauen.

An was es in Harthausen allerdings mangelt, ist ein Wirtshaus. Bis 2007 gab es noch die Schloßsche­nke. Laut Alexander von Riedheim ist dort zwar wieder etwas im Kommen, aber keine Gaststätte. Schade, vielleicht wäre die Queen dorthin einmal zum Teetrinken zu ihrer entfernten Verwandtsc­haft gekommen. Zum Glück gäbe es für den (eher unwahrsche­inlichen) royalen Besuch Schloss Harthausen als Ausweichmö­glichkeit.

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 ?? Foto: Lea Binzer ?? Seit fünf Jahren gibt es das Rentnerbän­kle an der Störchenri­edstraße. Die Senioren treffen sich jeden Dienstag- und Donnerstag­abend zum Ratschen.
Foto: Lea Binzer Seit fünf Jahren gibt es das Rentnerbän­kle an der Störchenri­edstraße. Die Senioren treffen sich jeden Dienstag- und Donnerstag­abend zum Ratschen.
 ??  ?? Ältester Harthauser ist der 89-jährige Wilhelm Nusser, hier mit Urenkelin Katharina Klaußer auf dem Arm. In der Mitte Enkelin Bettina Klaußer und Tochter Evi Ruder.
Ältester Harthauser ist der 89-jährige Wilhelm Nusser, hier mit Urenkelin Katharina Klaußer auf dem Arm. In der Mitte Enkelin Bettina Klaußer und Tochter Evi Ruder.
 ??  ?? Freiherr Alexander von Riedheim erzählt, dass es in der Schlosskap­elle bis vor ein paar Jahren noch öffentlich­e Gottesdien­ste gegeben hat.
Freiherr Alexander von Riedheim erzählt, dass es in der Schlosskap­elle bis vor ein paar Jahren noch öffentlich­e Gottesdien­ste gegeben hat.
 ??  ?? Im Sommerkell­er war schon einiges untergebra­cht: Schlossbra­uerei, Töpferei und Siebdrucke­rei. Seit 2000 wird er von Vereinen als Proberaum genutzt.
Im Sommerkell­er war schon einiges untergebra­cht: Schlossbra­uerei, Töpferei und Siebdrucke­rei. Seit 2000 wird er von Vereinen als Proberaum genutzt.
 ??  ?? Thomas Eberhard, Kommandant der Freiwillig­en Feuerwehr Harthausen, ist stolz auf das neue Feuerwehra­uto, das vergangene­s Jahr eingeweiht wurde.
Thomas Eberhard, Kommandant der Freiwillig­en Feuerwehr Harthausen, ist stolz auf das neue Feuerwehra­uto, das vergangene­s Jahr eingeweiht wurde.
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 ??  ?? Mesnerin Bettina Hoffmann kümmert sich um die Kapelle St. Alexander.
Mesnerin Bettina Hoffmann kümmert sich um die Kapelle St. Alexander.

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