Mittelschwaebische Nachrichten

Das heimische Stromnetz trägt seine Handschrif­t

Wechsel Warum Roland Rickmann beim Krumbacher Überlandwe­rk eine Institutio­n war. Und wie die Herausford­erungen gewachsen sind

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Krumbach Er ist eine „Institutio­n“im Krumbacher Überlandwe­rk (ÜWK). Roland Rickmann verabschie­det sich nach 28 Jahren in den Ruhestand. Das ÜWK ist bis heute ein Allrounder, der alle stromrelev­anten Bereiche abdeckt.

Als Netzbetrei­ber sorgt die ÜWK in einer Region von Naichen im Norden bis Babenhause­n im Süden, von Breitentha­l im Westen bis Edenhausen im Osten dafür, dass alle Haushalte und Unternehme­n an ein funktionie­rendes Stromnetz angeschlos­sen sind. Mit dem eigenen Wasserkraf­twerk ist es auch Stromerzeu­ger. Darüber hinaus bietet das ÜWK alle Dienstleis­tungen rund um die Anschlüsse und Installati­on von Geräten. Doch nichts von dem wäre nutzbar ohne Stromnetz.

Roland Rickmann hat sich von Beginn seiner Tätigkeit an auf das Netz konzentrie­rt. Zunächst als Netzmonteu­r, der im Freileitun­gsbau und bei allen Arbeiten am Netz sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat. Nachdem er 1999 seinen Meisterbri­ef erhalten hatte, wurde er stellvertr­etender Leiter der Abteilung Technik, die er fünf Jahre später übernahm.

Rickmann musste ein vielfältig­es Aufgabenge­biet beherrsche­n: Wesentlich ist das Erstellen einer Gesamtplan­ung, dabei darf aber nicht auf Vorrat geplant werden. Denn das ist nach dem Willen des Gesetzgebe­rs verboten, um eine allmählich­e Konzentrat­ion der Netzbetrei­ber auf einige wenige zu verhindern.

Das bedeutet für den Leiter der Abteilung Technik eine dauernde Gratwander­ung: Planung für den Ist-Bestand, auch wenn ein deutlich größerer Bedarf zu erwarten ist.

Rickmanns Arbeitssch­werpunkte in der Netzplanun­g haben sich in seinen zwölf Jahren als Abteilungs­leiter deutlich verschoben. „Früher haben wir ein Netz betrieben, in dem der Strom vom Erzeuger zum Kunden ging. Durch die Entwicklun­g der regenerati­ven Energien, insbesonde­re der Solarenerg­ie, deren Erzeugung zu einem großen Teil auf privaten Hausdächer­n erfolgt, hat sich das Bild in der Stromlands­chaft komplett verändert. Wir müssen heute Netze zur Verfügung stellen, die den Strom in beide Richtungen transporti­eren können.“

Immerhin speisen Solarenerg­ieerzeuger durchschni­ttlich 65,8 Millionen Kilowattst­unden (kWh) jährlich in das ÜWK-Netz ein. Das sind beinahe 60 Prozent der gesamten erneuerbar­en Energien – und es ist der Strom, der am wenigsten kalkulierb­ar ist. „Das Netz muss also so ausgelegt werden, dass es die maximale Leistung aufnehmen kann, andererfol­ger seits muss alles bereitgest­ellt sein, damit unsere Kunden auch ohne Solarstrom die volle Leistung abrufen können. Gleichzeit­ig müssen hohe Spannungss­chwankunge­n abgefedert werden können, die es früher so nicht gab.“

Um den Kunden und Stromliefe­ranten gerecht zu werden und die Kunden beim Netzausbau nicht zu tangieren, muss das moderne Stromnetz so konstruier­t werden, dass es relativ problemlos erweitert werden kann.

Rickmann: „Wir können am Netz unter Spannung arbeiten. Das wäre für Laien hoch gefährlich. Ich bin sehr froh, dass in der ganzen Zeit meiner Verantwort­lichkeit kein einziger Unfall passiert ist.“

Mit Hightech und Elektronik dauern notwendige Umschaltze­iten nur noch Millisekun­den, für den Kunden nicht spürbar. Die notwendige­n Investitio­ns- und Sanierungs­maßnahmen bekommt der Kunde so in der Regel gar nicht mehr mit.

Roland Rickmann hat die kontinuier­liche Modernisie­rung vorangetri­eben und kann so seinem NachJürgen Strohmeyr eine solide Arbeitsgru­ndlage übergeben.

Trotz modernster Technologi­e gibt es aber immer noch zwei Faktoren, die das System kurzfristi­g ins Chaos stürzen können: Höhere Gewalt und menschlich­es Versagen.

Blitzschla­g und Gewitterst­ürme, Eisregen und extremer Schneefall können Leitungen beschädige­n. „Wir haben alle Bereitscha­ft. Zu Beginn der Woche wird besprochen, wer im Notfall erreichbar ist. So müssen wir nicht die vergeblich anrufen, die gerade weit weg sind. Heute ist das ein Klick auf dem Smartphone. Früher war die Meldung komplizier­t. Ich hatte eine Firmenfest­netznummer zu Hause, die notfalls von meiner Frau betreut wurde. In den Fahrzeugen gab es Funkgeräte. Heute ist das unkomplizi­ert geworden. Der Erste vor Ort macht gleich ein Foto vom Schaden, sodass jeder weiß, was er zu tun hat, noch bevor er an der Schadensst­elle eintrifft.“

Neben dem Wetter sind es vor allem Bauarbeite­n, die das Netz in Mitleidens­chaft ziehen können. Der Bagger im Einsatz, der eine Erdleitung erwischt – das kann schnell passieren. „Vor gar nicht so langer Zeit stand ich deswegen sogar vor Gericht“, plaudert Roland Rickmann aus dem Nähkästche­n. „Nicht als Angeklagte­r, sondern als Zeuge.“ Es ging um die Folgen eines größeren Stromausfa­lls nach der Beschädigu­ng einer Stromleitu­ng beim Krumbacher Krankenhau­s. Damals kam es durch Überlastun­gen des Netzes aus Sicherheit­sgründen zu automatisc­hen Reihenabsc­haltungen.

Zwar dauerte der Stromausfa­ll nicht einmal eine Stunde, aber eine Privatpers­on klagte auf Schadenser­satz. Ihr Aquarium war wegen des Ausfalls der Pumpe übergelauf­en und hatte die Wohnung unter Wasser gesetzt. „Der Richter hatte ein Einsehen mit den Unwägbarke­iten der Technik und lehnte die Forderunge­n des Klägers ab. Der hätte für einen größeren Sicherheit­sbehälter sorgen müssen.“

Roland Rickmann kann viele solcher Geschichte­n erzählen. Von Frauen, die hoffen, ihr altes Bügeleisen ersetzt zu bekommen, weil es einen Stromausfa­ll gab, von nervigen Kunden, die zuhauf anrufen und nachfragen, wann denn der Strom wieder da sei, anstatt das Team bei der Reparatur nicht zu stören. Doch sein Alltag, so signalisie­rt er, war vor allem eine Mischung aus technische­n Entscheidu­ngen und Management – mit allen Vorgaben der Kostenstru­ktur, der Personalpl­anung, der stetigen Optimierun­g und der schnellen Entscheidu­ng im Schadensfa­ll.

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Foto: Gertrud Adlassnig Der Technische Leiter des Krumbacher ÜWK, Roland Rickmann (rechts), kann seinem Nachfolger Jürgen Strohmeyr ein bestelltes Feld überlassen.

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