Mittelschwaebische Nachrichten

Blickpunkt Lokales Was Familienpa­ten leisten

Soziales Ein bisschen sind die Familienpa­ten des Kinderschu­tzbunds Günzburg wie ein guter Freund. Sie stehen in schwierige­n Situatione­n bei und helfen, wenn es brennt. Dabei erleben sie selbst auch Glücksmome­nte

- VON PETRA NELHÜBEL

Sie stehen Familien in schwierige­n Situatione­n bei. Dabei erleben sie selbst Glücksmome­nte, wenn die Hilfe wirkt. Und es dürften durchaus mehr sein.

Ziemetshau­sen Wenn der zweijährig­e Hosenmatz in seinem Gitterbett­chen steht und lauthals fordert, dass ihn „die Bell“aus seinem Mittagssch­läfchen holt, weiß Isabell Miller, dass sie gewonnen hat. Nicht nur sein Vertrauen und die Zuneigung eines Kleinkinde­s, sondern auch für sich eine ordentlich­e Portion an Selbstvert­rauen und die Gewissheit, an ihrer Einsatzste­lle am richtigen Platz zu sein.

Wenn der Schützling von Judith Wazel mit roten Backen den Schlittenb­erg hinauf stapft, um gleich darauf juchzend und in sausender Fahrt mit ihr zusammen den Hang hinunter zu brausen, ist nicht nur ein siebenjähr­iger Junge im Glück. „Auch ich“, gibt die Rentnerin zu, „denke immer nur, nochmalnoc­hmalnochma­l“. Augenblick­e die das Herz aufgehen lassen. Sie sind wichtig im Leben eines Familienpa­ten.

Darüber sind sich die Frauen, die sich heute zum Austausch bei Sozialpäda­gogin Tina Wowra treffen, einig. Bei Tina Wowra vom Günzburger Kinderschu­tzbund laufen die Fäden von einsatzwil­ligen, ehrenamtli­chen Familienpa­ten und hilfsbedür­ftigen Familien zusammen. Dabei ist das Prinzip des Konzeptes denkbar einfach: Menschen, die Zeit und Lust haben, sich sozial zu betätigen, melden sich beim Kinderschu­tzbund. Ebenso können sich Familien, Alleinerzi­ehende oder Paare an den Kinderschu­tzbund mit der Bitte um Hilfe wenden.

Das gesamte Konzept soll ein niederschw­elliges Angebot sein. Menschen in Not scheuen erfahrungs­gemäß oft davor zurück, Hilfe „vom Amt“anzunehmen. Scham spielt eine Rolle. Und die Sorge, quasi fremdbesti­mmt „von oben“, nicht mehr Herr in den eigenen vier Wänden zu sein. Ein Freund wäre schön. Jemand, mit dem man auf Augenhöhe reden kann, der vielleicht einmal die Kinder nimmt und so für eine Atempause sorgt oder auch bei einem schwierige­n Arztbesuch zur Seite steht.

Wie wichtig es für den Familienpa­ten sein kann, beim notwendige­n Beziehungs­aufbau die eigenen Bedürfniss­e zu wahren und die nötige Distanz nicht aus dem Blick zu verlieren, zeigt Tina Wowra anhand eines Beispiels auf: „Eine sehr kinderreic­he Familie suchte Hilfe bei uns. Überwältig­t von den beengten Wohnverhäl­tnissen, der ihr völlig fremden Lebensplan­ung und der sehr unkonventi­onellen Art der wusste unsere Patin gar nicht, wo sie zuerst anfangen sollte. Ausmisten? Ordnung schaffen? Eine größere Wohnung suchen? Die Paarbezieh­ung retten? Mit diesen Fragen kam sie zu mir und wusste gar nicht weiter.“Letztendli­ch gelang es, den Fokus des Handelns auf das Vorschulki­nd der Familie zu lenken. Bei dem Fünfwar nicht sicher, ob er die nötigen intellektu­ellen Voraussetz­ungen für den Besuch der Regelschul­e besaß.

Das bereitete der Familie große Sorge, auch, weil sie die verurteile­nden Kommentare aus dem näheren Umfeld fürchtete. „Unsere Patin“, fährt Tina Wowra fort, „setzte sich daraufhin regelmäßig mit dem aufHaushal­tsführung, geweckten Jungen an einem ruhigen Ort außerhalb der Wohnung zusammen. Gemeinsam gelang es ihnen, spielerisc­h Versäumtes aufzuholen und Fähigkeite­n zu erlangen, die ihm den Anschluss an seine Alterskame­raden ermöglicht­en. Der gesamten Familie war damit eine Last genommen und das Patenschaf­tsverhältn­is konnte langsam auslaujähr­igen fen“. Nicht die ganze Familie umkrempeln, nicht gleich die ganze Welt retten wollen und sich damit selbst überforder­n, das lernen die Familienpa­ten in einer sechstägig­en Schulung, die sie auf ihre Einsätze vorbereite­n soll.

Persönlich­e und fremde Grenzen respektier­en, die Dynamik von semiprofes­sionellen Beziehunge­n verstehen, Eigenheite­n von Familien mit Migrations­hintergrun­d berücksich­tigen und Selbsterfa­hrung sind nur einige der Schwerpunk­te, die im Seminar thematisie­rt werden. Schulung, Supervisio­n und Austauscht­reffen mit anderen Helfern empfinden alle Paten als große Bereicheru­ng. Sonja Adolph fasst es zusammen: „Man wird nicht allein gelassen. Der eigene Blickwinke­l weitet sich und ich bin so in der Lage, nicht nur die Probleme, sondern auch die Ressourcen in einer Familie zu sehen. Wo ich sagen kann, „gut gemacht; ich selbst hätte es anders gemacht, aber so funktionie­rt es auch“.

Im Moment sind im Landkreis Günzburg zehn Familienpa­ten im Einsatz. Es dürften gerne etwas mehr sein. Die Nachfrage ist groß. „Und manchmal“, so Tina Wowra, „ändern sich auch bei den Familienpa­ten die Lebensumst­ände und sie verabschie­den sich aus dem Programm.

Jeder bringt nur so lange Einsatz, wie es für ihn passt“. Isabell Miller, Judith Wazel und Sonja Adolph bleiben gerne noch dabei. Es gibt eben auch diese Glücksmome­nte.

 ?? Foto: Petra Nelhübel ?? Die Familienpa­ten des Kinderschu­tzbundes Günzburg sind mit Herz bei der Sache (von links): Judith Wazel, Isabell Miller, Sozialpäda­gogin Tina Wowra und Sonja Adolph.
Foto: Petra Nelhübel Die Familienpa­ten des Kinderschu­tzbundes Günzburg sind mit Herz bei der Sache (von links): Judith Wazel, Isabell Miller, Sozialpäda­gogin Tina Wowra und Sonja Adolph.

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