Mittelschwaebische Nachrichten
Blickpunkt Lokales Was Familienpaten leisten
Soziales Ein bisschen sind die Familienpaten des Kinderschutzbunds Günzburg wie ein guter Freund. Sie stehen in schwierigen Situationen bei und helfen, wenn es brennt. Dabei erleben sie selbst auch Glücksmomente
Sie stehen Familien in schwierigen Situationen bei. Dabei erleben sie selbst Glücksmomente, wenn die Hilfe wirkt. Und es dürften durchaus mehr sein.
Ziemetshausen Wenn der zweijährige Hosenmatz in seinem Gitterbettchen steht und lauthals fordert, dass ihn „die Bell“aus seinem Mittagsschläfchen holt, weiß Isabell Miller, dass sie gewonnen hat. Nicht nur sein Vertrauen und die Zuneigung eines Kleinkindes, sondern auch für sich eine ordentliche Portion an Selbstvertrauen und die Gewissheit, an ihrer Einsatzstelle am richtigen Platz zu sein.
Wenn der Schützling von Judith Wazel mit roten Backen den Schlittenberg hinauf stapft, um gleich darauf juchzend und in sausender Fahrt mit ihr zusammen den Hang hinunter zu brausen, ist nicht nur ein siebenjähriger Junge im Glück. „Auch ich“, gibt die Rentnerin zu, „denke immer nur, nochmalnochmalnochmal“. Augenblicke die das Herz aufgehen lassen. Sie sind wichtig im Leben eines Familienpaten.
Darüber sind sich die Frauen, die sich heute zum Austausch bei Sozialpädagogin Tina Wowra treffen, einig. Bei Tina Wowra vom Günzburger Kinderschutzbund laufen die Fäden von einsatzwilligen, ehrenamtlichen Familienpaten und hilfsbedürftigen Familien zusammen. Dabei ist das Prinzip des Konzeptes denkbar einfach: Menschen, die Zeit und Lust haben, sich sozial zu betätigen, melden sich beim Kinderschutzbund. Ebenso können sich Familien, Alleinerziehende oder Paare an den Kinderschutzbund mit der Bitte um Hilfe wenden.
Das gesamte Konzept soll ein niederschwelliges Angebot sein. Menschen in Not scheuen erfahrungsgemäß oft davor zurück, Hilfe „vom Amt“anzunehmen. Scham spielt eine Rolle. Und die Sorge, quasi fremdbestimmt „von oben“, nicht mehr Herr in den eigenen vier Wänden zu sein. Ein Freund wäre schön. Jemand, mit dem man auf Augenhöhe reden kann, der vielleicht einmal die Kinder nimmt und so für eine Atempause sorgt oder auch bei einem schwierigen Arztbesuch zur Seite steht.
Wie wichtig es für den Familienpaten sein kann, beim notwendigen Beziehungsaufbau die eigenen Bedürfnisse zu wahren und die nötige Distanz nicht aus dem Blick zu verlieren, zeigt Tina Wowra anhand eines Beispiels auf: „Eine sehr kinderreiche Familie suchte Hilfe bei uns. Überwältigt von den beengten Wohnverhältnissen, der ihr völlig fremden Lebensplanung und der sehr unkonventionellen Art der wusste unsere Patin gar nicht, wo sie zuerst anfangen sollte. Ausmisten? Ordnung schaffen? Eine größere Wohnung suchen? Die Paarbeziehung retten? Mit diesen Fragen kam sie zu mir und wusste gar nicht weiter.“Letztendlich gelang es, den Fokus des Handelns auf das Vorschulkind der Familie zu lenken. Bei dem Fünfwar nicht sicher, ob er die nötigen intellektuellen Voraussetzungen für den Besuch der Regelschule besaß.
Das bereitete der Familie große Sorge, auch, weil sie die verurteilenden Kommentare aus dem näheren Umfeld fürchtete. „Unsere Patin“, fährt Tina Wowra fort, „setzte sich daraufhin regelmäßig mit dem aufHaushaltsführung, geweckten Jungen an einem ruhigen Ort außerhalb der Wohnung zusammen. Gemeinsam gelang es ihnen, spielerisch Versäumtes aufzuholen und Fähigkeiten zu erlangen, die ihm den Anschluss an seine Alterskameraden ermöglichten. Der gesamten Familie war damit eine Last genommen und das Patenschaftsverhältnis konnte langsam auslaujährigen fen“. Nicht die ganze Familie umkrempeln, nicht gleich die ganze Welt retten wollen und sich damit selbst überfordern, das lernen die Familienpaten in einer sechstägigen Schulung, die sie auf ihre Einsätze vorbereiten soll.
Persönliche und fremde Grenzen respektieren, die Dynamik von semiprofessionellen Beziehungen verstehen, Eigenheiten von Familien mit Migrationshintergrund berücksichtigen und Selbsterfahrung sind nur einige der Schwerpunkte, die im Seminar thematisiert werden. Schulung, Supervision und Austauschtreffen mit anderen Helfern empfinden alle Paten als große Bereicherung. Sonja Adolph fasst es zusammen: „Man wird nicht allein gelassen. Der eigene Blickwinkel weitet sich und ich bin so in der Lage, nicht nur die Probleme, sondern auch die Ressourcen in einer Familie zu sehen. Wo ich sagen kann, „gut gemacht; ich selbst hätte es anders gemacht, aber so funktioniert es auch“.
Im Moment sind im Landkreis Günzburg zehn Familienpaten im Einsatz. Es dürften gerne etwas mehr sein. Die Nachfrage ist groß. „Und manchmal“, so Tina Wowra, „ändern sich auch bei den Familienpaten die Lebensumstände und sie verabschieden sich aus dem Programm.
Jeder bringt nur so lange Einsatz, wie es für ihn passt“. Isabell Miller, Judith Wazel und Sonja Adolph bleiben gerne noch dabei. Es gibt eben auch diese Glücksmomente.