Mittelschwaebische Nachrichten
Deutschland droht ein Bußgeld von 850 700 Euro pro Tag
EU Im deutschen Trinkwasser ist zu viel Nitrat enthalten. Das stört die EU-Kommission schon lange. Deshalb wollten Umweltministerin Svenja Schulze und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner den zuständigen Kommissar mit einem Vorschlag besänftigen. Doch
Brüssel Die deutschen Pläne gegen zu hohe Nitratwerte im Trinkwasser reichen nicht. Bei einem Krisentreffen der beiden deutschen Ministerinnen Svenja Schulze (Umwelt) und Julia Klöckner (Landwirtschaft) forderte EU-Umweltkommissar Karmenu Vella konkrete Pläne, um das Trinkwasser sauberer zu halten. „Das ist uns sehr deutlich gemacht worden, wir müssen einen detaillierten Plan vorlegen“, sagte Schulze (SPD) nach dem Treffen. Vella ließ die Ministerinnen damit ein weiteres Mal abblitzen. „Die Qualität des Grundwassers in Deutschland gehört zu den schlechtesten in der EU“, sagte der Kommissar bereits vor der Sommerpause. An seiner Einstellung habe sich nichts geändert, hieß es in Brüssel. Damit steht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg weiter im Raum. Die würde Deutschland teuer zu stehen kommen: Es droht ein Bußgeld von mehr als 850700 Euro pro Tag.
Tatsächlich spitzte sich die Lage beim deutschen Grundwasser immer weiter zu. Nach Angaben des Umweltbundesamtes wird derzeit der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter an rund 30 Prozent aller Messstellen nicht eingehalten. Zwar hatte die Bundesregierung die alten Grenzwerte von 2014 nach ersten Rügen aus Brüssel vor zwei Jahren verschärft, doch das reichte der EU-Kommission nicht. Das Problem blieb: Nitrat ist zwar wichtig für Pflanzen, zu viel davon bringt die Natur aber aus dem Gleichgewicht. Außerdem kann Nitrat im Wasser zu gesundheitsgefährlichem Nitrit werden. Es ist technisch möglich, diese Stoffe aus dem Grundwasser herauszufiltern. Dafür müssten die Wasserwerke aber ihre Anlagen flächendeckend mit teurer Technik nachrüsten, was sich auf den Wasserpreis niederschlagen würde.
Hauptverursacher der Nitratbelastung ist die Landwirtschaft, die mit Gülle oder Mist die Felder düngt. Das machte das Thema zeitweise auch zum Konfliktstoff zwischen dem SPD-geführten Umweltund dem CDU-Agrarministerium. Die neuen Vorschläge aus Berlin sehen erweiterte Pflichten für Bauern vor, die Düngemenge exakt zu dokumentieren, die sie auf ihren Anbauflächen ausbringen. Es werden längere Sperrfristen eingeführt, in denen nicht gedüngt werden darf. Außerdem sind strengere Vorgaben für die Landwirtschaft an Hängen vorgesehen.
Vonseiten des Deutschen Bauernverbandes gab es schon massive Kritik. Verbandspräsident Joachim Rukwied warnte davor, dass die neuen Regelungen den Wasserschutz durchkreuzen könnten, wenn Pflanzen nicht mehr bedarfsgerecht ernährt werden. Er lehnt die Verschärfung ab. Schon die jetzigen Vorschriften hätten zu spürbaren Verbesserungen geführt – etwa weil die Zahl der Regionen mit hoher Tierdichte sinkt.
Unzufrieden äußerte sich auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), dessen Mitglieder die Bundesbürger zu 90 Prozent mit Wasser versorgen. Die neuen Beschränkungen seien wirkungslos, hieß es, wenn es nicht ein strenges und konsequentes Überwachungsund Kontrollsystem gebe.
Das fehlende Kontrollsystem war einer der Knackpunkte beim Gespräch in Brüssel, wurde am Abend betont.
In den vergangenen Monaten hatten sich mehrere Landesregierungen gewehrt, die entsprechenden Maßnahmen umzusetzen. Vor allem die Ausweisung besonders belasteter „roter Gebiete“stößt offenbar auf Widerstand. Der Grund: Dort will die Bundesregierung noch strengere Einschränkungen für die Landwirte durchsetzen, um die Wasserqualität zu sichern. Die Geduld der EU-Kommission, so hieß es aus den Delegationen, sei erkennbar „überstrapaziert“.