Mittelschwaebische Nachrichten
NRW-Polizei nennt die Herkunft von Tatverdächtigen
Medienethik In ganz NordrheinWestfalen dürfte die Polizei bald prinzipiell in ihren Meldungen die Herkunft eines mutmaßlichen Straftäters nennen, den Anfang macht die Polizei Düsseldorf. Bislang nannte sie lediglich Alter und Geschlecht. „Sich davon leiten zu lassen, dass jemand möglicherweise stigmatisiert wird, ist ein schlechter Ratgeber“, sagte CDU-Innenminister Herbert Reul dem WDR. Klüger sei es, für Transparenz zu sorgen.
Reul (unser Foto) reagiert mit der entsprechenden Überarbeitung eines Medienerlasses auf anhaltende Kritik an der Nichtnennung des jeweiligen Herkunftslandes. Zuletzt wurde diese Kritik nach einem Vorfall im Düsseldorfer Rheinbad laut, das Ende Juli geräumt werden musste, weil Jugendliche unter anderem die Rutsche blockiert hatten.
Der Vorfall wurde zum Politikum – etwa durch die Forderung des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesinnenministerium, Günter Krings von der CDU, die Aufenthaltsrechte der Randalierer zu überprüfen. Insbesondere von rechtsaußen wurde der Vorfall schnell instrumentalisiert („Terror“, „Kriegsschauplatz“) – dutzende Nordafrikaner sollen schließlich die Täter gewesen sein.
Nach Recherchen des ARD-Politmagazins „Monitor“blieb von der Geschichte übrig:
„zwei Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung und Bedrohung, gegen zwei Deutsche. Ein Zusammenhang – etwa zur deutschen Flüchtlingspolitik – ist nicht erkennbar“.
Die Polizei hatte in einer ersten Pressemitteilung bloß von einer „größeren Gruppe Jugendlicher“geschrieben. Für Kritiker ein klarer Fall: Hier sollte etwas verheimlicht werden. Es ist ein Vorwurf, den sich regelmäßig auch Medienvertreter gefallen lassen müssen – wenn sie sich gegen eine Herkunftsnennung entscheiden. Sollte die Polizei also prinzipiell die Herkunft von Tatverdächtigen nennen? Reuls Vorstoß ist problematisch. Er konterkariert nicht nur die Arbeit verantwortungsvoller Journalisten, sondern ist auch dazu geeignet, statt mehr Transparenz mehr Hysterie zu schaffen. Journalisten haben immer wieder von der Polizei eingefordert, über die Herkunft Verdächtiger unterrichtet zu werden – damit sie aufgrund journalistischer und medienethischer (Relevanz-)Kriterien eine Situation einschätzen und somit verantwortungsvoll berichten können. Die Polizei handhabt die Herkunftsnennung bundesweit unterschiedlich, orientiert sich jedoch am Pressekodex. In NRW missachtet sie ihn jetzt. Das Problem daran: Polizeimeldungen samt Herkunftsnennungen werden unabhängig von Medienveröffentlichungen publik, in erster Linie, weil sie von der Polizei selbst publik gemacht werden. Ihr kommt damit eine ähnliche Verantwortung zu wie Journalisten.
Nun geht es nicht darum, irgendjemandem irgendwelche Informationen vorzuenthalten. Es geht schon gar nicht darum, dass Journalisten verschnupft sein könnten, weil ihnen die Polizei ihre Rolle als „Gatekeeper“streitig machen würde. Es geht um „Richtlinie 12.1 – Berichterstattung über Straftaten“ des Pressekodex, die sich – alles in allem und nach ihrer Überarbeitung – bewährt hat. In ihr steht: „In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse.“In „Praxis-Leitsätzen“heißt es: „Vermutungen über den Zusammenhang zwischen Gruppenzugehörigkeiten und Taten müssen von Tatsachen gestützt sein.“
Herbert Reul mag gute Absichten verfolgen, mit einer generellen Herkunftsnennung macht er es sich aber viel zu leicht. Vor allem: Verschwörungstheoretikern und Hetzern wird er so nicht den Wind aus den Segeln nehmen.