Mittelschwaebische Nachrichten
In der Küche klicken die Handschellen
Sommerkrimi, Teil 4 und Schluss Jetzt ist klar, wer den verrückten Schorsch auf dem Gewissen hat. Nicht er sollte bei dem geheimnisvollen Krimi-Dinner sterben, sondern jemand, mit dem der Täter noch eine offene Rechnung zu begleichen hatte
Lara Klar hielt auf einer Wandtafel in ihrem Büro das bisher recherchierte Beziehungsgeflecht und alle denkbaren Motive fest.
Dem Baulöwen Hans Hammer soll einmal das Vermögen seiner Großtante in die Hände fallen. Das Erbe könnte er beschleunigen und damit den großen Coup landen. Ihm würden die Flächen gehören, die seine Freundin zu einem Baugebiet machen will: Die Bürgermeisterin, die an ihrem Stuhl im Rathaus klebt und einen Gegenkandidaten fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Genau deshalb könnte sie es aber auf den unverdächtigen Bankchef abgesehen haben.
Denn der will auch Bürgermeister werden. Wollte sie ihn vergiften? Die Arztgattin hatte gestanden, dass sie ihrem untreuen Mann und dem Banker am liebsten die Gurgel umdrehen würde, weil der ihr den Geldhahn abgedreht hatte.
Klar hatte keinen Zweifel mehr, dass das Gift nicht für den verrückten Schorsch vorgesehen war. Eher schon für Erna von Weinstein.
Das Krimi-Dinner musste eine Einladung zum Mord gewesen sein. Aber wer hatte das falsche Spiel ausgeheckt? Wer hatte Einladungen in ihrem Namen verschickt? Lara Klar musste tiefer graben.
Die Kommissarin holte sich beim Staatsanwalt eine Genehmigung, um an die jüngsten Handyverbindungen der Verdächtigen zu kommen. Tage später hatte sie mehrere Seiten mit Zahlenkolonnen vor sich liegen. Mit einem Leuchtstift markierte sie die Nummern der Verdächtigen, notierte die Häufigkeit der Anrufe. Beim Baulöwen Hans Hammer war klar festzustellen, dass er mit der Bürgermeisterin eine rege Konversation hatte.
Besonders am Vormittag ging es hin und her. Vermutlich schickten sie sich gegenseitig Liebesschwüre. Am Nachmittag kam dann Hammers Frau Agathe ins Spiel. „Wahrscheinlich hat sie ihn gefragt, wann er endlich nach Hause kommt“, dachte sich Klar.
Bankchef Laurin Nieswurz nutzte sein Handy so gut wie nie. Er hatKommissarin te es in den vergangenen Wochen tagelang nicht genutzt. Und wenn, dann nur, um seinen Festnetzanschluss anzurufen. Erna von Weinstein besaß kein Mobiltelefon.
Eigentlich wollte es Lara Klar damit gut sein lassen und die langweilige Auswertung beenden. Doch dann warf sie noch einen Blick auf die Daten der Frau Doktor. Klar entdeckte: Immer nach Mitternacht hatte sie in den letzten zehn Tagen eine unbekannte Nummer gewählt. Ihr Mann, der gerade bei einem Ärztekongress in Amerika weilte? Oder vielleicht ein Liebhaber? Klar wurde neugierig.
Sie versuchte mehr herauszufinden.
Die Nummer gehörte offenbar zu einem Handy mit Prepaidkarte. Klar blieb nichts anderes übrig, als Ella Goldlack nach der Nummer zu fragen.
Die Arztgattin reagierte irritiert. Dann bestritt sie energisch, etwas von der Nummer zu wissen. „Aus der Nummer kommen Sie nicht heraus. Sie wollen mir ja wohl nicht weiß machen, dass jemand anders ihr Handy benutzt hat“, hielt ihr die Kommissarin vor. Ella Goldlack schüttelte den Kopf und spielte die Ahnungslose. Lara Klar wollte sie in die Enge treiben und fragte, ob sie Sommerkrimi das Handy einmal sehen könnte. „Verloren“, meinte sie. „Das klingt für sie jetzt komisch. Aber ich hab’s erst gestern im Freibad verloren. Oder jemand hat’s mir gestohlen. Wenn Sie noch weitere Fragen haben, dann wenden Sie sich bitte an meinen Mann oder meinen Anwalt.“Auf ein Gespräch – weder mit dem einen noch dem anderen – hatte Lara Klar keine Lust.
Also besuchte sie am nächsten Morgen das Freibad, um nach dem Handy zu fragen.
Schon an der Kasse entdeckte sie Ella Goldlack, die im gepunkteten Kleid mit Sonnenbrille an einer der Tischgruppen am Kiosk saß und sich augenscheinlich lebhaft mit einem Mann unterhielt. Klar blieb stehen und beobachtete die beiden. Sie sah, wie der Mann aufsprang, und dann hastig das Freibad verließ. Mit einem Motorrad verschwand er. Ebenso schnell wie er losgebraust war, hatte Lara Klar das Ergebnis der Halterabfrage: Der Mann war Harry König und stammte aus dem Ort. Lara Klar konnte es nicht fassen: König arbeitete als Koch im „Gasthof zum Ochsen“.
Die Kommissarin wusste, dass sie kurz davor war, den Fall zu lösen.
Im Präsidium durchleuchtete Lara Klar Harry König. Im Bundeszentralregister standen einige kleine Vorstrafen: Diebstähle, Körperverletzungen und Betrügereien. Dann kam der Hammer: König hatte gerade eine Haftstrafe wegen schwerer räuberischer Erpressung abgesessen. Seit drei Monaten war er wieder auf freiem Fuß. Am Abend klickten die Handschellen in der Wirtschaft. Der Koch gab zu, das Gift besorgt und in den Suppenteller getropft zu haben.
Zu dumm nur: Die Bedienung hatte rechts und links verwechselt und den Suppenteller dem verrückten Schorsch serviert. Der saß zur Linken von Erna von Weinstein. Rechts hatte der Banker Platz genommen, an dem sich König eigentlich rächen wollte. Der hatte nämlich beim Überfall vor vier Jahren angegeben, dass 20 000 Euro gestohlen wurden. Tatsächlich war es nur die Hälfte, was sich aber nie aufklären ließ. König musste deshalb länger in den Knast. Nach seiner Entlassung forderte König die Differenz vom Banker und drohte damit, ihn auffliegen zu lassen. Doch Laurin Nieswurz ließ sich nicht darauf ein. Dann kam König auf die Idee mit dem Krimi-Dinner. Seine neue Geliebte Ella Goldlack schrieb die Einladungen. Sie wusste, dass jeder im Dorf kommen würde. Jeder war der Fabrikantenwitwe ergeben und jeder wollte an sie heran.
Nach der Festnahme im „Ochsen“gönnte sich Kommissarin Lara Klar noch einen Nachtisch: den Dessertbecher Süße Sünde.