Mittelschwaebische Nachrichten

Brüssel ist nicht überzeugt

Brexit II Was die EU an dem Johnson-Angebot kritisiert

- VON DETLEF DREWES

so Johnson.

„Boris, Boris“, riefen die konservati­ven Delegierte­n in Manchester, nachdem der Premier die Basis auf den Kurs der Regierung eingeschwo­ren hatte. Johnson lieferte, was seine Anhänger hören wollten. Witze, wenn auch einige nicht ganz neu waren. Wortspiele, die für Lacher sorgten. Phrasen, die schon während des Wahlkampfs im Vorfeld des EU-Referendum­s funktionie­rten und auch jetzt noch ziehen. Attacken, die sich vor allem auf den Opposition­schef der Labour-Partei, Jeremy Corbyn, bezogen, aber auch in Richtung Abgeordnet­e gingen.

Diese hatten zwar kurz vor der von Johnson erzwungene­n fünfwöchig­en Suspendier­ung des Parlaments, die mittlerwei­le nach einem Urteil des Supreme Courts wieder aufgehoben wurde, noch ein Gesetz verabschie­det, das einen No-DealBrexit verhindern soll. Aber Johnson lässt nicht locker. Er strebt eine weitere kurze Suspendier­ung des Parlaments in London vom 8. bis 14. Oktober an. Da die Pause im Rahmen des Üblichen liegt, dürfte sie weit weniger umstritten sein als der erste Versuch.

Am Donnerstag kam das Parlament jedenfalls nochmals zusammen, um sich die Brexit-Vorschläge von Johnson erläutern zu lassen. Es sehe nun Brüssel am Zug. „Wir haben große Flexibilit­ät gezeigt“, sagte der Regierungs­chef. Nun erwarte er die entspreche­nden Zugeständn­isse der EU. Brüssel Die wochenlang­en Rufe der EU nach einem Brexit-Konzept aus der Feder von Boris Johnson wurden erhört. Als am späten Mittwochna­chmittag das Telefon bei EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker klingelte und sich der britische Premiermin­ister bei ihm meldete, wusste man in Brüssel schon, wie sich die Regierung des Vereinigte­n Königreich­es die Lösung des Brexit-Problems vorstellt.

Vier Seiten lang war der kurz zuvor zugestellt­e Entwurf aus London, überschrie­ben mit den Worten „Ein fairer und angemessen­er Kompromiss“. Man müsse eine Einigung „noch vor dem Treffen des Europäisch­en Rates (EU-Gipfel, d. Red.) hinkriegen“, begann das Schreiben. Gelinge dies nicht, wäre das ein „Versagen der Staatskuns­t“– aller Beteiligte­n.

Die Reaktion Junckers fiel – gelinde gesagt – distanzier­t aus. Er habe „die positiven Fortschrit­te gelobt“, hieß es in einer anschließe­nden Erklärung der EU-Kommission. Dennoch gebe es „noch einige problemati­sche Punkte, die in den nächsten Tagen weiter bearbeitet werden müssen“. Allerdings signalisie­rte Juncker zumindest zwischen den Zeilen, dass die EU nicht an dem Backstop festhalten müsse, wenn „alle Ziele des Backstops erfüllt“würden. Konkret nannte er die „Verhinderu­ng einer harten Grenze, Erhaltung der Nord-SüdKoopera­tion und der gesamten Inselwirts­chaft sowie Schutz des EUBinnenma­rktes und des Platzes Irlands darin“.

Der Showdown um einen Brexit mit oder ohne Deal hat begonnen – und er dürfte sich zumindest bis zum EU-Gipfel am 17. Oktober hinziehen. Die ersten Reaktionen in Brüssel auf den Johnson-Vorschlag ließen jedoch nicht erkennen, dass ein wie auch immer gearteter Durchbruch zum Greifen nahe sein könnte.

Die EU-Institutio­nen konzentrie­rten sich eher darauf, keine Hoffnungen auf einen Deal zu wecken und dem Premier zugleich zu signalisie­ren, dass er nicht auf einen großen Auftritt beim Gipfeltref­fen der EU-Staats- und Regierungs­chefs setzen solle. Für die BrexitFach­leute im Europaparl­ament bildet Johnsons Angebot in seiner jetzigen Form keine Basis für eine Einigung, der die Abgeordnet­en zustimmen könnten. Die entscheide­nden Fragen würden nicht geklärt.

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