Mittelschwaebische Nachrichten
Warum bekannte Nutzer Facebook und Co. verlassen
Soziale Netzwerke Sind Sie noch auf Facebook, Twitter, in den „sozialen“Netzwerken? Ich muss sagen: Ich bin müde geworden, sie zu nutzen. Die Schriftstellerin und Kolumnistin Jagoda Marinic twitterte kürzlich: „Ich kam auf Twitter, um mir weltweit Leute aussuchen zu können, auf die ich Bock habe, weil sie mir den Blick weiten. Jetzt soll ich mich hier mit Trollen rumschlagen und Trotteln Dinge erklären, die sie mit 1x googeln haben.“
Schade, dass es so gekommen ist – auch in meinen Filterblasen. Klar bin ich auf Facebook und Twitter, schon aus beruflichen Gründen. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, es ist mir ein Vergnügen. Denn was da so angespült wird, lässt sich nicht ignorieren. Und es wird einiges angespült...
In den letzten Wochen verließen bekannte(re) Nutzer die Netzwerke: Ulf Poschardt von WeltN24 hat „keinen Bock“mehr. Wie zuvor taz-Redakteurin Steffi Unsleber und Michael Blume, evangelischer Religionsund Politikwissenschaftler, Autor, Blogger – und Antisemitismus-Beauftragter des Landes Baden-Württemberg. Unsleber twitterte: „Ich diskutiere gerne, aber ich finde, der Ton ist hier mittlerweile unerträglich verletzend geworden.“Blume begründete seinen Schritt ausführlich, auch in Interviews. Er schrieb: „Digitalen Hass und auch Drohungen bin ich mindestens seit 2011 reichlich gewohnt und werde auch in Zukunft nicht davor weichen.“Er fürchte aber, dass die digitale Verrohung nur gestoppt werden könne, „wenn wir auch unser je eigenes Medienverhalten reflektieren und ggf. verändern“. Sowie: „Im Kern werfe ich dem Geschäftsmodell von Facebook vor, dass wir User darin ,nicht Kunde,
sondern Produkt‘ sind: Unsere Aufmerksamkeit wird durch möglichst emotionale, zur Radikalisierung tendierende Inhalte gefesselt, um dann an Werbekunden weiterverkauft zu werden. Dieses Geschäftsmodell untergräbt zudem seriösen Journalismus und bedroht schließlich die ,Publikative‘ als eine Säule unserer Demokratie.“
Facebook, das vor sich herträgt, die Meinungsfreiheit hochzuhalten, fügt ihr täglich Schaden zu. Indem es politische Werbung erlaubt oder nicht ausreichend gegen Hass und
Hetze vorgeht. Auch ein Kollege des New Yorker schrieb: „Facebook ist nie eine neutrale Plattform gewesen; es ist ein Unternehmen, dessen Geschäftsmodell darauf beruht, seine Nutzer zu beobachten, ihr Verhalten zu ändern und zu beeinflussen und ihre Aufmerksamkeit dem Höchstbietenden zu verkaufen.“Facebook-Chef Mark Zuckerberg habe das größte Mikrofon der Welt gebaut und es Lügnern, autoritären Menschen und professionellen Propagandisten überlassen. Er könnte gegensteuern, wenn er denn wollte.