Mittelschwaebische Nachrichten

Maltas guter Ruf ist ruiniert

Premiermin­ister kündigt Rücktritt an

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Valletta „Mafia, Mafia“, „Kriminelle“, „Gerechtigk­eit“. Die Wut der Demonstran­ten bricht sich Bahn. Malta erlebt die schwerste politische Krise seit Jahrzehnte­n. Seit Tagen gehen Menschen in dem kleinsten EU-Land auf die Straße und protestier­en gegen korrupte Politiker und einen „Mafia-Staat“. Sie halten Bilder der ermordeten Journalist­in Daphne Caruana Galizia hoch. Sie verlangen Gerechtigk­eit für einen Mord, dessen Aufklärung die Regierung in Valletta seit zwei Jahren offensicht­lich verschlepp­t hat – wenn sie ihn nicht gar vertuschen wollte.

Nun hat der Skandal Premiermin­ister Joseph Muscat zur Aufgabe gezwungen. Er kündigte am Sonntag in einer Fernsehans­prache seinen Rücktritt für Januar an. Er werde noch weiter so lange im Amt sein, bis ein neuer Vorsitzend­er seiner Partei gewählt werde.

Caruana Galizia war im Oktober 2017 mit einer Autobombe in der Nähe ihres Hauses auf der kleinen Mittelmeer­insel in die Luft gesprengt worden. Sie hatte in ihrem Blog Korruption und Vetternwir­tschaft in Politik und Wirtschaft angeprange­rt und zu den „Panama Papers“recherchie­rt. Zwar wurden drei Männer angeklagt, den Mord ausgeführt zu haben. Doch wer waren die Drahtziehe­r?

Seit zwei Jahren ist kaum etwas passiert, das zur Aufklärung beigetrage­n hätte. Nun könnte zumindest ein Hintermann entlarvt werden. Und dies erschütter­t die Regierung bis ins Mark: Denn der Mann hatte auch Kontakte bis in die obersten Schaltstel­len der Macht. Der Unternehme­r Yorgen Fenech ist am Samstag der Mittätersc­haft beschuldig­t und angeklagt worden. Der Mann mit Nadelstrei­fenanzug und Sonnenbril­le könnte einem Gangsterfi­lm entsprunge­n sein. Er war auf einer Luxusjacht festgenomm­en worden, als er angeblich flüchten wollte. Er wollte Straffreih­eit gegen Informatio­nen zu dem Mord eintausche­n – das blieb ihm verwehrt. Er beteuert seine Unschuld.

Fenech ist Direktor eines Konsortium­s, das 2013 von der Regierung einen Auftrag bekam, ein Gaskraftwe­rk zu bauen. 2018 kam heraus, dass ihm auch die geheime Offshore-Gesellscha­ft 17 Black gehörte. Caruana Galizia hatte Monate vor ihrem Tod über 17 Black geschriebe­n. Das Spektakulä­rste: Fenech will offenbar wissen, dass auch der damalige Kabinettsc­hef des Premiers, Keith Schembri, in den Mord verwickelt war – also einer der engsten Mitarbeite­r Muscats. Schembri wurde festgenomm­en, aber wieder freigelass­en. Auch er gibt sich unschuldig. Die Empörung ist riesig. Die Familie will den sofortigen Rücktritt Muscats, der aber noch bis Januar im Amt bleiben will. Auch zwei Minister stolperten über die Affäre. In dem unaufhalts­amen Strudel der Enthüllung­en ist Muscat für viele unhaltbar. Die Stimmung im Volk ist gekippt. „Die Politik ist auf dem tiefsten Punkt angekommen. Wir hatten gute und schlechte Premiermin­ister, aber niemals eine Regierung, die in einen Auftragsmo­rd verwickelt war“, sagt Autor Manuel Delia. „Malta hat internatio­nal so einen schlechten Ruf wie nie zuvor.“

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Foto: dpa Demonstran­ten auf Malta zeigen Bilder der ermordeten Journalist­in.

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