Mittelschwaebische Nachrichten
Gaulands Wunsch wird erfüllt
Parteitag Die AfD wählt einen Nachfolger für ihren 78-jährigen Mitbegründer. Tino Chrupalla aus Sachsen ist nun neuer Chef neben Jörg Meuthen. Gemäßigter wird die Partei dadurch nicht
Berlin/Braunschweig Was die Beteiligung von Männern und Frauen angeht, bietet die AfD nicht wirklich eine Alternative. Beim Bundesparteitag in Braunschweig wurde erneut deutlich, dass vor allem Männer das Gerüst der Partei bilden. Sie stellen die Mehrheit unter den 600 Delegierten, der Kontrast etwa zur CDU, die eine Woche zuvor ihren Parteitag abhielt, könnte größer kaum sein. Auch die Parteiführung bleibt männlich. Jörg Meuthen wurde in Braunschweig im Amt bestätigt, für Alexander Gauland rückte Tino Chrupalla nach. Der absolute Rechtsruck, etwa durch einen neuen Vorsitzenden vom extrem rechten AfD-„Flügel“, blieb damit aus.
Mit Chrupallas Wahl verjüngt sich die Alternative für Deutschland deutlich. Alexander Gauland, Mitbegründer der Partei, ist 78 Jahre alt und hatte bereits vor dem Parteitag erklärt, nicht mehr kandidieren zu wollen. Gauland ist auch noch CoChef der AfD-Fraktion im Bundestag. Er hatte in den letzten Wochen keinen Hehl daraus gemacht, dass ihn beide Jobs ganz schön stressen. Gleichzeitig schlug er den Bundestagsabgeordneten Chrupalla als seinen Nachfolger vor.
Chrupalla ist 44 Jahre alt, das ist jung für einen Parteivorsitzenden. Nach Gaulands Empfehlung galt es zunächst als sicher, dass der Malermeister aus Sachsen konkurrenzlos
abschneiden würde. Doch dann tauchte plötzlich der Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio auf, der in der AfD ob seiner Rhetorik viele Fans hat. Curio hatte, da gehörte er noch dem Berliner Abgeordnetenhaus an, verschleierte Frauen einen „schwarzen Sack, einen Sack, der spricht“genannt. Im Bundestag erklärte er: „Masseneinwanderung ist auch Messereinwanderung“. Der 59-jährige Curio rückte Gaulands Liebling in Braunschweig dicht auf die Pelle, doch Chrupalla gewann in einer Stichwahl mit 54,51 Prozent. Zuvor hatte es einen ersten Wahlgang gegeben, weil auch die niedersächsische Landesvorsitzende Dana Guth kandidiert hatte. Chrupalla erklärte anschließend, seine Partei sei auf dem Weg zu einer „wirklich ernst zu nehmenden politischen Kraft in Deutschland“.
Beide, Chrupalla wie Curio, stehen nicht für einen gemäßigteren Kurs in der AfD. Es hätte aber noch schärfer kommen können, wie der Auftritt von Wolfgang Gedeon zeigte. Gedeon hatte sich bei der ersten Vorsitzenden-Wahl gegen Meuthen in Position gebracht. Er war nach Antisemitismusvorwürfen in Baden-Württemberg aus der Landtagsfraktion ausgeschlossen worden, in Braunschweig war er nicht willkommen. Viele Delegierte hielten bei seiner Bewerbungsrede Karten mit dem Aufdruck „Nein“in die Höhe, rund 100 von ihnen verließen aus Protest den Saal. Gedeon bekam am Ende 23 Stimmen. Diesen Wahlgang gewann Jörg Meuthen. Der 58-Jährige bekam 69,18 Prozent und schlug damit neben Gedeon auch die rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst aus dem Feld.
Meuthen bekräftigte, was er nach den für die AfD so erfolgreichen letzten Landtagswahlen schon erklärt hatte: Für ihn sei die Partei auf einem guten Weg, Regierungsverantwortung übernehmen zu können. Meuthen bezeichnete seinen politischen Kurs als „konservativ, freiheitlich und patriotisch“und wandte sich gegen einen noch stärkeren Rechtsausschlag seiner Partei. Überraschend wurde Co-Fraktionschefin Alice Weidel in Braunschweig zur Vizevorsitzenden gewählt. Sie ist damit die Frau in der AfD mit der formal stärksten Machtposition. Sie bekam den Angaben zufolge 76,47 Prozent der Stimmen. Weiterer Vizechef ist Stegut phan Brandner mit 61,9 Prozent. Er war vor zwei Wochen in einem bislang einmaligen Akt als Vorsitzender des Bundestags-Rechtsausschusses abgewählt worden, nachdem er unter anderem die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den Panikrocker Udo Lindenberg als „Judaslohn“bezeichnet hatte. Dritte stellvertretende Vorsitzende wurde die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch mit rund 51 Prozent Zustimmung.
Die Delegierten lehnten es ab, das Verhältnis zur Identitären Bewegung neu zu regeln. Ein Antrag, diese vom Verfassungsschutz beobachtete Gruppierung von der Unvereinbarkeitsliste zu streichen, wurde nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Hätte er Erfolg gehabt, hätten Mitglieder der Identitären Bewegung künftig auch in die AfD eintreten können.
Der von Polizisten aus mehreren Bundesländern geschützte Parteitag mit knapp 600 Delegierten wurde von lautstarken Protesten begleitet. Zum Auftakt demonstrierten mehrere hundert Menschen. Sie riefen unter anderem „AfD Faschistenpack – wir haben euch zum Kotzen satt“. Am Samstagnachmittag waren nach Angaben der Organisatoren 15 000 Menschen auf der Straße. Die Polizei hatte die Halle weiträumig abgesperrt und war mit starken Kräften präsent. Auch Wasserwerfer standen bereit. Die Proteste blieben weitgehend friedlich.