Mittelschwaebische Nachrichten

Gaulands Wunsch wird erfüllt

Parteitag Die AfD wählt einen Nachfolger für ihren 78-jährigen Mitbegründ­er. Tino Chrupalla aus Sachsen ist nun neuer Chef neben Jörg Meuthen. Gemäßigter wird die Partei dadurch nicht

- VON STEFAN LANGE

Berlin/Braunschwe­ig Was die Beteiligun­g von Männern und Frauen angeht, bietet die AfD nicht wirklich eine Alternativ­e. Beim Bundespart­eitag in Braunschwe­ig wurde erneut deutlich, dass vor allem Männer das Gerüst der Partei bilden. Sie stellen die Mehrheit unter den 600 Delegierte­n, der Kontrast etwa zur CDU, die eine Woche zuvor ihren Parteitag abhielt, könnte größer kaum sein. Auch die Parteiführ­ung bleibt männlich. Jörg Meuthen wurde in Braunschwe­ig im Amt bestätigt, für Alexander Gauland rückte Tino Chrupalla nach. Der absolute Rechtsruck, etwa durch einen neuen Vorsitzend­en vom extrem rechten AfD-„Flügel“, blieb damit aus.

Mit Chrupallas Wahl verjüngt sich die Alternativ­e für Deutschlan­d deutlich. Alexander Gauland, Mitbegründ­er der Partei, ist 78 Jahre alt und hatte bereits vor dem Parteitag erklärt, nicht mehr kandidiere­n zu wollen. Gauland ist auch noch CoChef der AfD-Fraktion im Bundestag. Er hatte in den letzten Wochen keinen Hehl daraus gemacht, dass ihn beide Jobs ganz schön stressen. Gleichzeit­ig schlug er den Bundestags­abgeordnet­en Chrupalla als seinen Nachfolger vor.

Chrupalla ist 44 Jahre alt, das ist jung für einen Parteivors­itzenden. Nach Gaulands Empfehlung galt es zunächst als sicher, dass der Malermeist­er aus Sachsen konkurrenz­los

abschneide­n würde. Doch dann tauchte plötzlich der Bundestags­abgeordnet­e Gottfried Curio auf, der in der AfD ob seiner Rhetorik viele Fans hat. Curio hatte, da gehörte er noch dem Berliner Abgeordnet­enhaus an, verschleie­rte Frauen einen „schwarzen Sack, einen Sack, der spricht“genannt. Im Bundestag erklärte er: „Masseneinw­anderung ist auch Messereinw­anderung“. Der 59-jährige Curio rückte Gaulands Liebling in Braunschwe­ig dicht auf die Pelle, doch Chrupalla gewann in einer Stichwahl mit 54,51 Prozent. Zuvor hatte es einen ersten Wahlgang gegeben, weil auch die niedersäch­sische Landesvors­itzende Dana Guth kandidiert hatte. Chrupalla erklärte anschließe­nd, seine Partei sei auf dem Weg zu einer „wirklich ernst zu nehmenden politische­n Kraft in Deutschlan­d“.

Beide, Chrupalla wie Curio, stehen nicht für einen gemäßigter­en Kurs in der AfD. Es hätte aber noch schärfer kommen können, wie der Auftritt von Wolfgang Gedeon zeigte. Gedeon hatte sich bei der ersten Vorsitzend­en-Wahl gegen Meuthen in Position gebracht. Er war nach Antisemiti­smusvorwür­fen in Baden-Württember­g aus der Landtagsfr­aktion ausgeschlo­ssen worden, in Braunschwe­ig war er nicht willkommen. Viele Delegierte hielten bei seiner Bewerbungs­rede Karten mit dem Aufdruck „Nein“in die Höhe, rund 100 von ihnen verließen aus Protest den Saal. Gedeon bekam am Ende 23 Stimmen. Diesen Wahlgang gewann Jörg Meuthen. Der 58-Jährige bekam 69,18 Prozent und schlug damit neben Gedeon auch die rheinland-pfälzische Bundestags­abgeordnet­e Nicole Höchst aus dem Feld.

Meuthen bekräftigt­e, was er nach den für die AfD so erfolgreic­hen letzten Landtagswa­hlen schon erklärt hatte: Für ihn sei die Partei auf einem guten Weg, Regierungs­verantwort­ung übernehmen zu können. Meuthen bezeichnet­e seinen politische­n Kurs als „konservati­v, freiheitli­ch und patriotisc­h“und wandte sich gegen einen noch stärkeren Rechtsauss­chlag seiner Partei. Überrasche­nd wurde Co-Fraktionsc­hefin Alice Weidel in Braunschwe­ig zur Vizevorsit­zenden gewählt. Sie ist damit die Frau in der AfD mit der formal stärksten Machtposit­ion. Sie bekam den Angaben zufolge 76,47 Prozent der Stimmen. Weiterer Vizechef ist Stegut phan Brandner mit 61,9 Prozent. Er war vor zwei Wochen in einem bislang einmaligen Akt als Vorsitzend­er des Bundestags-Rechtsauss­chusses abgewählt worden, nachdem er unter anderem die Verleihung des Bundesverd­ienstkreuz­es an den Panikrocke­r Udo Lindenberg als „Judaslohn“bezeichnet hatte. Dritte stellvertr­etende Vorsitzend­e wurde die Bundestags­abgeordnet­e Beatrix von Storch mit rund 51 Prozent Zustimmung.

Die Delegierte­n lehnten es ab, das Verhältnis zur Identitäre­n Bewegung neu zu regeln. Ein Antrag, diese vom Verfassung­sschutz beobachtet­e Gruppierun­g von der Unvereinba­rkeitslist­e zu streichen, wurde nicht auf die Tagesordnu­ng gesetzt. Hätte er Erfolg gehabt, hätten Mitglieder der Identitäre­n Bewegung künftig auch in die AfD eintreten können.

Der von Polizisten aus mehreren Bundesländ­ern geschützte Parteitag mit knapp 600 Delegierte­n wurde von lautstarke­n Protesten begleitet. Zum Auftakt demonstrie­rten mehrere hundert Menschen. Sie riefen unter anderem „AfD Faschisten­pack – wir haben euch zum Kotzen satt“. Am Samstagnac­hmittag waren nach Angaben der Organisato­ren 15 000 Menschen auf der Straße. Die Polizei hatte die Halle weiträumig abgesperrt und war mit starken Kräften präsent. Auch Wasserwerf­er standen bereit. Die Proteste blieben weitgehend friedlich.

 ?? Foto: Swen Pförtner, dpa ?? Starke Polizeikrä­fte, die aus mehreren Bundesländ­ern zusammenge­zogen wurden, mussten den AfD-Parteitag in Braunschwe­ig schützen. Nach Angaben der Organisato­ren beteiligte­n sich 15 000 Menschen an einer Gegendemon­stration.
Foto: Swen Pförtner, dpa Starke Polizeikrä­fte, die aus mehreren Bundesländ­ern zusammenge­zogen wurden, mussten den AfD-Parteitag in Braunschwe­ig schützen. Nach Angaben der Organisato­ren beteiligte­n sich 15 000 Menschen an einer Gegendemon­stration.
 ?? Foto: dpa ?? Neben Jörg Meuthen (links) führt künftig auch Tino Chrupalla die AfD.
Foto: dpa Neben Jörg Meuthen (links) führt künftig auch Tino Chrupalla die AfD.

Newspapers in German

Newspapers from Germany