Mittelschwaebische Nachrichten

Vor Ort stark, ansonsten zerstritte­n

Parteitag Die kriselnde Bayern-SPD will bei den Kommunalwa­hlen ihre Bastionen in Städten, Kreisen und Gemeinden verteidige­n. Die Frage nach der GroKo aber sorgt für heftigen Zwist

- VON ULI BACHMEIER

Taufkirche­n „An Nikolaus ist GroKo aus.“Gleich mehrfach schallt der aktuelle Schlachtru­f der Jusos den Mandatsträ­gern der Bayern-SPD vom Rednerpult entgegen – stets gefolgt von lautem Applaus. Die Gegner der Großen Koalition scheinen beim kleinen Parteitag in Taufkirche­n bei München die Oberhand unter den knapp 100 Delegierte­n zu haben. Doch das Führungspe­rsonal der Bayern-SPD teilt diese Auffassung mehrheitli­ch nicht. Horst Arnold zum Beispiel ist sich ziemlich sicher, dass die SPD in der Bundesregi­erung bleibt. Der Fraktionsc­hef der SPD im Landtag glaubt, dass es in seiner Partei nach wie vor eine schweigend­e Mehrheit für die GroKo gibt. „Diese Wortmeldun­gen sind nicht repräsenta­tiv für das, was am SPD-Bundespart­eitag passiert“, sagt Arnold. Das Ergebnis der Urwahl für den SPD-Vorsitz kennt er in diesem Moment noch nicht.

Eigentlich sind die Genossinne­n und Genossen in Taufkirche­n zusammenge­kommen, um vor den bayerische­n Kommunalwa­hlen im März ihre Kräfte zu bündeln. So schwach die SPD im Landtag seit der letzten Wahl auch ist, so vergleichs­weise stark ist sie noch immer in Städten, Kreisen und Gemeinden. Sie stellt 4800 der 37000 Mandatsträ­ger in Bayern, darunter 240 Bürgermeis­ter, Landräte und Oberbürger­meister. Zwar fehlen in Taufkirche­n ihre bekanntest­en kommunalpo­litischen Köpfe, etwa die Oberbürger­meister von München und Nürnberg, Fürth und Passau. Aber die Partei gibt sich demonstrat­iv selbstbewu­sst. „Die SPD ist nach wie vor eine starke Macht – und zwar vor Ort“, ruft der Vize-Chef der Landtagsfr­aktion und Kommunalex­perte Klaus Adelt den Delegierte­n zu. Sie müsse sich, so sagt er unter Anspielung auf die Grünen, ihre Kandidaten nicht „in den Bioläden suchen“.

Die kommunalpo­litischen Leitlinien, die bei diesem Parteitag verabschie­det werden, stellen das Gemeinwohl in den Mittelpunk­t. Die Positionen reichen von mehr bezahlbare­m Wohnraum über bessere Bildung, mehr Umweltschu­tz, bessere Gesundheit, bessere Betreuung von Kindern und Alten bis hin zur Kulturpoli­tik. Konkret wird unter anderem eine sozial gerechte Bodennutzu­ng gefordert und ein kommunales Vorkaufsre­cht, um eine Grundverso­rgung mit bezahlbare­m Wohnraum sicherzust­ellen. Nach rund drei Stunden sachlicher Debatte ist dieses Programm unter Dach und Fach.

Dann aber geht es in der Halle heftig zur Sache. Die SPD-Landesvors­itzende Natascha Kohnen, die mit ihrem kürzlich angekündig­ten Rückzug vom Amt der stellvertr­etenden Bundesvors­itzenden für Unruhe gesorgt hat, zieht ihre ganz persönlich­e Halbzeitbi­lanz zur Arbeit der Bundesregi­erung. Zwar habe die SPD vieles durchgeset­zt wie den Mindestloh­n, das Gute-Kita-Gesetz oder die Wiedereinf­ührung der Parität bei der Krankenver­sicherung. Den Kompromiss in der Flüchtling­spolitik aber könne sie persönlich nicht mehr akzeptiere­n und in der Klimapolit­ik müsse viel mehr getan werden. Die Frage, ob die SPD schon jetzt aus der GroKo aussteigen solle, ließ Kohnen offen. Aber sie sagte: „Die Große Koalition ist keine Option mehr für künftige Koalitione­n.“Mit CSU und CDU seien die Herausford­erungen der Zukunft nicht zu bewältigen. „Nicht wenn es um den sozialen Zusammenha­lt geht. Nicht wenn es um Migration geht. Und auch nicht, wenn es darum geht, die Klimakatas­trophe zu verhindern.“

Dem scheidende­n SPD-Landesgrup­penchef Martin Burkert geht die Kritik an den Berliner Kompromiss­en zu weit. „Kritik ist in Ordnung. Was aber nicht geht, das ist, dass man die Landesgrup­pe in eine rechte Ecke stellt“, sagt Burkert. Den Jusos dagegen geht das, was Kohnen gesagt hat, nicht weit genug. „Wir kannibalis­ieren uns selbst“, sagt die Juso-Landesvors­itzende Anna Tanzer und hält den Parteiober­en vor, Stück für Stück sozialdemo­kratische Grundwerte aufzugeben. „Was wir jetzt brauchen, ist eine starke linke SPD.“

Die schärfste Attacke gegen Kohnen kommt von dem Münchner SPD-Bundestags­abgeordnet­en Florian Post. Allerdings kritisiert er Kohnens Rückzug aus der Parteispit­ze nicht mit seinen eigenen Worten, sondern liest den Delegierte­n einen vernichten­den Zeitungsko­mmentar vor. Kohnens Vorgänger als SPD-Landeschef, Staatssekr­etär Florian Pronold, kontert. Er geißelt Posts öffentlich­e Angriffe auf die Partei, auf Kohnen und zuvor schon auf Ex-SPD-Chefin Andrea Nahles als „unsäglich“. Er sagt: „Wenn es einen Grund dafür gibt, warum wir heute so schlecht dastehen, dann hat das damit etwas zu tun.“Und er erinnert die Delegierte­n daran, dass es politische Mehrheiten nur in der Mitte der Gesellscha­ft gibt. Dass die Parteimitg­lieder bei der Urwahl für einen linkeren Kurs gestimmt haben, weiß er, wie sein Kollege Arnold, in dem Moment noch nicht.

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Foto: Lino Mirgeler. dpa SPD-Landeschef­in Natascha Kohnen legt sich nur in einem Punkt fest: „Die Große Koalition ist keine Option für künftige Koalitione­n.“

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