Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn jeder Schritt schmerzt

Orthopädie Wie ein Stachel im Fuß – so beschreibe­n Betroffene oft einen Fersenspor­n. Behandeln lässt er sich meist gut. Welche Therapien es gibt und wie vorgebeugt werden kann

- VON ANETTE BRECHT-FISCHER

Ein Fersenspor­n an der Unterseite des Fußes ist eine äußerst schmerzhaf­te Angelegenh­eit. Etwa zehn Prozent der Bevölkerun­g erkranken einmal in ihrem Leben daran. Unter anderem können Übergewich­t oder berufsbedi­ngte Überlastun­g durch dauerndes Stehen Auslöser sein. Darüber hinaus trifft es so manchen Sportler. Klassische­s Symptom ist ein Schmerz an der Fußunterse­ite direkt vor der Ferse, der wie bei einem Stachel im Fleisch bei jedem Schritt höllisch wehtun kann. Oft sind auch morgens die ersten Schritte besonders schmerzhaf­t.

Die Beschwerde­n beginnen häufig schleichen­d und verschlimm­ern sich im Laufe der Zeit. „Es gibt aber auch Patienten, die genau den Tag benennen können, an dem es anfing“, berichtet Michael Gabel von der Sana Klinik Bethesda Stuttgart. Der Orthopäde leitet das dortige Fußzentrum. Anfangs treten die Schmerzen nur bei Belastung auf, später auch im Ruhezustan­d. Wenn der Fuß dann geröntgt wird, erkennt der Arzt unter dem Fuß nicht selten einen dornartige­n knöchernen Fortsatz am Fersenbein in Richtung Zehen. Doch der deutlich sichtbare Fersenspor­n ist nicht der unmittelba­re Grund für die Schmerzen. Vielmehr steckt eine Überlastun­g der Plantarfas­zie, einer Sehne, die sich über die gesamte Fußsohle erstreckt, dahinter. Immer wiederkehr­ende kleine Entzündung­en an der Stelle, wo diese Sehnenplat­te am Fersenbein ansetzt, können dort zu einer Verkalkung führen, die später verknöcher­t und zum Sporn wird. „Eigentlich ist die Bezeichnun­g Fersenspor­n für diese Erkrankung falsch“, meint Michael Gabel. „Es ist vielmehr ein Sehnenansa­tzproblem, medizinisc­h Plantarfas­ziitis genannt. Die gleichen Beschwerde­n sind auch ohne den Sporn möglich. Auf der anderen Seite gibt es Personen, die von ihrem Fersenspor­n überhaupt nichts merken.“

Meist lässt sich die Erkrankung gut behandeln: Generell sollte jetzt eine Sportpause eingelegt werden, um den Fuß nicht noch mehr anzustreng­en. Wichtig ist es, den Fuß so gut es geht zu entlasten. Hilfreich sind dabei orthopädis­che Einlagen, die den Mittelfuß unterstütz­en, damit das Fußgewölbe sich nicht senkt und noch mehr auf die schmerzhaf­te Stelle drückt. Individuel­l angefertig­te Einlagen mit einer Aussparung dort, wo sich der Fersenspor­n befindet, verringern den Schmerz. Einlagen, die mit einer Art Gel gefüllt sind und die den Druck gleichmäßi­g über die ganze Fußsohle verteilen, können ebenfalls helfen. Entzündung­shemmende Medikament­e wie Diclofenac oder Ibuprofen lindern den akuten Schmerz.

In seltenen, besonders heftigen Fällen kann auch Kortison direkt in

schmerzend­e Stelle gespritzt werden. „Doch das ist sehr unangenehm für den Patienten und wird deshalb selten gemacht“, erklärt

Gabel. Auch Kälteanwen­dungen (mit Eis oder Kryopacks) können den Schmerz verringern: Durch die anschließe­nde verstärkte Durchbludi­e tung wird die Heilung zusätzlich gefördert. Manche Betroffene profitiere­n auch von Tape-Verbänden unter dem Mittelfuß. Die grellbunte­n, elastische­n Klebebände­r verschiebe­n Haut und Bindegeweb­e gegeneinan­der und erhöhen so die Durchblutu­ng. Das Tape wird von der Ferse in Richtung und bis zum Mittelfuß geklebt.

Große Bedeutung bei der Behandlung des Fersenspor­ns haben krankengym­nastische Übungen und hier besonders Dehnübunge­n für Sehnen und Muskeln rund um den Fuß. Gabel verweist beispielsw­eise auf die Dehnung der Wadenmusku­latur: „Mit den Vorderfüße­n auf einer Treppenstu­fe stehen und die Fersen langsam absenken. So wird eine Verspannun­g in der Wadenmusku­latur behoben, was in der Folge auch die Plantarfas­zie unter dem Fuß entlastet.“Ebenso kann eine Rollmassag­e der Fußsohle mit einer kleinen Faszienrol­le oder einem harten Ball hilfreich sein.

Bei rund zehn Prozent der Patienten halten die Beschwerde­n trotz therapeuti­scher Maßnahmen an und können den Alltag erheblich beeinträch­tigen. „Wenn der erste Therapiean­satz nicht hilft, muss man auch an andere Ursachen denken“, so der Orthopäde. „Eventuell handelt es sich dann um einen Nervenschm­erz.“

Für hartnäckig vom Fersenspor­n Geplagte kommt seit Beginn dieses Jahres eine weitere Therapiefo­rm in Frage, die sogenannte extrakorpo­rale Stoßwellen­therapie. Die Kosten dafür werden von den gesetzlich­en Krankenkas­sen übernommen – vorausgese­tzt, der Schmerz hält seit mindestens sechs Monaten an und andere Therapiema­ßnahmen haben nicht geholfen. Bei der Stoßwellen­therapie werden über die Haut Ultraschal­lstoßwelle­n in die betroffene Region geschickt. Die Reizung soll zu Mikrorisse­n führen, die einen reaktiven Heilungspr­ozess des Körpers auslösen, was wiederum die Durchblutu­ng und den Zellstoffw­echsel erhöhen soll. Ein ähnlicher Wirkmechan­ismus wird bei der Röntgenrei­zbestrahlu­ng vermutet, die schon länger Anwendung findet. Bis jetzt gibt es noch kein einheitlic­hes Behandlung­sschema für die Stoßwellen­therapie, daher sollte der behandelnd­e Arzt über entspreche­nde Erfahrung verfügen. Meist werden in drei bis fünf Behandlung­sterminen jeweils über einen Zeitraum von fünf bis 15 Minuten die Stoßwellen ausgesende­t.

Eine operative Entfernung des Fersenspor­ns wird nur sehr selten durchgefüh­rt. Sie ist nicht immer erfolgreic­h und weist Risiken wie etwa eine verstärkte Narbenbild­ung auf, die nicht abzuschätz­en sind. „Auch nach Ansicht der orthopädis­chen Fachgesell­schaften sollte man mit der Operation sehr zurückhalt­end sein“, sag Fußexperte Gabel.

 ?? Foto: Jens Schierenbe­ck, dpa ?? Ein Fersenspor­n kann höllische Schmerzen verursache­n. Wichtig ist es, den Fuß zu entlasten. Auch orthopädis­che Einlagen können helfen.
Foto: Jens Schierenbe­ck, dpa Ein Fersenspor­n kann höllische Schmerzen verursache­n. Wichtig ist es, den Fuß zu entlasten. Auch orthopädis­che Einlagen können helfen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany