Mittelschwaebische Nachrichten

Raus aus der GroKo? Die SPD wartet noch ab

Koalition Selbst der Juso-Chef bremst. Die CSU warnt schon vor einer Minderheit­sregierung

- VON RUDI WAIS UND NIKLAS MOLTER

Berlin Bekommt die SPD Angst vor der eigenen Courage? Nach dem überrasche­nden Erfolg der Parteilink­en Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans bei der Mitglieder­befragung warnen immer mehr prominente Sozialdemo­kraten vor einem raschen Ausstieg aus der Koalition. Auch eine Nachverhan­dlung des Koalitions­vertrages stehe jetzt nicht an, betonte der niedersäch­sische Ministerpr­äsident Stephan Weil. So sei in der Energie- und Klimapolit­ik der größte Teil des bereits Beschlosse­nen noch umzusetzen. „Dafür brauche ich keine Nachverhan­dlungen, sondern Handlungen.“

Gleichzeit­ig warnte Weil die designiert­en Vorsitzend­en im Handelsbla­tt davor, einseitig auf soziale Themen wie eine kräftige Erhöhung des Mindestloh­ns zu setzen. „Die SPD hat keinen Nachholbed­arf in sozialpoli­tischer Hinsicht.“Der Chef der einflussre­ichen Landesgrup­pe Nordrhein-Westfalen, Achim Post, argumentie­rt ähnlich: „Eine Vorentsche­idung über die Zukunft der Großen Koalition war der Mitglieder­entscheid nicht.“Selbst Juso-Chef Kühnert sagt, die Große Koalition sei zwar schlecht für die Demokratie. „Einfach nur raus, raus, raus zu sagen, löst aber noch kein Problem.“

Spekulatio­nen über eine Minderheit­sregierung der Union wies Bundestags­vizepräsid­ent Hans-Peter Friedrich (CSU) gegenüber unserer Redaktion zurück: „Es gibt keinen Grund, jetzt über eine Minderheit­sregierung zu philosophi­eren.“Grundlage der politische­n Stabilität in Deutschlan­d sei seit Jahrzehnte­n, dass man Koalitions­verträge, die man abschließe, auch einhalte. Die SPD, so Friedrich, müsse sich entscheide­n, ob sie Deutschlan­ds Zukunft mitgestalt­en oder sich aus der Verantwort­ung stehlen wolle. „Es wäre schade, wenn die große Tradition der SPD jetzt sozialisti­schen Juso-Fantasien

zum Opfer fiele.“Weitere Zugeständn­isse an die SPD, wie sie die künftigen Vorsitzend­en fordern, lehnt die Union ab. „Eine Neuverhand­lung des Koalitions­vertrags steht nicht an“, erklärte Bundeskanz­lerin Merkel ebenso wie Bayerns Ministerpr­äsident Söder, der auch 12 Euro Mindestloh­n eine Absage erteilte.

Dass bei einer Regierungs­partei ein Führungswe­chsel stattfinde, sei kein derart schwerwieg­ender Fall, dass man eine Koalition komplett neu verhandeln müsste, betonte CDU-Chefin Kramp-Karrenbaue­r. „Wir sind keine Therapieei­nrichtung für die jeweiligen Koalitions­regierungs­parteien und deswegen gilt der Koalitions­vertrag.“

Die Anhänger der CSU können sich auch Söder als Kanzlerkan­didaten vorstellen. Knapp 64 Prozent von ihnen wünschen sich nach einer Umfrage des Civey-Institutes im Auftrag unserer Zeitung den CSUChef als Spitzenkan­didaten für die Bundestags­wahl. Jenseits aller Parteipräf­erenzen ist das Bild differenzi­erter. Von allen Bayern halten Söder 42 Prozent für kanzlertau­glich. 41 Prozent lehnen ihn als Kandidaten ab.

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