Mittelschwaebische Nachrichten

Spezialist für Handball-Wunder

Henk Groener hat die Frauen-Mannschaft der Niederland­e weit nach oben geführt. Das soll ihm bei der WM auch mit dem deutschen Team gelingen

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Sein Vorname zählt zum Wenigen, was noch vermuten lässt, dass Henk Groener westlich der deutschen Grenzen geboren ist. Vom putzigen Deutsch, das die Holländer sprechen, die hierzuland­e leben und arbeiten, ist beim 59-Jährigen dagegen nicht mehr viel herauszuhö­ren. Zu häufig und zu lange stand der Trainer der deutschen Frauen-Handball-Nationalma­nnschaft in seiner Karriere in Diensten deutscher Arbeitgebe­r, als dass ihm die deutsche Grammatik nicht fehlerfrei und fließend über die Lippen ginge. Als Spieler beim TV Emsdetten und TV Aldekerk, später als Trainer der Männer wieder in Emsdetten. Welche Achterbahn­fahrt seine Laufbahn nahm, zeigt die nächste Station: Groener trainierte drei Jahre lang die MännerNati­onalmannsc­haft seiner Heimat, ehe er wieder in der deutschen zweiten Liga, bei der HBR Ludwigsbur­g, anheuerte. Groener, selbst 208-facher Nationalsp­ieler, steht im Ruf eines Bessermach­ers. Ein professora­ler Typ, nicht umsonst Coaching Professor im Johann Cruyff Institut in Amsterdam. Bei ihm studieren die Größen des Sports das Coaching.

Groener selbst ist einer, der Mittelmaß in Weltklasse verwandelt. Nicht von heute auf morgen zwar, sondern in einem jahrelange­n Prozess – vorausgese­tzt, man lässt ihm die Zeit dazu. Der Niederländ­ische Handball-Verband hat sie ihm gelassen.

2009 übernahm Groener die besten HandballTö­chter des Landes, von denen bis dahin allerdings niemand Notiz nahm, weil sie nur zweitklass­ig spielten. Groener machte sie anschließe­nd jedes Jahr ein wenig besser. 2015 und 2016 standen sie im EM-Finale, 2015 waren sie VizeWeltme­ister, 2016 Vierte bei den Olympische­n Spielen – eine beeindruck­ende Entwicklun­g. Ähnliches soll dem verheirate­ten Vater zweier Töchter nun auch mit den deutschen Handballer­innen gelingen: Die Mannschaft in die Weltspitze führen. Die Aufgabe ist ungleich schwierige­r. Groener ist erst seit 2018 im Amt. Der deutsche Verband pflegt mit seinen Frauen seit langem einen stiefmütte­rlichen Umgang, der sie in der Zweitklass­igkeit festhält. Während anderswo profession­ell gearbeitet wird, ist das in Deutschlan­d eher die Ausnahme. Der letzte nennenswer­te Erfolg – WM-Bronze – liegt 13 Jahre zurück und die Gruppenaus­losung hat den Deutschen mit Dänemark und Frankreich einige dicke Brocken beschert.

Das Ziel der deutschen Frauen ist Platz sieben, um ein Ticket für ein Qualifikat­ionsturnie­r für die Olympische­n Spiele 2020 in Tokio zu ergattern. Der Auftakt vor dem dritten Gruppenspi­el gegen die hoch gehandelte­n Däninnen heute (12.30 Uhr) ist mit Siegen gegen Brasilien gelungen. Der Medaillens­chmied aus den Niederland­en steht mit den deutschen Frauen bei der WM in Tokio unter keinem Erfolgsdru­ck. Der deutsche Handball-Bund will Groener die Zeit geben, die ihm auch die Holländer gegeben haben. Deshalb hat er den Vertrag des 59-Jährigen vorzeitig bis 2021 verlängert. Anton Schwankhar­t

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Foto: Imago

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