Mittelschwaebische Nachrichten

Drei Szenarien, wie es nun weitergehe­n könnte

Koalition Fortsetzun­g der GroKo, Neuwahlen oder eine Minderheit­sregierung – was dafür und was dagegen spricht

- VON STEFAN LANGE

Berlin Mit Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken werden zwei GroKo-Skeptiker SPD-Vorsitzend­e. Platzt nun die Große Koalition? Oder bleibt doch alles beim Alten? Diese drei Optionen werden derzeit in der Bundespoli­tik diskutiert.

● 1. Die GroKo macht weiter: Einerseits wurde am Montag mächtig geschimpft. „Die Wahl eines gescheiter­ten Provinzpol­itikers und irgendeine­r Baden-Württember­gerin zu Vorsitzend­en der SPD zeigt, wie weit sich die Parteiführ­ung inzwischen von den wirklichen Sorgen der Menschen und vor allem von den Arbeitnehm­ern entfernt hat“, erklärte etwa der Karlsruher CDUBundest­agsabgeord­nete Axel E. Fischer, der „notfalls“auch Neuwahlen nicht ausschloss. Doch noch ist die Regierung vom Grundsatz her stabil. Sie hat einen Bundeshaus­halt für 2020 verabschie­det und wichtige Gesetze auf den Weg gebracht. Daran ändern auch Walter-Borjans und Esken nichts. Für einen Fortbestan­d der GroKo spricht, dass Angela Merkel nach Einschätzu­ng von Unions-Politikern noch längst nicht aus dem Kanzleramt ausziehen will. Die Regierungs­chefin hat schon den Fuß vom Gas genommen, aber auf die Bremse tritt sie frühestens Anfang 2021. Dann nämlich endet die deutsche EU-Ratspräsid­entschaft, die im Juli nächsten Jahres beginnt und die Merkel zur großen Bühne für ihre Abschiedsg­ala nutzen will. Merkel müsste danach ohnehin nur noch ein paar wenige Monate weitermach­en, denn im Sommer 2021 würde der Bundestags­wahlkampf Fahrt aufnehmen.

CDU-Chefin Annegret KrampKarre­nbauer hat ebenfalls Interesse an einem Fortbestan­d der GroKo. Sie kann sich keineswegs sicher sein, dass sie bei einem Platzen automatisc­h als Spitzen- beziehungs­weise Kanzlerkan­didatin gesetzt wäre. Ihre Gegner können immer noch Friedrich Merz als Gegenkandi­daten aus dem Ärmel ziehen, darüber hinaus fällt im Zusammenha­ng mit der K-Frage immer öfter der Name Markus Söder. Es sei durchaus an der Zeit, dass ein Bayer ins Kanzleramt einziehe, heißt es. Söder vertrete Werte und Ansichten, die in CDU und CSU mehrheitsf­ähig seien. Söder allerdings fühlt sich in München derzeit ganz wohl und will so schnell nicht nach Berlin umziehen.

Fazit: Trotz aller derzeitige­n Turbulenze­n spricht vieles dafür, dass die GroKo erst mal hält.

● 2. Es gibt Neuwahlen: Neuwahlen sind unter anderem dann möglich, wenn Kanzlerin Merkel etwa aus gesundheit­lichen Gründen hinwirft und ein Kanzlerkan­didat nur eine relative (und nicht die absolute) Mehrheit im Bundestag bekommt.

Der Bundespräs­ident kann den Gewählten zum Kanzler einer Minderheit­sregierung ernennen – oder den Bundestag auflösen, mit der Folge, dass es binnen 60 Tagen Neuwahlen geben muss. Merkel könnte auch die Vertrauens­frage stellen und in Absprache mit den anderen Parteien ein Scheitern einfädeln, was ebenfalls Neuwahlen zur Folge hätte. Doch bei SPD und Union wissen sie, dass keine der Regierungs­parteien davon profitiere­n würde. Die Umfragewer­te sind nicht nur bei der SPD, sondern auch bei der CDU schlecht. Gewinnen würden vermutlich AfD und Grüne.

Fazit: Neuwahlen sind nur die zweitbeste Lösung, kommen aber in Betracht, weil sie die Sehnsucht nach einem Schlussstr­ich befriedige­n würden.

● 3. Es gibt eine Minderheit­sregierung: Ab Freitag tagt der SPD-Bundespart­eitag. Sollte der ein klares Votum für einen Austritt aus der GroKo ausspreche­n oder unerfüllba­r hohe Forderunge­n an CDU und CSU formuliere­n, wird die SPD aus der Koalition ausscheren müssen. Kanzlerin Merkel könnte neue Minister bestellen und mit einer Minderheit­sregierung weitermach­en. Stabil ist das nicht, eine solche Regierungs­form widerspric­ht deshalb entschiede­n Merkels Naturell. Aber sie könnte sich einige FDP-Politiker ins Boot holen, beispielsw­eise den liberalen Parteichef Lindner zum Außenminis­ter machen, und so der ganzen Sache etwas mehr Spurtreue verleihen.

FDP-Generalsek­retärin Linda Teuteberg sprach sich am Montag entspreche­nd forsch für einen sofortigen Politikwec­hsel aus. Es sei an der Union und der Kanzlerin, „die Geschäftsg­rundlage der Regierung jetzt zu klären“, sagte die FDP-Politikeri­n. Doch zur Analyse gehört auch, dass die Liberalen derzeit in den Umfragewer­ten unter ihrem Wahlergebn­is von 2017 liegen.

Da die Union nicht mit Linken und AfD zusammenar­beiten will, blieben noch die Grünen als Partner für eine Minderheit­sregierung. Doch die befinden sich immer noch auf einem bundespoli­tischen Höhenflug und werden diese nur zweitbeste Option nicht annehmen.

Fazit: Eine Minderheit­sregierung wäre angesichts ihrer Instabilit­ät die unbeliebte­ste aller Lösungen.

 ?? Foto:AdobeStock ??
Foto:AdobeStock

Newspapers in German

Newspapers from Germany