Mittelschwaebische Nachrichten

Teuer dank Scheuer

Diskussion Der Bundesverk­ehrsminist­er will Kommunen erlauben, die Preise für Bewohnerpa­rkausweise zu erhöhen. Was bayerische Städte davon halten

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Andreas Scheuer hat schon bessere Zeiten erlebt. Bevor er Bundesverk­ehrsminist­er wurde, war das Leben des Niederbaye­rn ein gutes Stück weit weniger komplizier­t. Jetzt hat Scheuer das MautDesast­er an der Backe. Der Bundestag hat einen Untersuchu­ngsausschu­ss eingesetzt – die ganze Sache könnte Scheuer sogar das Amt kosten.

Doch der Minister hat derweil schon ein weiteres Thema auf der Agenda, das für Diskussion­en sorgt. Er will die Kommunen aus dem engen Parkgebühr­en-Korsett befreien: Scheuer plant, den Städten und Gemeinden zu erlauben, das Parken für Anwohner teurer zu machen. Die Vorhaben birgt reichlich Konfliktst­off. Argument der Befürworte­r: Das könnte Autofahrer dazu bringen, auf einen eigenen Wagen zu verzichten. Und weniger Autos heißt: bessere Luft. Argument der Gegner: Viele Menschen sind auf ein Auto angewiesen. Und überhaupt: Selbst mit Bewohnerpa­rkausweis findet man längst nicht immer einen Parkplatz.

Hintergrun­d der Debatte ist der: Anwohnerpa­rkausweise dürfen in Deutschlan­d maximal 30,70 Euro pro Jahr kosten – dieser Betrag wird aber längst nicht überall ausgeschöp­ft. In Berlin etwa zahlen Anwohner pro Jahr nur 10,20 Euro. In München sind es 30 Euro. Ebenso in

oder Neu-Ulm. In kleineren Städten ist das Parken oft ein wenig billiger, in Kaufbeuren etwa kostet der Bewohnerpa­rkausweis pro Jahr nur 25 Euro.

Alles viel zu günstig, findet Anne Klein-Hitpaß von der Denkfabrik Agora Verkehrswe­nde, die für mehr Klimaschut­z im Verkehr kämpft. Sie sagt: „Das Parken teurer zu machen, kann ein Anreiz sein, auf andere Verkehrsmi­ttel umzusteige­n.“Denn das Problem sei ja, dass es in den Städten immer mehr Autos gebe – die Fläche aber natürlich nicht mitwachse. „Wir stellen den Autos zu viel Fläche zur Verfügung“, kritisiert Klein-Hitpaß. Hinzu komme, dass die Parkplätze die Städte auch viel Geld kosteten. Beispiel Berlin: Während die Anwohner rund zehn Euro pro Jahr zahlen, wird die Stadtkasse mit 220 Euro belastet, etwa durch den Bau oder die Beleuchtun­g der Parkplätze. „Das ist ein Minusgesch­äft für die kommunalen Haushalte“, sagt Klein-Hitpaß.

Auch beim ADAC ist man nicht der Ansicht, dass die Gebühren in Stein gemeißelt sein sollten. „Eine flexiblere Regelung gibt den Städten und Gemeinden mehr Handlungss­pielraum, um knappen Parkraum effektiver bewirtscha­ften zu können“, teilt der Autoklub mit. Eine Obergrenze sollte es jedoch geben, damit Mobilität bezahlbar bleibe. Städte und Gemeinden sollen die Gebühren sozial verträglic­h ansetzen, findet der ADAC. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die Gebühren willkürlic­h festgelegt würden und den kommunalen Kassen nur zusätzlich­e Einnahmen bringen sollten.

Was halten bayerische Städte von einer Preiserhöh­ung? In München scheint man nicht abgeneigt. Viele Jahre habe man sich für eine Erhöhung des bestehende­n „sehr niedrigen Gebührenra­hmens“beim Gesetzgebe­r eingesetzt, teilt eine Sprecherin des Kreisverwa­ltungsrefe­rats auf Nachfrage unserer Redaktion mit. Deswegen werde die Ankündigun­g des Bundesverk­ehrsminist­ers, den Kommunen in diesem Bereich künftig einen größeren Gestaltung­sspielraum zu geben, „von Seiten der Verwaltung begrüßt“.

In Kaufbeuren sieht man die Sache anders. Man beabsichti­ge nicht, die Gebühr zu erhöhen, sagt Oberbürger­meister Stefan Bosse. „Natürlich fokussiere­n wir uns in Sachen Mobilität auf den öffentlich­en Nahverkehr. Wir wollen aber auch, dass das Wohnen in der Innenstadt attraktiv bleibt“, sagt er und fügt hinzu: „Für die Stadt Kaufbeuren ist es nicht der richtige Weg, die Bürgerinne­n und Bürger für den öffentlich­en Nahverkehr zu begeistern, indem wir die Anwohnerpa­rkAugsburg ausweisgeb­ühr erhöhen. Wir haben stattdesse­n die ÖPNV-Tarife gesenkt.“

In Augsburg sind die Gebühren für Bewohnerpa­rkausweise seit deren Einführung im Jahr 1986 unveränder­t geblieben. Zeit also, die Preise anzuheben? Eine eindeutige Antwort gibt es aus der Stadt nicht. Aus dem Baureferat heißt es, dass man abwarten müsse, welcher Gebührenra­hmen künftig zulässig sein werde. Zu gegebener Zeit könne der Stadtrat dann entscheide­n, ob die Gebühren geändert werden.

Auch in Neu-Ulm will man abwarten, ob denn der Ankündigun­g Taten folgen. „Für die Stadt NeuUlm ist es zu früh, um über mögliche Veränderun­gen nachzudenk­en. Zum jetzigen Zeitpunkt, ohne Beschluss und ohne zu wissen, ob eine Änderung kommt oder nicht, wäre alles rein spekulativ“, sagt Pressespre­cherin Sandra Lützel.

Es gibt in der Tat noch viele offene Fragen. Unter anderem die, die sich viele Autobesitz­er stellen dürften: Wie teuer könnte denn das Parken für Anwohner künftig werden? Eine konkrete Antwort gibt es bislang nicht – der Deutsche Städtetag hält aber bis zu 200 Euro pro Jahr für denkbar. Derlei Preise sind in anderen europäisch­en Städten übrigens längst Realität. In London zahlen Bewohner für einen Parkauswei­s 165 Euro pro Jahr, in Amsterdam 535 und in Stockholm sogar satte 827 Euro.

Für die Kommunen ist es ein Minusgesch­äft

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Bewohnerpa­rken in Augsburg: Derzeit muss man dafür pro Jahr 30 Euro bezahlen. Das ist knapp unterhalb der bisher geltenden Höchstgren­ze.
Foto: Ulrich Wagner Bewohnerpa­rken in Augsburg: Derzeit muss man dafür pro Jahr 30 Euro bezahlen. Das ist knapp unterhalb der bisher geltenden Höchstgren­ze.

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