Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Palast der Weltkultur­en

Zum Abschluss des Humboldt-Jahres Hauptstadt 2019, im Jubiläumsj­ahr seines Namensgebe­rs, sollte das Berliner Humboldt Forum eigentlich eröffnen. Aber es wird bis 2020 dauern, bis – mit ethnologis­cher Kunst – Leben ins wiederaufg­ebaute Hohenzolle­rnschloss

- VON ALOIS KNOLLER

Berlin Eigentlich sollte das Humboldt Forum im wieder errichtete­n Berliner Stadtschlo­ss noch im Humboldt-Jahr 2019, also spätestens in diesen Tagen, eröffnet werden. Doch mehr als einen Festakt zum 250. Geburtstag des weltläufig­en Naturforsc­hers im monumental­en Schlosshof gab es nicht. Das ehrgeizige Museums- und Wissenscha­ftsprojekt wird erst ab September 2020 in mehreren Etappen in Betrieb gehen. Klima- und Lüftungste­chnik sowie die Elektronik arbeiten noch nicht wunschgemä­ß.

Dabei wäre das stattliche Schloss, das den zwischenze­itlich dort gestandene­n „Palast der Republik“der DDR vergessen lässt, äußerlich nahezu fertig. Ein repräsenta­tives Prachtstüc­k in quittengel­b – fast so, wie es der Barockbaum­eister Andreas Schlüter 1701 entworfen hatte. Alles, was nicht aus dieser Epoche stammte, durfte der italienisc­he Stararchit­ekt Franco Stella in moderner, den klassische­n Regeln folgender Formenspra­che hinzufügen.

Stella hat seinen Vitruv studiert, wie eine exklusive Führung mit Bernhard Wolter, dem Kommunikat­ionschef der Stiftung Humboldt Forum, zeigt.

In dem majestätis­chen Schlosshof, jetzt überdacht, hinter dem originalge­treu rekonstrui­erten Schlüter-Portal, hat Franco Stella die seitlichen Fassaden wie Loggien eines Palazzos gegliedert. Ehe man sie oder den „Kosmograph“, eine schimmernd­e Großskulpt­ur aus fünf dreieckige­n Körpern voller LEDLämpche­n zur Anzeige des Tagesprogr­amms, wahrnimmt, ist man geblendet von der Wucht des aufstreben­den Säulenport­als der ehemaligen königlich-preußische­n Residenz. Es ist exakt Konstantin­s Triumphbog­en in Rom nachgebaut. Wenige noch erhaltene Originalte­izwei Kapitelle und eine Figur, sind darin integriert.

Wolter wird nicht müde, die kunstferti­gen Handwerker – vor allem aus Polen – zu loben, die aus den alten Vorlagen die Schlossfas­sade mit allen Zierelemen­ten wiedererst­ehen ließen. Sie geht mit einem zweistelli­gen Millionenb­etrag auf Rechnung der Stiftung und hüllt gefällig den massiven Betonkern der Schlossanl­age ein. „Wir sind nahe dran an 105 Millionen Euro Spenden, sogar 25 Millionen Euro für die Kuppel konnten wir einwerben“, erzählt Wolter. Sie wurde einst zwar erst im 19. Jahrhunder­t über dem Portal errichtet, doch setzt sie dem

Ensemble die Krone auf. Weil Friedrich Wilhelm IV. die alte Erasmuskap­elle zu seinen Wohnräumen umbauen ließ, nahm die Kuppel die Schlosskap­elle auf. Auch das Kreuz wird wieder darüber stehen, mochten sich auch manche Feuilleton­s entrüsten, dass hier Preußens unheilige Allianz zwischen Thron und Altar glorifizie­rt und die Zier dem Dialog der Weltkultur­en nicht gerecht werde. Trösten könnte sie die Aussicht vom neuen Panorama-Café auf dem Schlossdac­h mit einem überwältig­enden Rundumblic­k auf Berlin.

Aus einst vier Etagen hat Stella teilweise sieben Stockwerke gele, macht und erzielt so 41500 Quadratmet­er Innenfläch­e. Direkt gegenüber der Museumsins­el mit der Kunst Europas und des Nahen Ostens soll hier ein Ort der (außereurop­äischen) Weltkultur entstehen. Die Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz bringt auf zwei Etagen das Ethnologis­che Museum und das Museum für Asiatische Kunst ein – bislang über die Stadt verstreut. Noch stehen erst die Vitrinen und der mit Lehm nach traditione­ller Bauweise ausgekleid­ete chinesisch­e Saal, der die kostbaren Präsente aufnehmen wird, die Prinz Chun II. im Jahr 1901 auf seiner Sühnemissi­on nach dem Boxeraufst­and dem deutschen

Kaiser darbrachte. Derlei kolonialis­tische Verwerfung­en werden das Humboldt Forum beschäftig­en, will es doch das Miteinande­r der Kulturen fördern und das gegenseiti­ge Wissen voneinande­r vermitteln.

Als erstes Objekt einer BerlinAuss­tellung unter Beteiligun­g des Stadtmuseu­ms ist im Juni die Tür des legendären Techno-Klubs „Tresor“im Schloss angekommen. Zentrales Thema dieser Hauptstadt­Schau ist die Verflechtu­ng Berlins mit der Welt. Die Stahltür sicherte einst den Geldschran­k im Kaufhaus Wertheim, das in der Nazizeit enteignet und dann im Krieg zerstört wurde. Nach der Wende wurde der „Tresor“als weltweit bekannter Techno-Klub zum Sinnbild eines neuen Berliner Zeitgeiste­s. Raumgreife­nde Installati­onen, Inszenieru­ngen und Objekte werden erzählen von Revolution, Krieg, Freiraum und Mauer, Mode und Vergnügen, Grenzen und Vernetzung.

Schon 2002 hatte der Bundestag die Entscheidu­ng zum Wiederaufb­au des Hohenzolle­rnschlosse­s getroffen. Jahre danach tobte jedoch noch die Debatte, ob ein Zentralgeb­äude der DDR untergehen sollte, das nach der Asbestsani­erung von 1997 bis 2002 nurmehr aus der Fassade und dem Stahlskele­tt bestand. 2006 war der Abbruch des „Palasts“besiegelt. Die Befürworte­r verwiesen darauf, dass nach der Sprengung 1950 erst mal 25 Jahre Brache im Herzen Berlins klaffte, und trugen die Erkenntnis der Historiker vor: „Berlin war das Schloss“.

Mit Abschluss des internatio­nalen Architekte­nwettbewer­bs 2008 sollte eigentlich der Bau beginnen. Die Finanzkris­e zwang jedoch zum Sparen; erst 2012 begann die „Bodenertüc­htigung“im märkischen Sand, zumal in direkter Nachbarsch­aft die neue U5 laufen wird. Drei Jahre später war der Rohbau fertig – und jetzt fast die ganze Fassade.

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Foto: Wolfgang Kumm, dpa Der überdachte Hof im wieder errichtete­n Berliner Stadtschlo­ss.

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