Mittelschwaebische Nachrichten

„Er hat gelernt, das Negative zu akzeptiere­n“

Ski alpin Thomas Dreßen gelingt ein perfektes Comeback. Dessen Ursprung liegt in einem tragischen Schicksals­schlag

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Nein, darauf hätte er keinen Euro gesetzt, sagt Frank Wörndl. Der Allgäuer Slalom-Weltmeiste­r von 1987 arbeitet für Eurosport als Ski-Experte und hätte vor dem Abfahrtsre­nnen in Lake Louise mit allem gerechnet, nur nicht mit einem Sieg von Thomas Dreßen. Der aber störte sich nicht daran, sondern gewann sein Comeback nach einjährige­r Verletzung­spause. So lange hatte er mit den Folgen eines Kreuzbandr­isses zu kämpfen. Jetzt ist er zurück – und wie.

„Er hat ja schon bewiesen, dass er Rennen gewinnen kann. Dass er nun gleich das erste wieder gewinnt, ist einfach nur schön“, lobt Wörndl. Dreßen selbst setzte seinen Triumph in Lake Louise auf eine Stufe mit seinem Sieg auf der legendären Streif in Kitzbühel im Januar 2018. Ganz so weit will Wörndl nicht gehen. Aber: „Wenn du zwölf Monate lang durch eine Verletzung und die ganzen Folgen gehst – und dann gleich wieder gewinnst, ist das im ersten Moment schon ein Wahnsinnsg­efühl.“

Die mentale Stärke, die es für solch eine Leistung braucht, habe ihren Ursprung allerdings in einer Tragödie, sagt Wörndl. 2005 starb Dreßens Vater Dirk bei einem SeilbahnUn­glück in Sölden. „Was man keinem wünscht, ist ihm passiert. Er weiß, wie wichtig es ist, im Hier und Jetzt zu sein. Er hat gelernt, das Negative zu akzeptiere­n, aber auch zu verdrängen. Ohne diesen tragischen Schicksals­schlag hätte er das alles vielleicht nicht geschafft. Er ist unglaublic­h reif.“Und: Dreßen ist extrem fokussiert. Wörndl erzählt eine Anekdote aus der Zeit kurz nach dem

Kreuzbandr­iss. Er habe ihn im Krankenhau­s besucht und dabei sei für den frisch Operierten das Schlimmste gewesen, als er im Internet gesehen habe, dass sein Ski bei dem Sturz kaputtgega­ngen war. Wörndl: „Seine größte Sorge war, dass er keinen schnellen Ski mehr hat. Er hat sofort wieder an das nächste Rennen gedacht.“

Die Speed-Spezialist­en reisen nun weiter nach Beaver Creek. In Colorado stehen am Freitag und Samstag ein Super-G und eine Abfahrt im

Rennkalend­er, dazu kommt am Sonntag der Riesenslal­om. Die Stimmung in der Mannschaft ist ausgezeich­net. „Der Saisonstar­t war jetzt perfekt in der Abfahrt, man hat einen Sieg erreicht. Das gibt dem ganzen Team einen Push und auch eine Entlastung in der Zielsetzun­g“, sagte der neue Männer-Cheftraine­r Christian Schwaiger. „Wir wollen vorne mitfahren. Jeder weiß vom Training, dass er die Leistungen von Thomas bringen kann.“Denn in der Vorbereitu­ng war Dreßen nur selten der Schnellste im deutschen Team. Andreas Sander, der wie Dreßen aus einer Verletzung­spause nach einem Kreuzbandr­iss kommt, Josef Ferstl, der mit gebrochene­r Hand fährt, und Neuling Romed Baumann, der bisher für Österreich fuhr, sind also ebenfalls in der Lage, Topresulta­te einzufahre­n.

Momentan ist im Weltcup Dreßen das Maß der Dinge. Wörndl warnt vor zu großen Erwartunge­n. „Jetzt müssen wir erst einmal Beaver Creek abwarten, wie dort sein Knie reagiert – dort geht es anders zur Sache. Es wird Rückschläg­e geben, aber er weiß jetzt, dass er es kann. Das Selbstvert­rauen ist da.“

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Foto: Witters Hoch hinaus: Thomas Dreßen gewann bei seinem Comeback nach einjährige­r Zwangspaus­e die Abfahrt im kanadische­n Lake Louise.

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