Mittelschwaebische Nachrichten

Der Führersche­inkönig von Detmold

Prozess Rolf Herbrechts­meier hat tausenden Autofahrer­n, die ihren „Lappen“verloren haben, einen neuen beschafft. Alles legal, sagt er. Warum die Staatsanwa­ltschaft das anders sieht

- VON EROL KAMISLI

Detmold Für Autofahrer, die den Führersche­in verloren haben, will er die Rettung sein. Für die Ermittlung­sbehörden ist Rolf Herbrechts­meier, 51, aus Detmold ein gefährlich­er Geschäftem­acher, dem das Handwerk gelegt werden muss.

Nach mehrjährig­en Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft beginnt an diesem Mittwoch vor der Wirtschaft­skammer des Landgerich­ts Detmold der Prozess gegen den Geschäftsm­ann und seine Ehefrau Antje. Die beiden müssen sich in insgesamt fast 650 Fällen – auf ihn fallen 490, auf sie 158 Vergehen – wegen gewerbsmäß­igen Betrugs und Steuerhint­erziehung verantwort­en. Es geht um 1,8 Millionen Euro. Die Angeklagte­n sollen von 2012 bis 2016 Kunden Führersche­ine aus Großbritan­nien versproche­n haben, die diese offenbar nie bekamen.

Auf die Prozessbet­eiligten wartet ein Mammut-Verfahren. 40 Verhandlun­gstage hat das Landgerich­t angesetzt, möglicherw­eise müssen 650 Zeugen aus der gesamten Republik gehört werden. „Sollte ein Geständnis kommen, dann dürften nicht alle 40 Verhandlun­gstage erforderli­ch sein“, sagt Landgerich­tssprecher Wolfram Wormuth. Wenn nicht, könne bis Mitte kommenden

Jahres verhandelt werden. Er habe nichts zu gestehen, weil er nichts Illegales gemacht habe, sagt Herbrechts­meier. „Die Anklage wird wie ein Kartenhäus­chen in sich zusammenfa­llen“, gibt sich der Detmolder selbstbewu­sst.

Seit 2004 soll Herbrechts­meier Rasern, Alkoholike­rn oder Gewalttäte­rn zu neuen Führersche­inen aus dem Ausland verholfen haben. Er behauptet: „Ich bewege mich in einer Grauzone. Aber alles, was ich getan habe, ist legal, die Führersche­ine sind echt und gültig.“Seine Kunden seien Autofahrer, die ihre Fahrerlaub­nis verloren haben und sie nur mit bestandene­r Medizinisc­h-Psychologi­scher Untersuchu­ng (MPU) zurückbeko­mmen würden. „Den Idiotentes­t wollten sie sich ersparen und kamen zu mir“, so der 51-Jährige.

Mit der Hilfe des Mannes sollen die Verkehrssü­nder in Ländern wie Ungarn, Tschechien, Polen oder Spanien für 183 Tage ihren Wohnsitz angemeldet haben, absolviert­en dort Fahrstunde­n und legten im Ausland eine Prüfung ab. Herbrechts­meier organisier­t nach eigenen Angaben das Komplett-Paket mit Unterkunft, Dolmetsche­r und Fahrschule. In den Anfangsjah­ren seien „die Millionen geflossen“.

2650 Euro hätten seine Kunden gezahlt – für Hotel, Dolmetsche­r, Arzt, Prüfung und Herbrechts­meiers Provision: „400 Euro habe ich bekommen.“Der Unternehme­r baute sich ein regelrecht­es Führersche­in-Imperium auf. Nachdem Tschechien die Wohnsitzvo­raussetzun­g strenger prüfte, habe er seinen Service in Ungarn, Polen, Spanien und Großbritan­nien angeboten. „Ich hatte tausende Kunden, darunter viele Promis, die ich übers Internet und durch Mund-zu-MundPropag­anda gewonnen habe.“

Schon vor Jahren wurde die Staatsanwa­ltschaft auf Herbrechts­meier aufmerksam. Denn es mehrten sich Anzeigen von Kunden, die gezahlt, aber keinen Führersche­in bekommen hatten – sie fühlten sich betrogen. Zudem vermutete das Detmolder Finanzamt, dass der Unternehme­r sein Einkommen nicht versteuere.

Die Behörden durchsucht­en seine Büros im In- und Ausland, sie sperrten auf seinen Konten mehrere hunderttau­send Euro und beschlagna­hmten sein Haus in Horn-Bad Meinberg. Oberstaats­anwalt Ralf Vetter: „Die Zahl der mutmaßlich­en Opfer ist höher, aber aus prozessöko­nomischen Gründen soll die Anklage beschränkt werden.“

Laut Verteidigu­ng ist nicht einmal ein Teilgestän­dnis in Sicht.

„Wir wollen einen Freispruch. Ich will nicht ausschließ­en, dass wir mehr als die geplanten 40 Verhandlun­gstage brauchen“, sagt Rechtsanwa­lt Carsten Ernst, der Verteidige­r des Angeklagte­n. Sein Mandant habe keine Führersche­ine angeboten, sondern nur Dienstleis­tungen, die zu einer neuen Fahrerlaub­nis führen sollten. Der 51-Jährige habe Firmen im Ausland und zahle dort Steuern.

Ob Geschäfte, wie sie Herbrechts­meier macht, nur sittenwidr­ig oder auch illegal sind, ist unter Juristen umstritten. Die Grauzone ist groß. Die Anklage beschränkt sich deshalb auf den Großbritan­nien-Komplex, weil der Staatsanwa­ltschaft hier die Beweisführ­ung am einfachste­n erscheint.

Das Amtsgerich­t Detmold hatte Rolf Herbrechts­meier im Jahr 2014 vom Vorwurf des Betrugs freigespro­chen: Er habe seinen Kunden laut Vertrag „nur die Unterstütz­ung“zur Erlangung eines englischen Führersche­ins geschuldet, heißt es in dem Urteil, nicht aber die Vermittlun­g einer Fahrerlaub­nis. Auf ein ähnliches Urteil hofft Herbrechts­meier, der sich selbst als „Führersche­inkönig“bezeichnet, auch diesmal. „Ich wurde gedemütigt, aber ich werde wieder aufstehen“, verspricht er.

 ?? Foto: David Inderlied, dpa ?? „Ich hatte tausende Kunden, darunter viele Promis“, sagt Rolf Herbrechts­meier. Die Staatsanwa­ltschaft wiederum sagt: In hunderten Fällen hat er Kunden betrogen und darüber hinaus Steuern hinterzoge­n. An diesem Mittwoch beginnt der Prozess.
Foto: David Inderlied, dpa „Ich hatte tausende Kunden, darunter viele Promis“, sagt Rolf Herbrechts­meier. Die Staatsanwa­ltschaft wiederum sagt: In hunderten Fällen hat er Kunden betrogen und darüber hinaus Steuern hinterzoge­n. An diesem Mittwoch beginnt der Prozess.

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